38 neues lernen – 03/2024 ständigen. Die vier Ps stehen für Produkt, Preis, Place (Ort; das heißt: Vertrieb), Promotion (Kommunikation und Werbung). P wie Produkt: Coaching oft unklar definiert Beginnen wir bei dem Produkt: Es ist nicht einfach, Coaching als eigenständiges Format von anderen Formen der Beratung abzugrenzen und eindeutig zu definieren. Die Übergänge sind fließend, die Realisationsformen vielfältig. Die englische Bedeutung von „Coaching“ lässt sich mit „Kutscher“ und „Kutsche“ übersetzen. So weist die ursprüngliche Wortbedeutung auf zwei Kernmerkmale des Coachings hin: Es handelt sich um eine befristete Unterstützung, die einen Menschen zu etwas „hinbringt“. Im engeren Sinne lässt sich Coaching als „persönliche Prozessberatung“ oder als „personenorientierte Beratung in Organisationen“ definieren: Das Beratungsangebot ist oft auf eine Person konzentriert, wenngleich sich in den vergangenen Jahren zunehmend auch Gruppen- oder Teamcoaching etabliert haben. Die aktuelle Diskussion um unseriöse Coachingangebote, die in den Medien unter Überschriften wie „Gefährliches Geschäft mit der Hoffnung“ und „Coaching Boom“ viel Aufmerksamkeit erfährt, zeigt vor allem eins: Es ist nicht wirklich klar, was das Produkt „Coaching“ tatsächlich ausmacht. Denn schaut man genauer hin, sieht man schnell, dass sich unter dem Sammelbegriff „Coaching“ mindestens zwei Märkte abgrenzen lassen, die in den Medien oft durcheinander gewürfelt werden: Das klassische Coaching, das vor allem im Arbeits- und Unternehmensbereich angesiedelt ist und als befristete Maßnahme Hilfe zur Selbsthilfe im persönlichen Kontakt anbietet. Und die Boombranche „Life-Coaching“, die vornehmlich in den sozialen Medien mit Versprechen zur Selbstoptimierung werben und vornehmlich ein junges, urbanes Publikum ansprechen. Die Anhänger von Life-Coachs in den sozialen Medien sind einer Erhebung des Datendienstes Statista zufolge eher jünger. 38 Prozent sind Millennials. Ganz anders die Kunden der Business-Coachs: Coaching als individuelle Beratungsform in der Eins-zu-Eins-Beziehung ist teuer und deshalb kein massentaugliches Personalentwicklungsinstrument. Auch die Coachs selbst meinen, wenn sie von ihren Angeboten sprechen, alles andere als dasselbe: Es gibt den „klassischen Coach“, der seinen Auftrag als „Dialogform über Freud und Leid im Beruf“ (so eine oft zitiere Kurzdefinition von Astrid Schreyögg) und als „personenorientierte Beratung in Organisationen“ (so eine Definition des Soziologen Stefan Kühl 2008) sieht. Daneben tritt der „Life-Coach“, der seinen Generation-Y- Kunden mit regelmäßigem Training der eigenen Persönlichkeit, des Körpers, der Emotionen und einer Vielzahl anderer Lebensaspekte zu einem besseren Ich und einem schöneren Leben verhelfen will. Das Streben nach Selbstverbesserung und Optimierung hat eine stetig wachsende Wellness- und Spiritualitätsindustrie (mit Angeboten zu Achtsamkeit, Yoga, Selbsthilfe) und der Körperindustrie (mit Angeboten zu Fitness, Gesundheit, Bewegung) und Job-Coaching-Industrie (mit Angeboten zu Rhetorik und Selbstbewusstsein) hervorgebracht. All diese Angebote stehen unter dem Selbstoptimierungsimperativ. Das ist bekanntlich keine Phase, sondern spätestens seit Nietzsche eine Aufforderung zum stetigen „Werde, der Du bist!“. Also ist Life-Coaching kein Coaching im eigentlichen Sinne, das den Lehrbüchern entsprechend auf eine kurze Phase der Zusammenarbeit zur Bewältigung eines genau definierten (Entscheidungs-)Problems beschränkt ist. Von den vielen Life-Coachs in den sozialen Medien lassen sich zudem die Coachs abgrenzen, die nicht zuletzt viele Fernsehshows und Zeitungsberichte in den Blick genommen haben: zwielichtige Erfolgsgurus, die mit unseriösen Geschäftsgebaren und mehr oder weniger sittenwidrigen Preisen ihre Erfolgsversprechen verkaufen: mehr Umsatz, mehr Erfolg, mehr Lebensglück. Coachs, die über eine fundierte Coachingausbildung verfügen, sich ihr Können von einem der Coachingverbände haben zertifizieren lassen, wollen und müssen sich von den anderen Coachinganbietern – den Life-Coachs und den Erfolgsgurus – abgrenzen. Da der Begriff „Coaching“ nicht geschützt ist, und es in Deutschland keine staatlichen Zulassungsbedingungen gibt, liegt die Aufgabe der Abgrenzung vor allem in den Händen der Coachs selbst – und die Art und Weise, wie sie ihr Vorgehen und ihr Angebot – also ihr Produkt – beschreiben. Viele Homepages der Coachs sind überfüllt mit Aussagen zu Anlässen, Themen und theoretischen Zugängen – ganz zu schweigen von langatmigen Umschreibungen der eigenen Haltung. Was oft fehlt: Anschauliche Beschreibung, wie der Kunde das Produkt erlebt: Wie läuft eine Sitzung genau ab? Was fühlt und erlebt man? Eine genaue Beschreibung des Coachingprozesses kann das Coaching schnell entzaubern. Sofort wird klar: Wunder mag es in Schlagertexten immer wieder geben, im Coaching sind sie selten. Mit Präzision in der Beschreibung ihrer Vorgehensweise distanzieren sich seriöse Coachs überzeugend und einfach von vielen unseriösen Angeboten. Oft trägt bei der Unterscheidung die Antwort auf eine kleine Frage bei: Soll das Coaching wie eine Vitamintablette helfen oder eher wie eine Kopfschmerztablette? Also: Soll es helfen, akuten Schmerz (zum Beispiel bei DR. LARS-PETER LINKE ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Verbands für Coaching und Training (dvct) e. V. Zudem ist er als Professor für Kommunikation und PR an der IU International University in Hamburg tätig und betreut mit seiner Agentur Corporate Learning Communication Bildungsanbieter und HRAbteilungen in Kommunikationsfragen.
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