neues-lernen.org 03/2023 Vielfalt leben Unbewusste Barrieren abbauen Lernende Organisation Die ersten Schritte zum radikalen Wandel Metaverse Das Potenzial der virtuellen Lernräume Inspiration für die Entwicklung von Mensch und Organisation Mat.-Nr. 00107-5205 Leadership on Demand Wenn Teams über ihre Führung selbst entscheiden
Liebe Leserinnen und Leser, »If you have a brain, you are biased.« Auchwenn es nicht gerade schicklich ist, mit einemenglischen Zitat in unser Magazin einzusteigen, ist es doch einfach treffend zu unserer aktuellen Titelgeschichte. Julia Bindrich, Geschäftsführerin von ICU net, hat diesen Satz imGesprächmit mir angeführt, umzu zeigen, dass »Unconscious Biases« – zu deutsch in etwa »unbewusste Verzerrungen« – etwas ganz Normales sind. Niemand hat Schuld daran, wenn er oder sie andere Menschen sozusagen »verzerrt« wahrnimmt und niemand wird dieses Biases vollständig los. Doch reduzieren kann man sie. Undwie sich das trainieren lässt, habenwir im Fokus zusammengefasst. In der Personaldiagnostik sind diese unbewussten Effekte schon lange gut untersucht und als »Beobachtungsfehler« bekannt. So belegen Studien, dass allein der Name auf einemBewerbungsschreiben schon Assoziationen auslöst, die der Bewerberin oder demBewerber zugeschriebenwerden – der sogenannte »Halo-Effekt« tritt ein. Dasmuss keine negativen Folgen haben. Die Auswirkungen hängen eben davon ab, was einMenschmit demNamen verbindet. Da kann ich aus eigener Erfahrung sprechen – das angeheiratete »da Silva« inmeinemNachnamen bietet jedeMenge Projektionsfläche. Wer damit brasilianische Fußballspieler verbindet, liegt erstens nicht weit weg vom Ursprungmeines Namens und hat zweitens dabei meist positive Assoziationen. Trotzdemgestehe ich hier, dass ich nur meinen Geburtsnamen »Enderle« verwende, wenn ich mit negativen Reaktionen auf den ausländischen Namen rechne. Auf Wohnungssuche sogar ein Tipp, den ich von anderen bekommen habe. So ein kleines unbedeutendes Beispiel zeigt vielleicht, dass es noch einweiterWeg ist von den Sonntagsreden über Vielfalt bis hin zu einer inklusiven Kultur – in Unternehmen und Gesellschaft. Darummag unser Titelthema Diversity für manche ein alter Hut sein – doch darunter sitzt immer noch ein »biased brain«, das sich immer wieder bewusst werden muss, dass Selbstreflexion harte Arbeit ist. Kristina Enderle da Silva, Chefredakteurin CAWA YOUNOSI, Personalchef Deutschland von SAP, ist mit 14 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Im Interview mit „neues lernen“ beschreibt er mit großer Offenheit, wie er damals rassistisch beleidigt wurde und wie er sich heute gegen Rassismus und für Diversity einsetzt. JUDITH MUSTER schreibt die Kolumne „Systemblick“. Dafür greift sie auf einen schier unerschöpflichen Fundus an Praxisbeispielen zurück, die sie stets aus systemischer Perspektive betrachtet. Dass sie damit einen Nerv trifft, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Kommentare zu ihren Beiträgen auf Linkedin. CARMEN BRUNNER unterstützt unser Team seit der ersten Ausgabe von „neues lernen“ als freie Bildredakteurin. Dank ihr ist auch jedes noch so theoretische Thema im Magazin ausdrucksstark und hochwertig bebildert. Bevor sie sich auf die Bildredaktion fokussierte, war sie für einen Künstler tätig und hat Bücher und Ausstellungen mitgestaltet. Foto LÊMRICH Foto Simon Menges Foto Joan Minder Foto Alexandra Kern 3
Standpunkte 7 Meinungen Debatten im Rückblick Darüber diskutiert die Lernszene. 8 Meine Lernreise »Ein Königreich für eine frische Idee« Reinhard K. Sprenger prägt die Lern- und Führungsszene durch klare Gedanken. Mit „Mythos Motivation“ gelang ihm der Durchbruch. Er erzählt, was ihn dazu antreibt, immer frische Ideen zu sammeln. 10 Gastkommentar Lieber loslassen Hört auf, Beschäftigte von außen zu motivieren. Schafft lieber ab, was demotiviert. Dafür plädiert Oliver Sowa, Geschäftsführer der Beutlhauser-Gruppe. 12 Meet & Greet Wen, wo und wann treffen Auf zur Metamorphose – dazu lädt der Personalmanagementkongress 2023 ein. Alles steht im Zeichen des Wandels. Die Transformation ist auch Thema weiterer Fachtagungen. Cawa Younosi, Personalchef der SAP in Deutschland, setzt sich im Unternehmen und persönlich für Vielfalt ein. „Unconscious Biases“ trennen die Menschen – solange sie unbewusst bleiben. Fokus 14 Überblick Die unbewussten Barrieren abbauen Von Vielfalt zu Inklusion: Die Personalentwicklung kann diesen Schritt mit Trainings und Nudges unterstützen. 20 Methode Bias-Unterbrecher In „Action Learning Teams“ erlernen Führungskräfte, wie sie ein inklusives Arbeitsumfeld schaffen können. 22 Interview »Nicht nur Sonnenschein-Diversity betreiben« Bei SAP gilt die Regel: Nicht inklusiv zu denken und zu handeln ist ein karrierelimitierender Faktor. Personalchef Cawa Younosi erklärt, wie das gelingt. 22 Inhalt Foto LÊMRICH 4 neues lernen – 03/2023
Entwicklung 27 Best Practice Da haben alle was davon Lernen und Arbeiten als Einheit: Maiborn Wolff hat sich auf den Weg zur lernenden Organisation gemacht. 33 Infografik Online-Workshops Reine Online-Meetings können ermüdend sein. Online-Workshops bieten Abhilfe. 34 Praxisbeispiel Auf in neues Terrain Die Landesbank Baden-Württemberg (LLBW) hat ein Programm gestartet, damit die gesetzten Nachhaltigkeitsziele Teil der Führungsarbeit werden. 41 Kolumne Systemblick Genauer hinsehen Teamkonflikte allein im zwischenmenschlichen Bereich zu verorten, reicht nicht, findet Beraterin Judith Muster. Die Ursache ist oft eine strukturelle. 42 Praxistipps Coaching für ganz oben Auch oder gerade Vorstände brauchen Coaching. Dabei sollte der Coach manches beachten, um gut zu unterstützen. 48 Überblick Auf dem Prüfstand Chat GPT verändert den Weiterbildungsmarkt und stellt Prüfungsformate infrage. Was das für Business Schools bedeutet. 53 Wieder was gelernt Zum Davonlaufen Eine Bilder-Kolumne zum Um-die-EckeDenken. 54 Marktübersicht Bisher keine Monopolstellung Business Coaching, das auf digitalen Plattformen stattfindet, könnte ein Standardinstrument werden. Die Anbieter kämpfen derzeit um Marktanteile. Führung 59 Analyse Alles echt? Das Thema „Neuroleadership“ geistert seit Jahren durch den Weiterbildungsmarkt. Doch es braucht einen kritischen Blick. 63 Kolumne Führungsgeflüster Zu viel des Guten Auf Unsicherheit reagieren Führungskräfte häufig mit übertriebener Stärke, die Beschäftigte belastet. Das beschreibt C-Level-Coach Heidi Stopper. 64 Modell und Leitbild Führen, wenn es sinnvoll ist Wer auf „Leadership on Demand“ setzt, lässt Teams selbst entscheiden, ob sie eine Führungskraft brauchen oder nicht. Digitalisierung 71 Aktuelles Digital Nuggets Was im Ed-Tech-Sektor passiert. 73 Kolumne Datenempathie Von der App abgeschaut Tiktok zeigt, wie sich Lernen in den Alltag integrieren lässt – wenn man die Daten der Lernenden zielführend analysiert. 74 Beispiele Überall digital lernen E-Learning sollte nicht an der Bürotür enden. Wie auch „Deskless Worker“ an digitaler Weiterbildung teilhaben können. 78 Hintergrund Revolution im Lernraum Die Digitalisierung bringt ständig neue Technologien hervor. Dabei bietet die virtuelle Welt neue Möglichkeiten für Lern- und Entwicklungsprozesse, die es auszuloten gilt. Standards 3 Editorial 88 Fachliteratur 90 Check-out und Impressum Wie lassen sich ESGZiele in Führungsarbeit übersetzen? Die LBBW hat einen Lernpfad gestartet. Mit Avataren im Metaverse lernen: Das ist keine Zukunftsmusik. Wann es eine führende Hand braucht, sollte das Team entscheiden. 34 78 64 Mit der App »neues lernen« bleiben Sie täglich auf dem Laufenden. Inspiration für die Entwicklung von Mensch und Organisation Foto LBBW Foto Tonje Thilesen/The New York Times/laif Foto We are/gettyimages.de 5
Standpunkte 1 6 neues lernen – 03/2023
»DasWichtigste ist, vor allem einenRahmen für Umschulungen undWeiterbildung aufzubauen.« Diese Antwort gab Professor Jens Südekum Dunja Hayali im „heute journal“ vom 16. April 2023, auf ihre Frage, welche Voraussetzungen die Politik schaffen müsse, damit die Transformation des Arbeitsmarkts durch künstliche Intelligenz wirklich gelingt. Südekum machte klar, dass Weiterbildung ein Schlüssel sei, denn: Zum einen fallen Jobs weg, zum anderen werden neue Fachkräfte gesucht. D iese Synthese formuliert Herwig Kummer, Leiter Personalmanagement ÖAMTC, im Rückblick auf das Barcamp der Corporate Learning Community CLCA in Salzburg, zu der die österreichische Regionalgruppe am 17. März eingeladen hatte. Das Motto des Barcamps lautete: „Schaffen.Unternehmen.Lernen?“ Corporate Learning müsse zweisprachig werden – die eigene Rolle reflektieren und zwischen Business und Lernen übersetzen. »KI bedeutet nicht nur eine Investition in eine Technologie, sondernmuss auch immer eine Investition inWeiterbildung und Qualifikation bedeuten. […] Wir brauchen auch Anwendungskompetenz.« Das sagte Kristian Schalter, Leiter der Abteilung Strategie und Zukunft der Arbeit bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, in der Debatte „Fit for Future Work“ des HR-Kreises der Acatech. Zur Debatte stand die Frage: „Personalarbeit der Zukunft - welche Rolle spielt Kollegin KI?“ Der Konsens aller Diskutanten und Diskutantinnen: Künstliche Intelligenz wie Chat GPT betrifft die Arbeitswelt. Was es also braucht: Den Diskurs über Chancen und Grenzen – und entsprechende Skills im Umgang mit KI. Foto Zukunft Personal Nord, Closer Still Media Germany GmbH »Ich glaube, dass die Personalentwicklung, die Weiterbildung unter derselben Disruption steht wie alle anderen Branchen auch.« So bringt Ralph Linde, Chief Learning Officer der Volkswagen Group und Verantwortlicher für Unternehmenskultur, auf den Punkt, was Transformation für die Personalentwicklung bedeutet. Er stellte sich bei der Zukunft Personal Nord gemeinsam mit Stefanie Hirte, Bereichsleiterin HRMarketing, Organisationsentwicklung und Weiterbildung bei Otto, unseren Fragen. Die Podiumsdiskussion gibt es als Podcast „neues lernen“ zum Nachhören. »Einewünschenswerte Zukunft des Corporate Learnings wäre jedenfalls ein Umfeld für supervised, self-driven und kollaboratives Lernen undArbeiten« 7 Standpunkte
»EinKönigreich für eine frische Idee« ReinhardK. Sprenger Meine Lernreise Text: Julia Senner 8 neues lernen – 03/2023
Bücher, Seminare, Vorträge und Coachings – Reinhard K. Sprenger prägt die Lern- und Führungsszenemit klaren, unerschrockenen Gedanken und Thesen. Sein Leben beschreibt er selbst als Wechselspiel aus »Zufall« und »Zugriff«. M ythos Motivation: Mit diesem Buch gelang Reinhard K. Sprenger Anfang der 90er Jahre der Durchbruch. Seine Kernthese: »Wir haben in Unternehmen keinen Erziehungsauftrag, sondern einen Kooperationsvertrag zwischen Erwachsenen. Da wird verhandelt, nicht verführt oder angereizt« – sein Antrieb: Motivierung von außen stoppen. Denn Sprenger ist überzeugt davon, dass Motivierung jede Form von innerer Motivation zerstört. Was er aber in der Personalarbeit beobachtete, war genau das Gegenteil. A ll seine Beobachtungen, Gedanken und Anstöße notiert Reinhard K. Sprenger schriftlich, ob in Flugzeugen oder in Seminaren. Nicht alles davon, aber doch vieles ist Basis seiner Bücher. Sprenger beschreibt sich selbst als schreibende Existenz. »Ich schreibe gleichsam jeden Tag, nicht alles davon ist zur Veröffentlichung«, erklärt er. »Der Schreibtisch ist für mich ein Ort der Ruhe.« Ruhe vermittelt ihm vor allem der Wohnsitz in Santa Fe, New Mexico, wo er den Großteil seiner Bücher schreibt. »Ich sitze dort isoliert auf einem Hügel und werde kaum abgelenkt.« Sprengers zweiter Wohnsitz liegt im schweizerischen Wintherthur. D ie Leidenschaft für Philosophie entdeckte Reinhard K. Sprenger bereits in der Schule. Auch er selbst könnte heute vor Schulklassen stehen. Er studierte Philosophie, Psychologie, Geschichte, Sport und Betriebswirtschaft auf Lehramt. Sprenger selbst ist sicher, dass dieses breit gefächerte Studium seinen späteren Werdegang positiv geprägt hat: »Ich denke, mein beruflicher Erfolg hängt damit zusammen, dass ich aus vielen Lerntöpfen schöpfen konnte.« Dass Sprenger doch kein Lehrer wurde, hat einen einfachen Grund: Es gab damals in NordrheinWestfalen keine freien Stellen. U nd so musste sich Reinhard K. Sprenger umorientieren. Zwei Jobangebote standen im Raum. Er entschied sich für eine Stelle in der Personalarbeit. »Mein ganzes Leben ist ein Wechselspiel von Zufall und Zugriff. Das Leben bietet mir etwas Neues, ich greife zu.« In der Personalarbeit kam Sprengers Interesse für die Themen Motivation, Leadership und Personalentwicklung auf. B ald wollte Reinhard K. Sprenger einen Karriereschritt in Richtung Global HR gehen. Doch es kam wieder anders. Während er auf ein Angebot des Topmanagements wartete, merkte er plötzlich, dass er diese Art der Abhängigkeit nicht mehr wollte. »Ich wollte nicht, dass andere Leute am Steuer des Lebensautos sitzen«, fasst Sprenger seine damaligen Gedanken zusammen. Es war klar: Er will sich selbstständig machen. Eine Idee hatte Sprenger noch nicht. Doch auch hier brachte das Leben die Ideen ein. Er wurde mehrfach für Seminare angefragt. Damit nahm seine Selbstständigkeit seinen Lauf. S o publizierte Sprenger auch seinen ersten Text. Er fing einfach an zu schreiben. Ein Verleger wurde darauf aufmerksam und Sprenger veröffentlichte den Artikel »Das Elend der Motivierung«, noch bevor er seinen Klassiker schrieb. »Ich kann gar nicht anders, als zu schreiben. Mein Antrieb ist: ein Königreich für eine frische Idee, eine Perspektive, die ich noch nicht hatte, eine Vertiefung von etwas, was mir oberflächlich zu sein scheint.« M usik ist neben dem Schreiben Sprengers Passion. Als junger Erwachsener ergatterte er einen Plattenvertrag mit seiner Band und tourte als Vorgruppe von Tina Turner durch Europa. In den 1970erJahren war dieses Musikerleben vorbei. Musik macht Sprenger aber bis heute. Mit seiner Band schreibt er Songs, die auch Vorlesungsteile beinhalten. »Ich bin nicht der Ausnahmemusiker, aber ich bin der Meinung, dass ich eine Art Verpflichtung habe, die Talente, die mir der Zufall ins Leben gespült hat, zu entwickeln.« S prengers Motto: »Riskier was. Bleib nicht beim Alten hängen. Einfach ausprobieren.« Und trotzdem ist für Reinhard K. Sprenger auch klar, dass nicht alle Menschen nach Optimierung und Exzellenz streben. »Es gibt irre viele Möglichkeiten, ein gelungenes Leben zu führen.« Wir müssen keine Gesellschaft von Erfolgssuchenden sein. 9 Standpunkte
Lieber loslassen »HilfreicheMaßnahmen, um Mitarbeiter zumotivieren« oder »Mitarbeitermotivation steigern – zehn goldene Regeln«: Bei solchen Überschriften zuckt Oliver Sowa zusammen. Seine Erfahrungen in der BeutlhauserGruppe zeigen, dass diese Tipps keineswegs weiterhelfen. Im Gegenteil – er ist überzeugt: Mitarbeitendemotivieren zu wollen, ist naiv, dummund ein schwerwiegender Fehler. Text: Oliver Sowa Illustration: Tina Berning B eutlhauser beschäftigt an 27 Standorten rund 1.500 Mitarbeitende. Autonom handelnde erwachsene Menschen mit unterschiedlichen Lebensläufen, ganz eigenen Stärken und Schwächen und individuellen Herausforderungen im Privatleben. Sie führen Beziehungen, gründen Familien, bauen Häuser, treffen Entscheidungen und gestalten ihre Zukunft. Es gibt keinen logischen Grund, ihnen diese Selbstwirksamkeit abzusprechen und sie zu zwingen, im Unternehmen ihr Erwachsenen-Ich abzulegen und plötzlich wieder in der Rolle des Kindes zu agieren. Doch genau das passiert, wenn Motivierungsmaßnahmen getroffen werden: Mitarbeitende werden infantilisiert, bevormundet und entmündigt. Eine Motivierung, wie beispielsweise eine finanzielle Belohnung beim Erreichen eines definierten Ziels, ist ein externer Anreiz. Beschäftigte werden manipuliert, weil sie zu bestimmten Handlungen angeleitet werden. Wer denkt, dieses Vorgehen funktioniert, sieht sich selbst in der Position eines Marionettenspielers und lässt die Mitarbeitenden bildlich gesprochen an Fäden tanzen. Kurzfristig mögen sich Erfolge einstellen, doch langfristig zahlt das Unternehmen einen hohen Preis. Die äußeren Verhältnisse verursachen immer Verhalten. In einem derart manipulativen Umfeld werden Beschäftigte automatisch ihre Eigenverantwortung ablegen und kindlich genau das tun, wozu sie gedrängt werden: Sie streben nach der Belohnung, ohne den tieferen Sinn hinter ihrem Handeln zu verstehen und möchten das Ziel nur deshalb erreichen, um den Vorteil des Anreizes abzugreifen – ein Paradebeispiel für reine Beschäftigung. Ebenso problematisch: Anreize unterstellen unterschwellig, dass Mitarbeitende nicht aus eigenem Antrieb bereit sind, ihre Leistungsfähigkeit gänzlich auszuschöpfen und das zu tun, wofür sie bezahlt werden. Sie untergraben die Urteilsfähigkeit und können dazu führen, dass der eigene Selbstwert infrage gestellt wird. Diese Faktoren führen in Kombination zu einer Misstrauenskultur und zur Zerstörung von sinnhafter Arbeit. Wer Beschäftigte mit Anreizen motivieren möchte, benutzt sie als Mittel zum Zweck, begegnet ihnen nicht auf Augenhöhe und ignoriert die Tatsache, dass Menschen zu einem hohen Grad intrinsisch motiviert sind. Sie sind leistungsfähig, wollen etwas bewirken und eigenverantwortlich handeln. Die institutionellen Rahmenbedingungen müssen ihnen dazu den Raum lassen. Ist das der Fall, ergibt Arbeit einen echten Sinn. Wir haben festgestellt, dass der Wunsch nach einer sinnerfüllten Tätigkeit alle Generationen, von der Generation Z bis zu den Babyboomern, vereint. Aus meiner Sicht gibt es nur eine einzige wirksame Motivierungsmaßnahme: De-Motivation verhindern. Das gelingt, indem im Unternehmen Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen sich das Potenzial der Mitarbeitenden vollends entfalten kann. Wo sinnerfülltes Arbeiten möglich ist, wird ein Motivationsproblem kein Thema sein. Gastkommentar OLIVER SOWA ist seit 2006 Geschäftsführer der Beutlhauser-Gruppe, einem Handels- und Dienstleistungsunternehmen in Verkauf, Vermietung und Service von Produkten und digitalen Lösungen. Er teilt regelmäßig seine Erfahrung mit der kulturellen, sozialen, organisatorischen und digitalen Transformation. 10 neues lernen – 03/2023
AwarenessTrainings – DerGamechanger für IhreSicherheitskultur Unglaubliche 9 von 10 Unternehmenwaren 2022 von Cyberangriffen betroffen. Doch trotz vorhandener Security-Software beläuft sich der Schaden auf über 203Milliarden Euro. Was also tun, umCyberangriffen vorzubeugen? Undwas hat HR damit zu tun? C yberkriminelle sind erfolgreich, weil sie direkt auf den Menschen zielen. Durch perfide Methoden wie Phishing umgehen Angreifende technische Schutzmaßnahmen. Mit den Infos aus sozialen Netzwerken verschicken sie Nachrichten und setzen dabei auf Trigger wie Angst, Neugier oder Druck. Phishing ist nicht nur die häufigste Angriffsart, sie richtet auch den meisten Schaden an (Quelle: Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachen e. V.). Ein typisches Beispiel ist die E-Mail vom Chef mit der dringenden Bitte, ein Dokument zu prüfen. Der Link führt jedoch auf eine Phishing-Seite, auf der Sie sich zunächst einloggen müssen. Vom Original sind diese Fälschungen für das ungeübte Auge kaum zu unterscheiden. Und dann werden im stressigen Alltag die Login-Daten doch schnell und unkritisch eingegeben. Für die Kriminellen ist die Bahn jetzt frei. Wie kann man sich dann schützen? Und welche Rolle spielt HR dabei? Cybersecurity geht alle etwas an – nicht nur die IT-Abteilung. Zu einer guten Sicherheitskultur gehört, dass Mitarbeitende in sicherem Verhalten trainiert werden, unter anderem zu Fragen wie diesen: k Wie schütze ich meinen Computer, wenn ich im Zug oder von zuhause arbeite? k Woran erkenne ich eine Phishing-Mail? k Mir kommt etwas komisch vor. Wie und wo melde ich den Vorfall? Und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt relevanter Themen. Wenn Mitarbeitende die richtigen Antworten auf diese Fragen kennen, ist schon ein wichtiger Schritt für den Schutz Ihres Advertorial Unternehmens getan. Eine entscheidende Rolle, um das Sicherheitsbewusstsein zu fördern, kommt der Personalabteilung zu. Denn eine Info-Mail, in der die wichtigsten Anzeichen einer Phishing-Mail aufgelistet sind, wird keine Verhaltensänderung bei den Mitarbeitenden auslösen. Genauso wenig wie eine 4-stündige Präsenzschulung. Es braucht ein langfristiges Schulungskonzept. Doch wie verankern Sie Sicherheitsbewusstsein effizient in den Köpfen der Mitarbeitenden? Die American Federation of Scientists hat herausgefunden, dass sich Lernende bei Game-basierten Lernmethoden an bis zu 90 %mehr Inhalt erinnern als bei traditionellem Lernen. Denn spielerische Lernformate holen die Lernenden durch einen hohen Interaktionsgrad aus ihrer passiven Konsumhaltung heraus. Bilder und Storytelling wirken beim Menschen viel stärker als trockene Infos. Geben Sie Mitarbeitenden die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden, Dinge auszuprobieren und Fehler machen zu dürfen. Das fördert die Lernbereitschaft. Abtauchen in den Phishing-Strudel und die Cyber-Unterwelt Diese Erkenntnisse machen sich die Security Awareness Trainings der G DATA academy zunutze. In unserer Phishing-Trainingsreihe tauchen Mitarbeitende selbst in den Phishing-Strudel hinab. Als einer unserer vier Hauptcharaktere navigieren sie durch eine erlebnisreiche Unterwasserwelt und lernen, wie sie mit betrügerischen E-Mails und Webseiten umgehen. Alle Fragen, Videos und Aufgaben sind in eine größere Geschichte eingebettet. Das Ziel: einer bösen Phisherin das Handwerk zu legen. Gerade sind Ihre Mitarbeitenden dem Phishing-Strudel entkommen, da müssen sie der Hauptfigur im nächsten Serious Game helfen, sich aus der Cyber-Unterwelt von Randy Ransom zu befreien. Und lernen dabei, wie Erpressungstrojaner funktionieren und wie man sie abwehrt. Wie das praktisch aussieht? Können Sie ganz einfach testen: k www.gdata.de/abtauchen k www.gdata.de/ransomware-game
Meet &Greet Auf zurMetamorphose Wie bereits 2022 werden Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager*innen, und der Journalist Hajo Schumacher auch in diesem Jahr den Personalmanagementkongress eröffnen. Vom 22. bis 23. Juni findet in Berlin und digital der Personalmanagementkongress 2023 statt, mit mehr als 120 Speakern und über 80 Sessions. Das Event bietet zahlreiche Möglichkeiten, um sich mit Kollegen und Kolleginnen zu vernetzen, zu lernen und sich neue Fähigkeiten anzueignen. „Skills sind das neue Gold“ – oder anders gesagt: Lernen und Lernfähigkeit sind unser wichtigstes Kapital. Darüber sprechen Lisanne Lauer und Felicitas von Kyaw in ihrem Panel. Wie sie dabei stillen Talenten zu mehr Sichtbarkeit verhelfen, erklärt Christin Berges. Einen Blick auf die Rolle sozialen Lernens wirft John Stepper in seinem Vortrag „Using social learning to change how people work – and how they feel about work.“ Auch angekündigt ist ein Auftritt des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil zum Thema „Zukunft der Arbeit“. Foto Quadriga Media / Laurin Schmid DerWandel ist dasMotto des Personalmanagementkongresses 2023 in Berlin. Auch der Blick auf Personalentwicklung und Weiterbildung spielt eine wichtige Rolle. 12 neues lernen – 03/2023
»Wie entwickelt ihr euchweiter? In derMetamorphose gibt es viel zu lernen: vom Erkennen stiller Talente bis hin zu social learning. Exklusiv auf dem PMK!« Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM) D ie Arbeitswelt von morgen – Krise, Transformation & Innovation“: Das ist der Leitfaden der HR-Trends Tagung 2023 am 14. und 15. Juni, die im Haus der Wissenschaft live in Bremen, aber auch online stattfindet. Zur Diskussion stehen die Herausforderungen und Erfahrungen in der Transformation, die Rolle der Personalfunktion und die Frage nach einem HR-Kompetenzportfolio. HR-Trends Tagung 2023 Finale inKöln Nach den Messen in Hamburg und Stuttgart findet in Köln die Zukunft Personal Europe (ZPE) statt – vom 12. bis 14. Sep- tember. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Messe 16.095 Besucherinnen und Besucher sowie 500 Aussteller. Damit gelang der ZPE nach pandemiebedingten Ausfällen ein ordentliches Comeback. 13 Standpunkte
Fokus 14 neues lernen – 03/2023 Unbewusste Barrieren abbauen
15 Fokus Von einer vielfältigenBelegschaft zu einer inklusivenUnternehmenskultur ist esweit. Auf demWeg gilt es Barrieren abzubauen, die häufig imUnbewussten liegen. UnconsciousBias-Trainings undNudgeManagement sind zwei wichtige Instrumente, die die Personalentwicklung dafür zur Verfügung hat.
Wie jedes Jahr im Juni erstrahlen nun viele Firmenlogos in den Regenbogenfarben. Im sogenannten „Pride Month“ finden Demonstrationen für eine tolerante Gesellschaft und die Akzeptanz der queeren Community statt. Die Unternehmen wollen ihre Solidarität und Offenheit für eine diverse Gesellschaft bekunden – und das Arbeitgeberimage verbessern. Warum beteiligen wir uns mit Bonprix nicht auch daran? – das wollten einige Kolleginnen und Kollegen von Kirstin Hahne, Diversity-Managerin bei Bonprix, noch vor zwei Jahren wissen. Ihre Antwort wurde inzwischen viel zitiert: „Erst machen, dann malen!“ Wer nach außen ein starkes Zeichen setze, müsse auch einem Blick ins Innere standhalten können. „Mir ist es viel wichtiger, die Vielfalt und Akzeptanz füreinander hier auf dem Campus zu fördern statt Diversity als Marketingthema nach außen zu tragen“, so die klare Linie von Hahne. Heute seien sie da mit konkreten Maßnahmen schon deutlich weiter. Kirstin Hahne ist seit drei Jahren als Managerin Diversity, Equity & Belonging bei Bonprix, einer Konzerngesellschaft der Otto Group mit etwa 2.900 Mitarbeitenden weltweit, tätig – als Stabsstelle direkt beim CEO, Richard Gottwald. Ihm ist Vielfalt ein wichtiges Anliegen, das mehr Effekte als ein positives Arbeitgeberimage im Fachkräftemangel hat. Die Verantwortung für die eigenen und potenziellen Mitarbeitenden sowie das wirtschaftliche Potenzial, das eine vielfältige Belegschaft birgt, stehen im Vordergrund. Über die Vorteile einer vielfältigen Belegschaft sind sich viele Unternehmen bewusst. Fast 5.000 Unternehmen in Deutschland haben die „Charta der Vielfalt“ inzwischen unterzeichnet. Sie verpflichten sich damit selbst dazu, Vielfalt und Wertschätzung in der Arbeitswelt zu fördern. Die Studie „Diversity Trends“, die die Initiative 2020 veröffentlichte, ergab, dass zwei Drittel aller Unternehmen in Deutschland konkrete Vorteile mit Diversity Management verbinden. „Dazu zählen insbesondere die Attraktivität für bestehende und neue Beschäftigte, die Offenheit und Lernfähigkeit der Organisation sowie die Förderung von Innovation und Kreativität“, so das Studienergebnis. Mit Blick auf seine Kunden bestätigt Manfred J. Wondrak, Gründer des Wiener Beratungsunternehmens Factor D: „Die großen Konzerne sind alle schon dabei oder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Vielfalt in der Belegschaft zu erhöhen. Jetzt zieht der Mittelstand nach. Hier spielt vor allem der Druck von außen, der durch die ESG-Ratings entstanden ist, eine Rolle.“ Dabei lag bei seinen Beratungsprojekten das Thema „Gender Diversity“ in den vergangenen Jahren an erster Stelle. Inzwischen sei die Vielfaltsdimension des Alters und der generationenübergreifenden Zusammenarbeit der zweithäufigste Grund, um seine Beratungsleistung zum Thema „Diversity“ in Anspruch zu nehmen. „Die wahre Herausforderung bei der Schaffung von Vielfalt ist meines Erachtens die Berücksichtigung der soziokulturellen Herkunft“, gibt Frank Kohl-Boas, Personalchef der Zeit-Verlagsgruppe zu bedenken. „Das ist sowohl eine gesellschaftliche Aufgabe als auch eine Aufgabe der Unternehmen. Wir achten zum Beispiel bewusst darauf, dass wir nicht nur Hospitanten von Journalistenschulen beschäftigen, damit die Redaktionen vielfältiger werden, und auch Menschen, die nicht vor einem riesigen Bücherregal aufgewachsen sind, eine Chance im Journalismus bekommen.“ Sieben Vielfaltsdimensionen Die soziale Herkunft wurde erst im vergangenen Jahr bei den Vielfaltsdimensionen auf der Diversity-Agenda der „Charta der Vielfalt“ aufgenommen: 1. Geschlecht 2. Sexuelle Orientierung 3. Ethnische Herkunft und Nationalität 4. Alter 5. Behinderung 6. Religion und Weltanschauung 7. Soziale Herkunft Allerdings sollten sich Unternehmen nicht so stark auf die einzelnen Dimensionen von Diversity fixieren, betont Manfred J. Wondrak, sondern übergreifend eine offene Haltung der Mitarbeitenden fördern: „Wir müssen uns davon lösen, weil es um mehr geht: Vielfalt in all ihren Facetten muss man nicht neu schaffen. Die Belegschaften sind vielfältig. Erzeugen muss man Inklusion – eine inklusive Unternehmenskultur über alle Diversitätsmerkmale hinweg.“ Viel zitiert werde hier die treffende Aussage: „Diversity ist die Einladung zur Party, Inklusion die Aufforderung zum Tanz.“ Um den Weg zur Inklusion zu gehen, gelte es erst einmal die Barrieren abzubauen, die eine inklusive Haltung verhinderten. Unbewusste Barrieren abbauen Die größte Barriere: unbewusste Vorurteile, die alle Menschen in sich tragen, und unter dem Schlagwort „Unconscious Bias“ bekannt sind. Genau genommen sind darunter unbewusste Verzerrungen im Denken und Wahrnehmen zu verstehen, die die Beurteilung von Menschen sowie Entscheidungen beeinflussen. Das Konzept fußt auf der Forschung von Daniel Kahnemann, der 2002 für seine Arbeit dazu mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde. Text: Kristina Enderle da Silva Illustration: Tina Berning W 16 neues lernen – 03/2023
„Unconscious Bias“ ist das Forschungsobjekt vieler psychologischer Studien. Inzwischen zählt die Wissenschaft schon mehr als 170 verschiedene Biases, wie Wondrak erklärt. Er ist auch Gründer der Plattform Anti-Bias.eu, auf der die verschiedensten Biases und ihre Effekte aufgelistet sind – der wohl bekannteste darunter ist der Halo-Effekt: „Die Neigung, von beobachteten beziehungsweise bekannten Merkmalen auf unbekannte zu schließen und so einen assoziativen Hof um die bestehende Beobachtung zu bilden. Also beispielsweise, wenn jemand, der eine attraktive Person sieht, annimmt, dass diese auch intelligent, fleißig und engagiert ist, noch bevor man deren Fähigkeiten beurteilen konnte.“ Der Proximity-Bias sei ein Bias, der aktuell sehr sichtbar werde, erklärt Julia Bindrich, Geschäftsführerin des Beratungs- und Trainingsunternehmens für Diversity & Inclusion, ICU net: „Das ist die Tendenz, Menschen positiver zu bewerten, die uns ähnlich, aber auch räumlich und zeitlich näher sind. Vielen Mitarbeitenden in international tätigen Unternehmen ist nicht bewusst, dass sie Menschen aus anderen Zeitzonen, die sich remote zuschalten, benachteiligen, während sie die Kolleginnen und Kollegen vor Ort bevorzugen.“ Gerade das zweite Beispiel zeigt, dass die Biases sich nicht nur auf die Vielfaltsdimensionen beziehen, sondern unterschiedlichste Attribute im Fokus stehen, die die Wahrnehmung und das Urteilsvermögen beeinflussen. Trotzdem ist die Bewusstmachung dieser psychologischen Effekte wichtig, um Inklusion zu ermöglichen. „Unconscious Biases wirken sich auf alle Dimensionen von Diversity aus, sofern sie nicht bewusst aufgezeigt und bei Entscheidungen berücksichtigt werden. Deshalb ist es eine aktive Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen von Unconscious Bias unabdingbar“, ist bei den Empfehlungen auf der Webseite der Charta der Vielfalt zu lesen. „Um eine inklusive Unternehmenskultur zu fördern, braucht es Anti-BiasMaßnahmen, die das Unbewusste bewusst machen“, bestätigt Wondrak. „Nur so kann das Verhalten der Mitarbeitenden grundlegend verändert werden.“ Methode: Unconscious-Bias-Workshops „Als Gesellschaft reden wir seit Jahren über Diversity & Inclusion und wundern uns, warum wir eigentlich keine echten Fortschritte machen bei dem Thema“, erklärt Frank Kohl-Boas. „Im AGG steht ja eigentlich, wie man sich verhalten oder auch nicht verhalten sollte. Wenn wir alle gesetzestreu sind, müsste das alles umgesetzt sein. Der Rückschluss ist also, dass es beim Thema „Inklusion“ um etwas geht, das uns in der Zusammenarbeit trotz guter Intention nicht so gelingt, wie wir das gerne hätten. Hier kommt auch „Unconscious Bias“ ins Spiel“, betont Kohl-Boas, der selbst Unconscious-Bias-Trainings konzipiert und leitet. „Unconscious Bias als Konzept erkennt an, dass alle Menschen sich sofort und unbewusst ein Urteil bilden. Wenn wir nicht alles so schnell einordnen könnten, wären wir auch nicht lebensfähig. Wir müssen akzeptieren, dass wir solche unbewussten Voreingenommenheiten haben und dass niemand daran Schuld hat. Die Aufgabe von HR ist es, diese Biases abzuschwächen.“ Kohl-Boas gibt seine Tipps zur Reduzierung von „Unconscious Bias“ regelmäßig weiter – zuletzt in einemWorkshop beim Personalmanagementkongress 2022 in Berlin. „Jeder kann eigentlich einen Unconscious-BiasWorkshop erstellen“, motiviert er zum Nachmachen. Sein wichtigster Tipp: „Es fängt schon mit der Einladung an. Wenn da in der Überschrift steht „Warum Frauen nicht in Führung kommen“, dann mutmaßen Männer schon, dass sie belehrt werden sollen. Eine gute Einladung spricht alle Teilnehmenden an und macht sie auf die Inhalte neugierig. Und zu Beginn eines Workshops geht es dann darum, Akzeptanz für unser menschliches Verhalten zu schaffen Impliziter Assoziationstest Testen Sie Ihre »Unconscious Biases« selbst: Unter implicit.harvard.edu/ implicit/germany/takeatest.html sind zehn Tests zu unterschiedlichen Merkmalen wie Alter, Hautfarbe, Gewicht oder auch Wessi-Ossi verfügbar. Hier müssen Begriffe und Bilder in kurzer Zeit zugeordnet werden. Die Reaktionszeit zeigt an, wie stark die Biases ausgeprägt sind. und keine Schuldfrage aufzumachen.“ Fasst man seine Ratschläge mit denen von Julia Bindrich, die viel Erfahrung in der Konzeption und Durchführung von Unconscious-Bias-Trainings hat, zusammen, ergibt sich ein grundlegender Aufbau für Trainings zu „Unconscious Bias“: 1. Einführung ins Thema Zu Beginn gilt es, die Teilnehmenden an Bord zu holen und – ohne Zeigefinger – aufzuzeigen, dass alle Menschen Biases in sich tragen – was nicht immer negativ ist. Aber jeder und jede sollte sich dessen bewusst sein. Die Schilderung einer konkreten Erfahrung oder alltäglichen Situation dient hier als Aha-Effekt. 2. Verständnis schaffen und Wissensvermittlung Was genau sind „Unconscious Biases“, welche Effekte haben sie, wie beeinflussen sie Bewertungen und Entscheidungen? Welche Rolle spielen sie für Diversity & Inclusion im Unternehmen und welche Vorteile bringt ein diverses, inklusives Unternehmen? Diese Fragen werden im zweiten Schritt geklärt, um den Sinn des Trainings zu verdeutlichen. 3. Bewusstmachung der eigenen Prägung Die Teilnehmenden reflektieren ihre eigenen Erfahrungen und öffnen sich gegenüber den anderen im Training – gerade auf Ebene der Führungskräfte ein schwieriger, aber wichtiger Schritt. Die Trainerinnen und Trainer unterstützen hier durch das Preisgeben eigener Erfahrung mit ihren Biases. 17 Fokus
4. Kognitive Ansätze In diesem Schritt sammeln die Teilnehmenden Strategien und Systemregeln, mit denen sie Biases künftig im Alltag reduzieren können – ganz eliminieren lassen sie sich nicht. 5. Verhaltensänderung Häufig werden hier Nudges als unbewusste Anstupser zu einem gewünschten Verhalten erläutert. 6. Fallbeispiele und Umsetzungsplan Meist erfolgt die Erarbeitung in Arbeitsgruppen, um selbst Lösungen zu erstellen, die dann in den Arbeitsalltag mitgenommen werden können. Diversity-Programm bei Bonprix Kirstin Hahne hat zusammen mit ihrer Kollegin im Diversity-Management bei Otto und der externen Unterstützung von ICU net im vergangenen Jahr ein Pilottraining zu „Unconscious Bias“ aufgesetzt und durchgeführt. „Das war in vielerlei Hinsicht neu: Es gab vorher bei Bonprix noch kein Training mit reinem Diversity-Fokus. Und auch eine CoKreation mit Otto war in der Form neu“, erläutert Hahne. Zunächst hat das Projektteam einen OnlineLernpfad entwickelt, der für alle Mitarbeitenden zur Verfügung steht – für Führungskräfte und Mitarbeitende im Recruiting war er verpflichtend. Darin waren kleine Module mit Videos enthalten, die in das Thema „Unconscious Bias“ einführten. Daran anschließend fanden ganztägige Präsenzschulungen statt – für den Piloten noch mit maximal 36 Teilnehmenden aus dem Führungskreis und zwölf aus dem Recruiting. „Es gab einen echten Ansturm auf die Plätze – obwohl wir das zum ersten Mal angeboten haben. Die Führungskräfte haben es sehr positiv aufgenommen, ein Training zu absolvieren, das vor allem die Selbstreflexion in den Vordergrund gestellt hat.“ Die Feedbackbögen geben der Initiative Recht: „Direkt nach der Schulung kam positives Feedback, und ein halbes Jahr später haben wir nochmal nachgefragt, um zu erfassen, wie nachhaltig das Training war. Daraus konnten wir ablesen, dass einiges hängen geblieben war, sich viele aber auch einen „Refresher“ wünschen.“ Diese Bewertung bestätigt Maja Räger, Teamleiterin Interne Kommunikation bei Bonprix, die am Workshop teilgenommen hat: „Ich fand das wirklich augenöffnend. Sicherlich habe ich vieles schon wieder im Alltag vergessen. Aber der Halo-Effekt ist zum Beispiel stark hängen geblieben und der Aha-Effekt aus dem E-Learning.“ Darin wurde eine Geschichte erzählt – grob zusammengefasst: Stell dir vor, ein Paar fliegt nach Paris, grüßt den Piloten, sie gehen essen, am Nachbartisch macht jemand einen Heiratsantrag. Danach kommt die Frage: Wie sah der Pilot aus, welche Personen hast du dir bei dem Heiratsantrag vorgestellt? „Das war echt interessant zu erfahren, dass man direkt an einen Mann als Piloten denkt und an ein heterosexuelles Paar. Das wurde dann im Workshop angesprochen und reflektiert.“ Der Auffrischungskurs für die Teilnehmenden ist bereits in Planung: „Wir werden darin einen Teil wiederholen aus dem Input, dann die Erfahrungen im Alltag aus dem vergangenen halben Jahr reflektieren und vor allem über das sogenannte „Nudge Management“ sprechen, um konkrete Tipps für den Arbeitsalltag mitzugeben“, erläutert Kirstin Hahne die Planung. »Inclusion Nudges« nutzen Beim Nudge Management geht es darum, mit subtilen Hinweisen andere zu einer bestimmten Verhaltensweise ohne Druck und Zwang anzuregen. „Nudges können so vermeintlich banale Dinge sein wie eine Agenda vor dem Meeting, damit sich alle vorbereiten können und nicht nur die Lauten sprechen“, so Hahne. Die Diversity-Expertinnen Lisa Kepinski und Tinna C. Nielsen haben den Begriff „Inclusion Nudges“ geprägt. Sie engagieren sich für einen Erfahrungsaustausch und haben mit inclusion-nudges.org eine Plattform zum Thema aufgebaut, auf der alle auch eigene „Inclusion Nudges“ teilen können. In ihrem frei zugänglichen Whitepaper geben Sie zu bedenken: „Eine Reihe von Forschungsergebnissen zeigt, dass die Macht des Unterbewusstseins nicht abnimmt, sondern sogar zunimmt. Das liegt an der kognitiven Überlastung (…), die unser Bedürfnis nach geistigen Abkürzungen und mühelosem Urteilen und Entscheiden verstärkt. Dies führt zu größerer Homogenität und Ausgrenzung auf Kosten unseres kollektiven Bedürfnisses nach Einbeziehung von Vielfalt. Wir können und müssen die Lücke schließen.“ Ein Beispiel für ein „Inclusion Nudge“, das die beiden Expertinnen empfehlen, um die „Unsichtbaren zu sehen und zu fördern“: R Zeigen Sie mit visuellen Mitteln, was Führungskräfte nicht sehen. R Erstellen Sie zwei visuelle Ansichten mit kleinen Bildern der Führungspipeline, eine mit allen TopTalenten und eine nur mit Frauen. R Zeigen Sie das erste Bild. Bitten Sie die Führungskräfte, die Namen der Personen zu nennen, die sie kennen. R Zeigen Sie dann das andere Bild mit den Bildern nur von Frauen. Bitten Sie sie, die Namen der Personen zu nennen, die sie kennen. R Fragen Sie alle Anwesenden, ob sie ein Muster erkennen. Wirksamkeit der Trainings steigern Das sind besonders wichtige Tipps, denn die Wirksamkeit von „Unconscious Bias Workshops“ ist in wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt – „im Gegenteil: Es gibt sogar eine negative Tendenz in den wissenschaftlichen Studien“, erklärt Wondrak. Doch es gebe Möglichkeiten, die Wirksamkeit 18 neues lernen – 03/2023
zu steigern. Indem man einerseits einige grundlegende Prinzipien bei der Gestaltung beachte (siehe Kasten oben) und andererseits strukturell auf Prozessebene überlege, was man tun könne, um Bias-sensible Entscheidungen anzustoßen – darunter auch Nudges: „Ein Beispiel: Wenn man bei einem schwarzen Bewerber im Interview unsicher ist, ob man gerade einer Bias unterliegt, versucht man ein Reframing – man fragt sich: „Wie würde ich urteilen, wenn der Bewerber weiß wäre?“ Daneben führt er zwei weitere Techniken auf Prozessebene an: 1. Standardisieren Je mehr Prozesse standardisiert sind, umso mehr bleibt man beim Wesentlichen und lässt sich nicht von Bauchgefühl oder Biases ablenken. Beispiel: ein standardisierter Fragenkatalog für Interviews mit Bewerbenden. 2. Reflexionsschleifen einbauen Im Arbeitsalltag muss man sich immer wieder fragen: „Habe ich das Richtige entschieden? Das lässt sich mit dem Vier-Augen-Prinzip oder Checklisten umsetzen. Beispiel: im Recruiting den ersten Eindruck aufschreiben und dann reflektieren, welche Relevanz diese Beobachtung nun überhaupt für das Urteil hat. „Zudem bauen wir oft das Thema „Mikroverhalten“ in unsere Workshops mit ein. Dabei geht es darum aufzuzeigen, dass man schon mit Details in Sprache oder Verhalten unbewusst diskriminiert.“ Als Beispiel nennt Wondrak Aussagen in Gesprächen wie „Du siehst ja gar nicht schwul aus. Oder: „Dass du schon arbeiten gehst, obwohl du ein kleines Kind zu Hause hast.“ Oder: „Woher kommst du eigentlich?“ „Hier muss man zwischen Absicht und Wirkung trennen und ein Gespür dafür entwickeln, welche Aussagen in welchen Situationen welche Wirkung haben.“ Für Mikroverhalten gebe er in der Regel eigene Schulungen, die dieses Thema im Sinne von Alltagsrassismus aufgreifen. „Die Grenze zu Anti-Rassismus-Trainings ist hier fließend – da geht es dann noch mehr um echte, bewusste Vorbehalte.“ Schmaler Grat zu bewusster Diskriminierung An dieser Stelle schränkt auch Julia Bindrich ein: „Unconscious Bias und Rassismus sind Themen, die aufeinander aufbauen, aber nicht unbedingt zusammengehören. Denn bei Ersterem geht es darum, in den Dialog zu treten und Inklusion bewusst zu fördern. In Anti-Rassismus-Trainings geht es um ganz andere Situationen – um bewusste, offene Diskriminierung.“ Genau an dieser Stelle setzt Tupoka Ogette an. Sie ist eine der bekanntesten Anti-Rassismus-Trainerinnen in Deutschland und Autorin der Bücher „Ein rassismuskritisches Alphabet“ und „Exit Racism“. Sie stellt fest, dass sie für ihre Trainings seit zwei bis drei Jahren neben KMUs auch Anfragen zur Auseinandersetzung mit Rassismuskritik von großen Konzernen erhält – der umgekehrte Trend zu den Diversity-Schulungen. Ihre Sensibilisierungstrainings beginnen im Grunde auch mit einem Aha-Effekt, wenn es darum geht, bewusst zu erkennen, welche Privilegien Menschen aufgrund einer vorherrschenden Hautfarbe und Ethnie haben. Sie geht jedoch vielmehr in die Tiefe und vermittelt das Wissen um historischen Rassismus: „Es geht darum zu verstehen, dass wir alle von rassistischer Sozialisierung betroffen sind.“ Ob ihre Trainings zur Vielfalt in Unternehmen beitragen und nachhaltige Wirkung zeigen, sei dabei stark abhängig vomWillen der Unternehmen: „Wenn Rassismuskritik nur als Trend, „Nice to Have“ oder „Problem der anderen“ gesehen wird, ist ein Workshop für die Teilnehmenden vielleicht ein „Eye Opener“, aber für das Unternehmen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es braucht immer eine Gesamtstrategie und ein Verständnis darüber, dass es intrinsischer Teil der Unternehmensphilosophie sein muss. Es gibt den menschenrechtlichen Aspekt – das Recht auf ein Rassismus-freies Leben – und die Unternehmensperspektive: Weniger Rassismus in allen Ebenen führt dazu, dass Unternehmen produktiver und innovativer sind.“ Gleichzeitig gilt für Tupoka Ogette sicherlich genauso wie für Julia Bindrich und Manfred J. Wondrak, dass jeder Einzelne, der Vielfalt und Inklusion mitbedenkt, zählt. So lautet auch der pragmatische Ansatz von Kohl-Boas zur Wirksamkeit der Workshops: „Wenn jemand einige Wochen nach demWorkshop sagt, „Moment, hier lasse ich mich gerade von meinen Biases blenden“ – dann war das ganze Training schon sinnvoll.“ Tipps für mehr Wirksamkeit von Bias-Trainings 1. Formulieren Sie realistische Erwartungen. 2. Setzen Sie auf Freiwilligkeit. 3. Planen Sie ein mehrstufiges Lernkonzept. 4. Sichern Sie den Praxisbezug. 5. Seien Sie vorsichtig mit Anklagen. 6. Integrieren Sie das Thema in Ihre Prozesse und Systeme. Quelle: Anti-Bias.eu Nudges: Subtile Anstupser, um Verhalten ohne Druck zu ändern. 19 Fokus
Ü berall in den USA sind Führungskräfte gegen Diskriminierung in Form von Rassismus oder Frauenfeindlichkeit am Arbeitsplatz. Doch es bleibt oft bei Sonntagsreden und vereinzelten Maßnahmen. James D. White, ein amerikanischer Anti-Rassismus-Consultant, fordert Unternehmen weltweit dazu auf, Rassismus strategisch zu bekämpfen und entsprechende mehrjährige Change-Programme aufzusetzen. Letztlich müsse der Erfolg der Rassismusbekämpfung auch messbar gemacht werden – zum Beispiel durch eine steigende Zahl weiblicher und farbiger Führungskräfte, die am besten aus den eigenen Reihen stammen. Außerdem sollten nachvollziehbar mehr Menschen aus bislang unterrepräsentierten Gruppen eingestellt und die Zulieferer danach ausgesucht werden, wie antirassistisch sie sind. James D. White weiß wovon er redet. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie in St. Louis, Missouri, und war das erste Mitglied seiner Familie, das ein College abgeschlossen hat. Er begann im Außendienst von Coca-Cola und wurde schließlich Vorsitzender der globalen Smoothie-Kette Jamba Juice. Ziemlich verärgert erzählt er, dass er trotz hervorragender Leistungen sehr oft erst im zweiten Anlauf befördert wurde, weil immer plötzlich ein weißer Kollege auftauchte, der angeblich vorgezogen werden musste. Im Jahr 2020 machte sich White mit einer Beratungsgesellschaft (www.culturedesignlabs.com) selbstständig und hilft seitdem bei der Umsetzung von »Diversity, Equity und Inclusion« (DEI) am Arbeitsplatz. Er hat zusammen mit seiner Tochter Krista White auch ein Buch geschrieben, das sehr konkret aufzeigt, wie man eine antirassistische Unternehmenskultur schaffen kann (»Anti-Racist Leadership: How to Transform Corporate Culture in a Race-Conscious World«, Harvard Business Review Press, Bosten 2022, 224 Seiten, 24 Euro). Praktische Lektionen und reale Beispiele zeigen, was Führungskräfte tun können, wenn sie ein wirklich vielfältiges, gleichberechtigtes und integratives Arbeitsumfeld schaffen wollen. Auf die Frage, was Personalentwicklungsprofis tun könnten, antwortet James D. White, dass er immer sehr gute Erfahrungen mit dem Ansatz des »Action Learnings« nach Reginald Revans gemacht habe. Beim »Action Learning« arbeitet ein Team von bunt zusammengewürfelten Mitarbeitenden an einem für das Unternehmen konkreten und relevanten Projekt und reflektiert gleichzeitig mit einem Coach den Lernprozess. Die Methode basiert auf der Überzeugung, dass Mitarbeitende einer Organisation am besten anhand einer realen Herausforderung lernen. Durch »Action Learning« entsteht ein doppelter Nutzen: Einerseits wird ein Problem des Arbeitgebers gelöst, und andererseits werden Individuen und Gruppen weiterentwickelt. Am besten sei es, wenn sich die Action-Learning-Teams aus Menschen des mittleren Managements zusammensetzen, da das oft die unbewegliche Mitte einer Organisation sei. White: »Hier muss die Schwerstarbeit im Unternehmen geleistet werden, wenn man einen nachhaltigen Wandel vorantreiben und eine integrative Kultur aufbauen will.« Ein Action-Learning-Team kann sich aus zehn bis zwanzig Personen zusammensetzen, die alle aus unterschiedlichen Mitarbeitergruppen (Hautfarbe, Geschlecht, Bildungsabschluss …) stammen sollten. Sie alle arbeiten neben ihrer normalen Arbeit in einem zeitlich befristeten Projekt zusammen, das ein konkretes Problem des Arbeitgebers lösen muss – je nach gewünschter Schwierigkeit zum Beispiel die Organisation eines Firmenjubiläums oder den Aufbau eines Online-Shops. Während der Projektarbeit reflektieren alle Beteiligten mithilfe eines oder mehrerer Coaches die Art ihrer Zusammenarbeit (!), aber auch die (voraussichtliche) Qualität ihres Projektergebnisses. Whites Fazit: »Im Laufe meiner Karriere habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Bildung von Action-LearningTeams der beste Weg ist, um eine Kultur umzugestalten und strategische Herausforderungen zu meistern.« BiasUnter- brecher Die Rolle der Führungskräfte ist nicht zu unterschätzen, wenn es umdie Förderung von Vielfalt und vor allemauch umdie Bekämpfung von Rassismus geht. »Action Learning« ist hier eineMethode, die HR anwenden kann, umFührungskräfte zu unterstützen. Text: Martin Pichler 20 neues lernen – 03/2023
»Nicht nur Sonnenschein- Diversity betreiben« Interview: Kristina Enderle da Silva Foto: LÊMRICH Cawa Younosi hat eine große Reichweite in den sozialen Medien, die er auch nutzt, um sich für Diversity und gegen Rassismus einzusetzen. 22 neues lernen – 03/2023
Beim Bundesverband für Personalmanager*innen (BPM) machen Sie sich sehr für das Thema »Diversity & Inclusion« stark. Was können Sie über den Verband bewirken? CAWA YOUNOSI: Diversity Management und Personalarbeit waren schon immer untrennbar. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist die Bedeutung von Diversity Management in den Unternehmen nochmal gestiegen. Es ist Teil der strategischen Personalplanung geworden. Es geht darum, die Mitarbeitenden an Bord zu halten und das volle Potenzial der Gesellschaft auszuschöpfen. Dafür muss man die Denke in den Unternehmen ändern, Eintrittsschwellen niedrig halten, Recruiting-Prozesse umgestalten und Entwicklungswege für Menschen aufzeigen, denen Privilegien fehlen. Darum haben wir beim BPM eine eigene Sachgruppe für dieses Thema, die ich einige Zeit zusammen mit Katharina Schiederig geleitet habe. Wie schätzen Sie die Lage in den Unternehmen in Deutschland ein? Wie vielfältig sind Unternehmen tatsächlich und spielt im Diversity Management nicht immer noch die Vielfaltsdimension »Gender« die größte Rolle? In den vergangenen Jahren wurde Diversity mit Gender Diversity tatsächlich gleichgesetzt – das ändert sich jetzt aber. Es ist wichtig, dass wir zum Beispiel bei der Besetzung von Vorstandsposten darauf achten, dass auch Frauen im Vorstand sind. Aber ich denke, wir müssen noch einen Schritt weitergehen und auch darauf achten, dass man eine Frau zum Beispiel auch mit Migrationshintergrund einstellt. Wir haben eine Gesellschaft, die zu 25 Prozent aus Menschen mit Migrationshintergrund besteht – diese Vielfaltsdimension muss sich auch in einem Vorstand widerspiegeln. Steht das auch bei SAP im Fokus des Diversity Managements? Wir arbeiten gerade stark daran, die Vielfaltsdimension, die bei der „Charta der Vielfalt“ auch erst im vergangenen Jahr neu aufgenommen wurde, auszugleichen: die soziale Herkunft oder die „Lotterie des Lebens“, wie ich das gerne bezeichne. Wir achten darauf, wo ein Mensch herkommt, welche Startbedingungen er oder sie hatte. Das geht schon bei der Schule und Ausbildung los. Es gibt schließlich nur wenige Menschen, die es auf Dax-Vorstandsebene geschafft haben und zum Beispiel aus einer Arbeiterfamilie kommen oder andere schwierige Startbedingungen hatten. Stallgeruch und Netzwerke, die über Jahrzehnte entstanden sind, stellen hier die wesentliche gläserne Decke dar – nicht nur für Frauen. Bei dieser Betrachtung vereinen wir im Prinzip alle anderen Vielfaltsdimensionen. Wir haben bisher darüber gesprochen, wie man Vielfalt schaffen kann – sprechen wir nun über die Folgen von fehlender Vielfalt – Diskriminierung und Rassismus. Inwiefern spielen diese Themen überhaupt eine Rolle im Diversity Management? In Deutschland ist die Sensibilität für das Thema „Rassismus“ eindeutig gestiegen. Das ist für jeden durch das Erstarken bestimmter rechter Gruppierungen spürbar. Und damit kommt das Thema natürlich auch in den Unternehmen an – wir leben ja nicht auf einer Insel der Glückseligkeiten. Viele Unternehmen haben verstanden, dass man das nicht einfach unter den Teppich kehren kann. Auch über den BPM versuchen wir hier Awareness zu schaffen. Ich nehme aber wahr, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema „Rassismus“ sehr wellenförmig geschieht. Zum Beispiel gibt es viele Bekundungen auf Social Media zum Internationalen Tag für Anti-Rassismus. Für Cawa Younosi ist »Diversity & Inclusion« ein Herzensthema – als Personalchef bei SAP, als Präsidiumsmitglied des Bundesverbands für Personalmanager*innen und persönlich setzt er sich für Vielfalt und gegen Rassismus ein. Sensibilisierung für ein offenesMindset ist dabei für ihn der Dreh- und Angelpunkt. B 23 Fokus
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