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KOMMUNIKATION
personalmagazin 05 / 12
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
tigten enthält, wie ein Verdi-Sprecher
betonte. Bei aller Kritik – damit kann HR
satte Pluspunkte verbuchen.
Der Super-Gau der Kommunikation
Von anderem Kaliber ist die Imagekri-
se, die den Versicherungskonzern Ergo
belastet. Kaum hatte er sich mit einer
teuren Werbekampagne einen neuen
Namen gegeben, um vom biederen Ham-
burg-Mannheimer-Bild des „Herrn Kai-
ser“ Abschied zu nehmen, schon brach
das Unheil herein. Im Mai 2011 wurde
bekannt, dass sich Versicherungsvertre-
ter auf Kosten der Ergo-Tochter HMI in
einem Budapester Wellness-Tempel mit
Prostituierten vergnügt hatten. Im Juni
kam ans Licht, dass Kunden fehlerhafte
Riester-Verträge erhalten hatten. Kurz
darauf sprach sich herum, dass Kunden
der früheren Ergo-Tochter Victoria auf
Anweisung der Konzernspitze empfoh-
len wurde, beitragsfrei gestellte Verträge
zu kündigen.
Fürs Krisenmanagement kommt es
zum größten anzunehmenden Unfall.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des
Sexskandals will der Fußballtrainer
Jürgen Klopp nicht mehr als Werbepart-
ner auftreten. Im Internet melden sich
enttäuschte Mitarbeiter und Führungs-
kräfte. Andere User übergießen das Un-
ternehmen, das mit dem Werbespruch
„Versichern heißt verstehen“ um Ver-
trauen buhlt, mit beißendem Spott.
Das Desaster in Grenzen halten
Zur Position von HR befragt, antwortet
Personalvorstand Dr. Ulf Mainzer: Vom
Reputationsverlust des Unternehmens
sei unter Bewerbern wenig zu erkennen.
„Im aktuellen Ranking von Potentialpark
belegt die Karriere-Website von Ergo
Platz 25 und hat sich damit um 89 Plät-
ze verbessert“, hebt er hervor. Er sieht
keine Veranlassung, am Erfolg der Wer-
bekampagne zu zweifeln. HR sei „aktiver
Teil“ dieser Positionierung. So würde die
Werbekampagne nicht nur Kunden er-
reichen, sondern auch Bewerber, und
damit mögliche neue Mitarbeiter im In-
nen- und Außendienst – „und natürlich
auch unsere Mitarbeiter“. Obwohl Main-
zer den Rufschaden durchaus einräumt,
streicht er zahlreiche Pluspunkte he-
raus, die das Desaster in Grenzen halten
und das Arbeitgeberimage nachhaltig
bekräftigen könnten: Etwa die Attrak-
tivität von Arbeitsplätzen, Standorten
und Entwicklungsangeboten. Auch So-
zialleistungen und weiche Faktoren, wie
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
trügen dazu bei. Der Personalvorstand
kämpft: Ergo habe viel zu bieten.
Doch Bewerber scheuen sich nicht,
unangenehme Fragen zu stellen. Per-
sonaler seien gewarnt: „Der Umgang
mit Mitarbeitern ist jener Aspekt ge-
sellschaftlicher Verantwortung, auf den
Deutsche ammeistenWert legen“, zitiert
Manfred Böcker aktuelle Studien. „Un-
ternehmen, die sich als Arbeitgeber da-
bei wenig Mühe geben, fallen deshalb in
ihrer Reputation weit zurück.“
Ulf Mainzer sagt: „Sprechen uns po-
tenzielle Mitarbeiter auf das Jahr 2011
an, reagieren wir offen und zeigen uns
transparent.“ Entschlossenes Auftre-
ten auch nach innen: Mainzer zufolge
seien Mitarbeiter und Führungskräfte
unmittelbar nach den missliebigen Er-
eignissen „kontinuierlich und mit großer
Offenheit“ informiert worden. Der Dialog
im Firmenintranet sei auf „große und po-
sitive Resonanz“ gestoßen.
Das Vertrauen gewinnen
In Krisenzeiten sollten Personaler die
Wirkung couragierten Handelns nicht
unterschätzen. Oberste Maxime in
Krisen sei, „rasch, aber durchdacht zu
reagieren“, sagt Martin Poreda, Chef
der Arbeitgeberbewertungsplattform
„Kununu“. Unternehmen stünde es gut
zu Gesicht, sich bereits vor Auftreten
einer Krisensituation um das Vertrau-
en ihrer Mitarbeiter zu bemühen. Seien
Mitarbeiter über das Unternehmen hin-
reichend informiert, erziele es eine Iden-
tifikation, „die auch in Krisenzeiten ein
Gefühl des Zusammenhalts bewirkt“.
Sind Unternehmen bereits tief in die
Krise verstrickt, benötigen die Akteure
vor allem einen langen Atem. Und Perso-
naler womöglich Sonderrechte, um sich
nachhaltiger für die Mitarbeiter einset-
zen zu können. Dies fordert zumindest
der Human Capital Club, für den HR zu
oft auf verlorenem Posten steht.
Ganz so pessimistisch beurteilt Pro-
fessor Christoph Beck die HR-Gemeinde
nicht. Beispiele für einen Turnaround
durch mutige Personalarbeit gebe es
„gewiss häufiger als man denkt“. Nicht
zuletzt im Mittelstand, wo Personaler
„sichtbarerundansprechbarer“auftreten
als inKonzernen. Schlecker-Personalchef
Boldt will in die Personalentwicklung
investieren und die qualifizierte Berufs-
ausbildung sowie das Trainee-Programm
ausbauen. Mittels HR-Kommunikation
plant er, Schlecker als Arbeitgeber neu
zu positionieren. „Wir wollen uns bei
Berufseinsteigern wie auch Studienab-
gängern als gute Option für eine lang-
fristige Karriereplanung ins Gespräch
bringen.“ Freilich sind zunächst unauf-
schiebbare Hausaufgaben zu erledigen.
„Sicher braucht es noch zwei Jahre, be-
vor die neue Kultur auch im gesamten
Unternehmensalltag gelebt wird.“
ist freier Journalist in München
.
Winfried Gertz
Beispiele für einen Turnaround durch mutige
Personalarbeit gibt es häufiger als man denkt –
nicht zuletzt im Mittelstand.