PM Plus Arbeitswelten 2019
Trend 15 kuliert wird. Bürokonzeptionen haben oft ein bis zwei Jahre Vorlauf – bis zur Fertigstellung kann sich viel verändern. Hier ist HR essenziell, denn es bestimmt Fakten wie: Welche Bereiche wachsen? Arbeiten wir in Zukunft verstärkt agil? Arbeitsräume sind der Spiegel von Unternehmensstrategie und -kultur. Wo müssen Sie die größte Überzeugungsarbeit leisten? Ich glaube, eines der größten Missverständnisse derzeit ist der Gedanke „Wer New Work will, muss in den Großraum gehen“. Viele können den Begriff gar nicht richtig einordnen und ver- stehen darunter Großraumbüros wie aus den Sechzigerjahren. Tatsächlich ist Open Space heute Multi Space – ein System mit offenen Flächen, die aber auch Rückzugsmöglichkeiten bieten, um Arbeitsweisen gut abzubilden, bei denen man sich ver- traulich zurückziehen oder Telefonate führen kann, ohne die anderen zu stören; Unterschiedliche und bedarfsgerechte Raum- module als Antwort auf alle Aktivitäten, die den Arbeitsalltag begleiten – im Fachbegriff „Activity Based Working“. Aber das müsste doch relativ einfach zu vermitteln sein? Deutschland ist sehr konservativ und große Teile unserer Bürolandschaften sind Zellenbüros. Schon der Schritt von ge- schlossenen Büros in einen großen Raum ist mit Angst besetzt. Man befürchtet, die Mitarbeiter ihrer Privacy zu berauben, weil man einfach nicht weiß, wie solche Konzepte funktionieren, oder weil man in der Vergangenheit vielleicht schlechte Kon- zepte erlebt hat. Das zweite Problem: Man kann nicht einfach Open Space einführen und erwarten, das wäre jetzt New Work, ohne das Business wirklich zu analysieren. Sämtliche Studien aus den vergangenen zehn Jahren zeigen, dass nur zwischen 35 bis 40 Prozent der Arbeitsplätze ständig belegt sind. Erst wenn vor Ort geklärt ist, wie die Arbeitsplätze besser genutzt werden können, anstatt nur Fläche zu verdichten, ist der erste Schritt in Richtung „Neues Arbeiten“ gemacht. Wer eine neue Arbeitswelt schaffen will, muss dann na- türlich auch seine Mitarbeiter dorthin entwickeln. Welche Tipps haben Sie hier? Die Hinführung der Mitarbeiter in die neue Arbeitswelt ist essenziell. Der größte Fehler, den Unternehmen machen können, ist die Vorgabe: Wir gehen jetzt von Einzelbüros in ein offenes Arbeitsumfeld. Auch wenn die neuen Arbeitsräume eigentlich perfekt sind, ist es in der Praxis häufig so, dass Mitarbeiter maß- gebliche Änderungen, die ohne Vorbereitung in den gewohnten Alltag einschneiden, entweder gar nicht annehmen oder falsch einordnen. Hier sind Spielregeln wichtig, beispielsweise dass im Open Space nicht jeder angesprochen wird, dass temporäre Rückzugsmöglichkeiten nicht als kleine Einzelbürozelle zweck- entfremdet werden, dass kein warmes Essen an den Platz ge- nommen wird und so weiter. Solche Dinge müssen erklärt und idealerweise erprobt werden. Das kann im Vorfeld über Pilot- flächen geschehen. Hier werden mit den Mitarbeitern Flächen getestet und Lessons Learned frühzeitig abgeleitet. Essenziell ist es auch, die Bereitschaft zur Verhaltensanpassung nachzu- justieren. Es kann nicht alles von Anfang an hundertprozentig passen, also benötigen wir Flexibilität für Veränderung. Wichtig ist eine gewisse Balance zwischen klaren Vorgaben der Unter- nehmensführung in der Ausrichtung, Strategie sowie in Orga- nisation und Freiraum, in dem sich die Mitarbeiter entwickeln und entfalten können. Gibt es denn auch schon wieder Entwicklungen, die vom Trend Multi Space weggehen? Ich glaube, fast alle Trends haben ihr Für und Wider und auch eine begrenzte Haltbarkeitszeit. Schade ist es, wenn Trends zu früh beerdigt werden, weil sie wegen eines halbherzigen Im- pulses nicht richtig funktioniert haben, statt aus den Fehlern zu lernen und die gute Idee weiterzuentwicklen. Genau dafür ist es wichtig, dass die Unternehmensführung den Wert eines Trends erkennt und auch die Möglichkeit gibt, das auszuprobieren. Das heißt, es könnte auch sein, dass wir alle irgendwann wieder in Einzelbüros sitzen? Das Einzelbüro ist eine der besten Arbeitsräumlichkeiten, die es gibt, wenn die richtige Jobfunktion dafür vorgesehen ist. Für einen Wissensarbeiter, der keinen Austausch, sondern Rückzug und Konzentration braucht, ist das Einzelbüro ein wunderbares Büro. Und auch in einemMulti Space, der ja, wie der Name schon sagt, aus verschiedenen Räumen besteht, können Einzelbüros vorhanden sein. Die Frage ist nur, ob das Einzelbüro dann wirk- lich der Geschäftsführer braucht, der vielleicht nur einen Tag in der Woche im Büro ist, oder eher der Mitarbeiter, der an Füh- rungsebene drei oder vier steht, aber mit extrem vertraulichen Themen zu tun hat und häufig telefoniert. Hier muss HR ein- steigen, um die Arbeitsplätze nicht nach Hierarchie, sondern nach Tätigkeitsprofil zu verteilen. „Man kann nicht einfach Open Space einführen und davon ausgehen, dass das dann New Work wäre.“
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