PM Plus Arbeitswelten 2019
Gesund arbeiten 45 Eule oder Lerche? Langschläfer oder Frühaufsteher? Men- schen ticken verschieden und haben ganz unterschiedliche Biorhythmen. An diesem Punkt setzen neue Lichtkonzepte am Arbeitsplatz an: Sie simulieren den Lauf der Sonne und sorgen dafür, dass jeder Mitarbeiter optimale Verhältnisse für seine innere Uhr vorfindet. Human Centric Lighting ist das Trendthema in der Beleuchtungsbranche und rückt die Wirkung des Lichts auf Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden in den Mittelpunkt. Müdigkeit, Erschöpfung, Kopfschmerzen: Wenn die Lichtver- hältnisse am Arbeitsplatz nicht optimal sind, klagen Mitarbeiter über massive Probleme. Neben direkten Sehbeschwerden hat die Beleuchtung auch Auswirkungen auf die Ermüdung der Augen. Bei zu wenig Licht oder wenn die Sonne sich im Computerbild- schirm spiegelt, müssen Angestellte ihre Augen zusammenkneifen oder den Kopf in eine ungünstige Position drehen. Das wiederum führt zu Verspannungen und verursacht Nacken-, Schulter- oder Rückenprobleme. Schlechte Lichtverhältnisse können sich also massiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter auswirken – und damit am Ende auf die Produktivität des Unternehmens. Umso wichtiger ist es, gute Voraussetzungen zu schaffen. Doch wie sieht die optimale Beleuchtung aus? Der Mindest- standard ist in der Norm DIN EN 12464-1 festgehalten. Sie regelt, welche Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz vorherrschen müssen. Allerdings nimmt sie dabei lediglich das gesunde Auge als Maß- stab, individuelle Beeinträchtigungen im Sehvermögen spielen keine Rolle. Die Augen älterer Menschen ab 40 Jahren benötigen aber zum Beispiel höhere Beleuchtungsstärken und größere Kontraste, zudem sind sie empfindlicher für Blendungen. Bei diesen Punkten kann eine gute Lichtplanung und das optimale Ausleuchten des Arbeitsplatzes schon viel dazu beitragen, dass die Mitarbeiter besser sehen und sich wohler fühlen. Biologisch wirksames Licht unterstützt die innere Uhr Eine noch weitergehende und vergleichsweise neue Entwicklung ist das sogenannte biologisch wirksame Licht, das auch biodyna- misches Licht oder Human Centric Lighting genannt wird – ein künstliches Licht, das die Taktung der inneren Uhr unterstützt (siehe Kasten Seite 46). Dabei werden die Beleuchtungsstärke und die Farbe dem natürlichen Tagesverlauf nachempfunden: von aktivierendem, kaltweißem Licht am Morgen bis zu warm- weißem Licht in den Abendstunden. Das synchronisiert die inne- re Uhr des Menschen. Die morgens und mittags vorherrschenden Blauanteile im Tageslicht aktivieren das Stresshormon Cortisol. Es regt an und steigert die Konzentration. „Viele Anwender kennen das inzwischen von ihrem Tablet oder Smartphone“, sagt Christoph Waldmann, Leiter Team Kommunikation beim Leuchtenhersteller Waldmann in Villingen-Schwenningen. Weil auch Displays ein Licht mit hohem Blauanteil ausstrahlen, ver- ändern entsprechende Apps die Farbe gegen Abend ins rötliche Spektrum, sodass Nutzer besser einschlafen können. Das Ziel von biologisch wirksamem Licht am Arbeitsplatz ist es, Wohlbefinden, Konzentrationsfähigkeit und Gesunderhal- tung der Mitarbeiter zu steigern. Das Unternehmen Waldmann gehört mit seinem Visual Timing Light (VTL) genannten System zu den Pionieren in diesem Bereich. „Wir haben vor 15 Jahren begonnen, ein Konzept für Pflegeheime zu entwickeln“, sagt Christoph Waldmann. Hintergrund waren Demenzkranke, denen das Gefühl für Tag und Nacht verloren geht. Für sie suchten die Lichtexperten aus dem Schwarzwald nach einer Lösung, um die innere Uhr der Heimbewohner neu einzustellen. Und tatsächlich fanden die Demenzkranken mithilfe des biodynamischen Lichts wieder zurück in einen klareren Tag-Nacht-Rhythmus. Seit 2014 bietet Waldmann biodynamische Lichtkonzepte auch für Büros an. Ein Beispiel ist der Firmensitz des Industriekonzerns Bayer in Basel, den Waldmann ausgestattet hat. Nicht nur an den Arbeitsplätzen, sondern auch in den Kommunikationsbereichen brennt nun ideales Kunstlicht. Ebenfalls Einzug halten smarte Lichtlösungen inzwischen im Industriebereich, besonders Sinn macht dies bei Schichtarbeit. Das bestätigt eine Studie aus Österreich, in der zwei biologisch wirksame Beleuchtungsszenarien getestet wurden. Beide Unter- suchungen kamen zu dem Ergebnis, dass biologisch wirksames Licht einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Mit- arbeiter hat. Sie waren während der Arbeit leistungsfähiger und konnten danach besser schlafen. Künstliche Beleuchtung schafft biologische Dunkelheit „Insbesondere durch die gesellschaftlichen Veränderungen, den Leistungsdruck und die lange Zeit, die Menschen heute der künstlichen Beleuchtung ausgesetzt sind, ist die richtige Beleuchtung wichtig“, sagt Geschäftsinhaber Gerhard Wald- mann: „Mit gewöhnlicher künstlicher Beleuchtung befinden wir uns sozusagen in biologischer Dunkelheit.“ Dies könne zu Müdigkeit und reduzierter Aufmerksamkeit, in extremeren Fäl- len sogar zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen führen. „Ein biodynamisches Licht kann vor allem in Räumen mit geringer Tageslichtversorgung und in den Wintermonaten, wenn die innere Uhr kaum mit dem Tageslicht synchronisiert wird, das Wohlbefinden nachhaltig stärken“, erklärt Waldmann. Berücksichtigt werden bei der Entwicklung der Lampen auch unterschiedliche Bedürfnisse – etwa zwischen Lerchen, also Licht am Arbeitsplatz Welche Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz vor- herrschen müssen, regelt die Norm DIN EN 12464-1. Die in der Richtlinie genannten Anforde- rungen sollen für eine optimale Sehleistung und besten Sehkomfort der Angestellten sorgen. Fest- gelegt sind neben der Beleuchtungsstärke zum Beispiel auch maximal erlaubte Blendungen und Reflexionen. Bestimmte Lösungen für eine opti- male Arbeitsbeleuchtung werden in der Richtlinie jedoch nicht genannt. Auch die genau geforderte Qualität der Sehverhältnisse ist unterschiedlich. Sie hängt von verschiedenen Faktoren, etwa von Art und Dauer der Tätigkeit, ab. Und: Die DIN- Norm beschreibt lediglich Mindestanforderungen, denn sie nimmt das gesunde Auge als Maßstab.
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