Personalmagazin plus MBA 6/2024

Führungskräfteausbildung 9 ning ausmacht, wie neuronale Netze funktionieren und wie sie mit guten Fragen generative KI wie Chat GPT zu möglichst brauchbaren Vorschlägen bringen, Stichwort Prompt Engineering. „Eine Antwort kann nur so gut sein, wie die vorherige Frage“, meint der Dean der ESCP Berlin. Das kenne man aus der Wissenschaftsmethodik, die für Business Schools eine große Rolle spielt. Die Thesis als Abschlussarbeit sei schließlich mehr als ein Besinnungsaufsatz. Es brauche eine klare Research Question und die Arbeit beinhalte eine Diskussion am Ende, die verschiedene Standpunkte abwägt. Diese klare Struktur als Teil der Wissenschaftsmethodik erlebe nun im gesamten Studium ein Revival, glaubt der Marketing-Professor. Generative KI funktioniere nach einer klaren Logik wie man sie aus der Philosophie kennt. „Beim Umgang mit KI geht es um Logik und Präzision.“ Methoden, die dazu geeignet seien, die Qualität von wissenschaftlichen Publikationen zu beurteilen, wie das Peer Reviewing, müssten auch bei KI der Maßstab sein. Tugendübungen: die Kunst des Dialogs „Es ist fast so, als müsse man über die finanziellen und technologischen Komplexitäten des Geschäfts hinwegsehen, um zu erkennen, dass man einfach das Richtige tun sollte, um ein bedeutungsvoller Leader zu werden“, bemerkt Tony O‘Driscoll. Er spielt auf das berühmte Zitat von Peter Drucker an: „Management bedeutet, die Dinge richtig zu tun; Führung heißt, die richtigen Dinge zu tun.“ Managementaufgaben, die wie ein Relais-Mechanismus Informationen übertragen und Anweisungen für Mitarbeitende generieren, stehen im Zeitalter der KI infrage. O’Driscolls Ansicht nach nehmen mit KI ethische und moralische Dilemmas zu. Eine geisteswissenschaftliche Perspektive könnte in dieser Hinsicht helfen. Kardinaltugenden, wie sie Aristoteles propagierte, haben im Zeitalter der KI nicht ihren universellen Charakter verloren. Im Gegenteil: Geistige Tugenden wie Klugheit, Kunstfertigkeit, Vernunft, wissenschaftliches Wissen und Weisheit sowie moralische Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Einfühlsamkeit oder Mut sind gefragt. Um etwas jenseits von Nullen und Einsen anzubieten, bedarf es menschlicher Beziehungsfähigkeiten des Dialogs und Zuhörens. Business Schools sind die Orte, an denen durch Übung, Beurteilung und Feedback gute Gewohnheiten entstehen können. Wissensvermittlung ist weiterhin wichtig, aber sie findet zunehmend außerhalb des Unterrichts statt. An der ESCP hat eine Projektgruppe ein Konzept entwickelt, wie Dozentinnen und Dozenten mithilfe von Avataren Videos für asynchrone Online-Lehre gestalten können. Man setzt dabei zunehmend auf sogenannte Flipped-Classroom-Situationen: Studierende müssen sich schon vor dem Unterricht den Stoff aneignen, der ihnen asynchron bereitgestellt wird. Die Vorlesung ist dann das Forum für Diskussionen. Gerade beim Executive MBA, der sich vor allem an erfahrene Führungskräfte richtet, geht es dann auch um Fragen von Politik und Wirtschaft – insbesondere in einem Superwahljahr wie diesem. Im Fokus stehen nicht nur Wahlmanipulationen und Deep Fakes, sondern auch, welche Auswirkungen die Politik auf wirtschaftliches Handeln hat und umgekehrt. Der Druck auf Führungskräfte, sich zu politischen Themen zu äußern, hat zugenommen, glaubt Santiago Iñiguez, Präsident der IE University, zu der die IE Business School mit Sitz in Madrid gehört (siehe Interview Seite 10-13). „Die soziale Verantwortung wird inzwischen als integraler Bestandteil der Gesamtstrategie eines Unternehmens und seiner Kommunikation mit der Gesellschaft angesehen, was den CEOs eine aktivere Rolle in den Debatten über die drängenden Fragen des Tages verschafft.“ In einigen Fällen habe dies dazu beigetragen, die politischen Rahmenbedingungen zu verändern. An der WU Executive Academy spielt dies vor allem in Kursen zu Business Governance und Economy eine Rolle, wo Studierende erfahren, was sie über politisches Handeln und Gesetzgebung wissen müssen und sie darüber diskutieren, welchen Einfluss das auf Unternehmungen hat. Responsible Leadership heißt für Dekanin Barbara Stöttinger auch, sich politischen Dilemmas zu stellen. „Führungskräfte müssen sich nicht zwangsläufig zu Politik äußern. Aber klug abwägen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, dies zu tun.“ Der Austausch darüber ist entscheidend und gerade dann aufschlussreich, wenn verschiedene kulturelle Ansichten und Werte aufeinandertreffen. Realistische Lernerlebnisse ermöglichen „Mut selbst kann man nicht lernen, aber die Bedingungen schaffen, unter denen man Mut erfahren kann“, betont Tony O’Driscoll. Um schwierige Entscheidungsfindungen zu üben, setzen viele Business Schools inzwischen auf Mixed Reality (siehe Artikel „Die Empathie-Maschine“ in personalmagazin neues lernen, Ausgabe 3/2024). Auch KI kommt hier zunehmend zum Zug. Der Großteil des konzeptuellen Wissens, das O’Driscoll während seiner Karriere in seinen Vorlesungen geteilt hat, wird bald von seinem persönlichen „Prof-Tony“- AI-Gegenstück übernommen, welches er kontinuierlich mit seinen Vorlesungen und Schriften füttert. Ab dem nächsten Semester können seine Studierenden rund um die Uhr bei seinem Doppelgänger-Chatbot nachfragen und Antworten erhalten, die die KI aus seinem Wissensschatz generiert. Währenddessen kann der Strategieprofessor beispielsweise an neuen Live-Cases arbeiten, die er gerne als Rollenspiele gestaltet. In seinen Klassen bilden die Studierenden oft zwei Teams, wobei eines den Vorstand spielt und die anderen die Strategie präsentieren. Sie müssen erfolgreich darin sein, andere mit ihrer Präsentation und ihren Schlussplädoyers zu begeistern und zu fesseln. „Es ist wie in einem echten Film; danach weiß man, wie es sich anfühlt. Die Erfahrung zählt, denn sie ist oft der größte Lehrer.“ STEFANIE HORNUNG ist freie Journalistin und behält für das Personalmagazin die MBA-Welt im Blick.

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