37 Entwicklung Coaching wächst und wächst. Verbände verzeichnen konstanten Zulauf, und Anbieter registrieren steigende Nachfrage. Aber wie sieht der Coachingmarkt tatsächlich aus? Welchen Regeln gehorcht er? Wer sind die Player? Und was versprechen sich die Kunden überhaupt davon? Eine kleine Markterkundung bietet Klarheit. Ü ber Geld redet man nicht gerne. Coachs erst recht nicht. Deswegen gibt es wenig verlässliche Aussagen und Schätzungen, wie viel Geld mit Coaching in Deutschland verdient wird. In anderen Ländern ist der Umgang mit Coaching unkomplizierter. So spricht man in den USA und in Großbritannien ohne Scheu von „Coachingindustrie“ und fertigt Marktgutachten für Investoren an wie für andere Märkte auch. Die meisten dieser Marktgutachten beziehen sich letztlich auf Zahlen der International Coaching Federation (ICF). Demnach erzielten 2023 etwa 109.000 Coachs in aller Welt einen Umsatz von etwa 4,21 Milliarden Euro. Das wäre ein deutlicher Anstieg von 60 Prozent gegenüber dem Umsatz des Jahres 2019. Allerdings ist Coaching nicht gleich Coaching. Der Markt ist bunt: vom Business-Coaching eines CEOs im Changeprozess über Karrierecoaching für Abiturienten und Flirtcoaching für Schüchterne bis hin zum Lifestyle-Coaching. 10.000 BusinessCoachs und mehr als 30.000 Life-Coachs soll es derzeit im deutschsprachigen Raum geben. Das sind Schätzungen, die im Internet und in den Medien immer wieder auftauchen. Überprüfen kann man sie nicht. Es gibt kein Berufsregister. Jährlich wächst der Markt um zehn bis 15 Prozent – und das seit mehr als zehn Jahren. Diese Zahl stimmt mit dem Mitgliederwachstum des Deutschen Verbands für Coaching und Training (dvct) recht gut überein. Den geschätzten 40.000 Coachs in Deutschland (10.000 Business-Coachs und 30.000 Life-Coachs) stehen übrigens 63.000 Coachs in den Niederlanden gegenüber – zumindest, wenn man die aktuelle Zahl des Nederlandse Orde van Beroeps Coaches (NOBCO) zugrunde legt. Das heißt: In Deutschland kommt auf alle 2.000 Einwohner ein Coach. Bei den niederländischen Einwohnern kommt auf alle 280 Einwohner ein Coach. Sind die Niederländer erfolgreicher, glücklicher, gesünder als die Deutschen? Sind die niederländischen Coachs ausgelasteter, konkurrenzfreudiger, aggressiver im Marketing? Die Fragen sind müßig. Sie zeigen aber, wie schwer es ist, Coaching zu definieren. Und vor allem: den Erfolg von Coaching nachzuweisen und zu definieren. Wenn es einen Coachingmarkt gibt, was genau steht denn dann eigentlich zum Verkauf? Was erzeugt die Nachfrage? Viele Coachs – vor allem wenn sie eine Ausbildung zum systemischen Coach absolviert haben – kennen den Soziologen Niklas Luhmann. Luhmann hat festgestellt, dass generell am Markt vor allem die Zukunft beobachtet wird: „Man reagiert antizipativ auf Daten der Gegenwart. Da auch andere dies tun und da beobachtet werden kann, dass andere dies tun, entstehen Paradoxien, wenn man von einer normalen zweiwertigen Logik ausgeht.“ Luhmann, der 1998 gestorben ist, wäre heute wahrscheinlich überrascht, wenn er sehen würde, dass sich der Coachingmarkt erstaunlich unparadox verhält. Viele Coachs beobachten nämlich erstaunlich wenig den Markt, die Konkurrenzen und die Nachfrage, wenn sie ihr Angebot gestalten. Sie konzentrieren sich zumeist mehr auf ihre Methoden, ihre Haltung und ihre Werte – das sind wesentliche Grundpfeiler ihres Selbstverständnisses und ihres Angebots. Diese Selbstbezüglichkeit hat zur Folge, dass viele Coachs bei der Gestaltung ihres Angebots, bei der Preisfindung und beim Vertrieb erstaunlich wenig auf die Nachfrage der Klienten und Klientinnen und die Bewegungen des Markts achten. Sie konzentrieren sich auf sich und das eigene Profil, das vornehmlich durch ihre Ausbildung an den verschiedenen Coachinginstituten geprägt wird. Vier Ps für den Marketingmix eines Coachs Wer die Coachingszene durch die Marketingbrille betrachtet, stellt fest, wie eigentümlich der Milliardenmarkt Coaching funktioniert und wie sehr die vielen zumeist selbstständigen Coachs von der klassischen Marketingdenke abweichen – und wahrscheinlich trotzdem erfolgreich sind. Marketingexperten sprechen traditionell vom Marketingmix, wenn sie ihre Produkte und Dienstleistungen kommunizieren und verkaufen, also im besten Sinne „vermarkten“ wollen. Lässt man aktuelle und akademische Debatten beiseite, kann sich die MarketingCommunity (immer noch) auf die vier Ps im Marketingmix ver-
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