PM Plus Arbeitswelten 2019
Trend 39 der anderen Seite. Wir schaffen viele Formate, mit denen die Kol- legen die Möglichkeit haben, durch Reflexion, durch Diskussion, aber vor allem durch das Darstellen von Best-Practise-Beispielen zu antizipieren, was wir hier tun. Welche Rolle spielt HR dabei? HR übernimmt die gestalterische Rolle. Es gibt nicht das Rezeptbuch, das sagt „Arbeite genau so und dann hast du New Work“. Es gibt aber ein Buch mit bestimmten Leitfragen, an denen man sich entlanghangeln kann. Future Work ist wie ein großes Buffet. Man muss für sich, mit seinem Arbeitskontext, mit dem Output, den man für das Unternehmen generiert und mit dem Team, also auch mit Charakteren und Persönlichkeiten im Team, gemeinschaftlich herausfinden, was aus diesem Buffet das Beste ist, was auf meinen Teller passt. Und um das herauszufinden, unterstützt HR durch Formate, durch Guidance, durch Anleitung, aber auch durch Verhand- lungen mit dem Betriebsrat. Diese Verhandlungen sind bei uns sehr positiv verlaufen, wir haben Betriebsvereinbarungen für das Thema Desk-Sharing und für das Thema Office 365 geschlossen. Das schafft auch einen sehr allgemeinen, klaren Rahmen, in dem ich mich bewegen kann. Denn ich weiß, was das Passende ist, wo ich meinem Team Leitfäden geben kann und wo ich Spiel- regeln entwickeln kann, wie wir das leben wollen, wie wir das nutzen wollen. Ist HR auch an der konkreten Planung von Flächen beteiligt? Wir haben das Flächenmanagement mit einem großartigen Expertenteam, das sich auch Innenarchitekten und Farbpsycho- logen zu Hilfe nimmt. Deshalb sagen wir als HR-Abteilung, dass zu viele Köche gerne mal den Brei verderben. Wir vertrauen auf die Expertise der Kollegen und unterstützen dabei, diese Flächen in der bestmöglichen Form anzunehmen. Aktivitätenbasiertes Arbeiten ermöglicht dem Einzelnen, zu entscheiden, was er an diesem Raum benötigt, um die Aufgabe bestmöglich zu erledi- gen. Das ist der Punkt, an dem wir den Staffelstab übernehmen und diese allgemeine Guidance bieten. Darüber hinaus wollen wir intensiv zur funktionalen Nutzung befähigen. Das heißt für uns, dass wir durch Seminare, Sessions zur konkreten Anwen- dung der Lösungen und in Workshops an den Räumen testen, wie sie am besten genutzt werden. Gibt es auch Grenzen? Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie kommen nicht mehr weiter? Ganz ehrlich: aktuell nein. Wir hinterfragen uns immer sehr kritisch und ich bin mit anderen Unternehmen im Austausch um herauszufinden, wo man den Weg noch besser gehen kann. Aber momentan kann ich nur sagen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Durch die Formate, die wir anbieten, geht das Konzept sehr gut auf. Wenn Mitarbeiter in eine neue Arbeitswelt umzie- hen, bieten wir beispielsweise Sprechstunden an, sodass ihre Probleme gehört und eben auch behoben werden. Häufig sind es bauliche Themen. Es können aber auch kulturelle Themen sein, die dann HR wieder aufnimmt, um in der Change-Beglei- tung, beispielsweise über Workshops, wieder neue Commitments herauszuarbeiten. Außerdem arbeiten wir jetzt stark mit neuen Formaten zur Befragung. Wir haben beispielsweise einen riesigen Elefanten in den Raum im Forum gestellt – ich liebe ihn. Das Ganze ist angelehnt an das Sprichwort aus dem Angelsächsischen, „Fanti“ steht für Dinge, die eigentlich nicht zu übersehen sind, über die man sprechen sollte, aber es meist dann doch nicht tut. Damit verbunden haben wir die Aufforderung: Wenn du zum The- ma mobiles Arbeiten einen „Elefanten im Raum“ siehst, dann schreib es doch einfach mal auf. Wir wollen damit die vielen Fragen auffangen, die zur Mög- lichkeit, von überall zu arbeiten, aufkommen: Was heißt das denn konkret? Wie häufig darf ich das, soll ich das? Gibt es Einschränkungen im Dürfen, gibt es Wochenvorgaben? Auch Statements erhalten wir. Meine Lieblingsaussage handelt von Work-Life-Balance: „Ich kann mein Kind jetzt zweieinhalb Stun- den länger sehen, weil ich mein Aufgabenpensum effektiver gestalten kann.“ Es kommen sehr ehrliche Fragen zu ehrlichen Problemen. Das wollen wir immer stärker nutzen. Wenn wir merken, dass wir einen Nerv treffen, bekommen wir auch die Chance, ehrliche Antworten zu geben. Wenn wir immer alles nur selbst vordenken, haben wir vielleicht auf manche dieser Fragen keine Antwort. Nur mit diesem Kontakt können wir auch die richtigen Antworten geben und die richtigen Hilfestellungen an- bieten. Gleichzeitig überprüfen wir uns damit auch selbst: Stehen wir richtig, um das Ohr ganz nah an der Organisation zu halten? Wie kommt das bei denMitarbeitern an? Gibt es Widerstän- de, gerade bei Leuten, die nicht gerne auf ihr eigenes Büro verzichten? Es kommt sehr positiv an, auch dank der schönen Räumlich- keiten. Damit haben wir ein Wohlgefühl geschaffen, auch was die Akustik angeht. Man merkt, dass Störfaktoren beiseite geschafft wurden, die wir zuvor im Großraumbüro hatten. Dadurch, dass es keine Einzelbüros mehr gibt, haben wir viel mehr Platz für sogenannte Thinktanks, in die man sich zurückziehen kann, wenn man beispielsweise ein Gespräch führen möchte. Auch das führt zu viel mehr Ruhe auf der Gesamtfläche. Das Thema Sharing von Arbeitsplätzen ist auch stark vom jeweiligen Arbeits- kontext abhängig. Es gibt Arbeitskontexte, die sich super eignen, gerade in Bereichen, die sehr kreativ oder konzeptionell arbeiten. Mitarbeiter, die viel in Meetings unterwegs sind, lieben das Sha- ring-Prinzip. Die Nutzung ist aber schon davon abhängig, was gerade auf dem Tisch liegt. Das merkt man zum Beispiel, wenn viele Abwicklungsthemen anstehen. Da muss das Verhaltens- muster noch stärker entwickelt werden. Wie würden Sie jemanden überzeugen, der das Teilen des Arbeitsplatzes kritisch sieht? „Probiers aus! Es passiert nichts. Du kannst nur gewinnen.“ Und wenn die Person daraufhin zu der Erkenntnis kommt, dass das Sharing nichts ist, ist das auch eine Erkenntnis. Dann muss man nur überprüfen, ob das auch im Gemeinschaftlichen gleichbe- rechtigt funktionieren kann. Gleichzeitig gibt es teilweise schon diese innere Zerrissenheit, die einige Mitarbeiter, aber beispiels- weise auch Katy, unsere HR-Vorständin zeigen. Katy sagt, rational und logisch wisse sie, dass sie kein Büro bräuchte, weil sie sowie- so den ganzen Tag in Terminen sei. Aber gleichzeitig fragt sie sich, wo sie das Bild von ihrem Sohn hinstellen kann. Das zeigt, dass Menschen eine Heimat brauchen und das fangen wir mit den sogenannten Homezones auf. Auch wollen die Vorstände als Vor- bild vorangehen, aber auch sie haben ihre Bedenken und jetzt probieren sie es eben einfach aus.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==