Präsenz-Coaching wird nicht ver- schwinden, aber es entwickelt sich digital ein zusätzlicherMarkt. E r habe einen Coach gehabt und hätte sich am liebsten zwei gleichzeitig gewünscht. Mit diesem Satz sorgte Prinz Harry, Sohn des englischen Königs, im Oktober 2022 auf einem Kongress in San Francisco für Aufmerksamkeit. Der 39-jährige Prinz betonte, Coaching habe ihm die Augen geöffnet und sein Selbstvertrauen vergrößert. Sein Lob fürs Coaching hat einen persönlichen Hintergrund: Harry arbeitet für die amerikanische Coaching-Plattform „Betterup“ als Chief Impact Officer. Wenn Betterup-Mitbegründer Alexi Robichaux sich gegenüber der Presse äußert, dann spricht er weniger vom Coaching und mehr von der Plattformökonomie. Die funktioniert zum Beispiel so: Die Hotelbuchungsplattform „Booking.com“ ist sehr erfolgreich, weil sie eine unüberschaubare Zahl von Hotels mit Menschen zusammenbringt, die ein zu ihnen passendes Hotelzimmer suchen. Im Coaching-Business fehlte bislang so ein Vermittler. Auch hier warten viele selbstständige Business-Coaches darauf, von ratsuchenden Berufstätigen gebucht zu werden. Ein digitaler Coaching-Provider bringt nun mit seiner Plattform Coach und Coachee zusammen. Dazu wird in der Regel ein Rahmenvertrag mit dem arbeitgebenden Unternehmen geschlossen, dem auch gleich die ganze Organisation inklusive einer genauen Abrechnung abgenommen wird. Bisher kein Monopol im Plattformmarkt Zur Plattformökonomie gehört auch, dass die größte Plattform nach dem Motto „Es kann nur einen geben“ das Internet beherrscht. Kein Wunder, dass Robichaux auch beim Thema Coaching davon ausgeht, dass am Ende nur eine Plattform überleben kann. Allerdings dürfte in Deutschland vom Monopol einer Coaching-Plattform noch lange nicht die Rede sein. Die „Marburger Coaching Marktanalyse 2022“ vom vergangenen Herbst wollte von den 500 befragten Business Coaches wissen, für welche Online-Plattformen sie am häufigste arbeiten. In abnehmender Reihenfolge werden die ersten vier Plätze belegt von: 1. Sharpist, 2. Haufe Coaching, 3. Bettercoach und 4. Coachhub. Das alleine spricht für genug Wettbewerb. Und der wird in Zukunft sogar noch zunehmen, denn es gibt mit „Speexx“ und „Thankscoach“ mindestens zwei neue Anbieter. „Speexx“ in München ist ein Spezialanbieter von Online-Sprachtrainings für Businesskunden. Pädagogen von Speexx haben zum Beispiel den weltweit verstreut arbeitenden Krebsforschern und -forscherinnen eines Pharmakonzerns den aktuellen, forschungsrelevanten Spezialwortschatz der englischen Sprache per videobasiertem Einzelunterricht beigebracht. Einige Kunden forderten Speexx kurz danach auf, über die Online-Plattform neben dem 1:1-Sprachtraining auch ein 1:1-Business-Coaching anzubieten, weil sie von der einfach zu integrierenden und problemlos funktionierenden Systemlösung begeistert waren. Den Vorschlag griff Speexx sofort auf. Online-Coaching wurde als neuer Geschäftsbereich in die Firma integriert. „Coaching passt nicht nur technisch sehr gut zu unserer Plattform“, ist sich Firmenmitbegründer und Marketingvorstand Armin Hopp sicher. Strategisch mache es für seine Sprachenschule auch sehr viel Sinn, sich im Marktsegment „Learning and Development“ breiter aufzustellen. Hopp spricht von einem „sehr großen Interesse“ an seiner Coaching-Plattform – nicht nur von seinen Bestandskunden, sondern auch von der Personalentwicklungsszene ganz generell. Am meisten erstaunt es ihn, dass die deutschen Einkäufer von Online-Coaching-Paketen erfahrene Personalprofis sind, die in der Regel selbst eine Coaching-Ausbildung absolviert haben und sehr klare Vorstellungen äußern, wie zum Beispiel ein CoachingProzess im Detail auszusehen hat oder welchem Coaching-Verband die einzusetzenden Coaches angehören sollten. Das große Interesse an seiner seit kurzem angebotenen Dienstleistung führt Hopp darauf zurück, dass wir gerade in einer „Umbruchszeit“ lebten. Online-Coaching werde von vielen Unternehmen derzeit eingesetzt, um den im Homeoffice vereinsamenden Mitarbeitenden zu zeigen, dass man sich für ihre persönliche Entwicklung wirklich interessiere. Dabei ist für Hopp eines klar: „Es ist nicht unsere Absicht, das Face-to-Face-Coaching zum Verschwinden zu bringen. Mit den digitalen Coaching Providern entwickelt sich einfach nur ein zweiter Markt.“ Und noch ein neuer Anbieter Ein weiterer Neuling auf dem Markt ist das Berliner HR-TechStartup „Thankscoach“. Hauptinvestor ist die Beratungsgesellschaft „HR Pepper“, bei der der in HR-Kreisen sehr geschätzte Matthias Thomas Meifert an der Spitze steht. „Thankscoach“ nimmt für sich in Anspruch, einen „menschenorientierten“ Coaching-Ansatz zu verfolgen. Man würde mit mehreren, dem Coaching vorgeschalteten Schritten sehr genau analysieren, ob Coaching in einer Situation überhaupt sinnvoll sei und wie ein passender Coaching-Prozess designt werden könne. „Coaching darf kein Durchlauferhitzer für unzufriedene Mitarbeitende sein“, warnt Johannes Darrmann, bei „Thankscoach“ Chef des Bereichs Geschäftsentwicklung. Aufgrund eigener Forschungen 55 Entwicklung
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