In weiteren Schritten ging es darum einen praxisorientierten Rahmen zu entwickeln. Auf Grundlage der Umfrageergebnisse wurde ein Set von 23 Skills (Fähigkeiten und Qualitäten) erarbeitet, welche fünf Hauptkategorien zugeordnet wurden. Diese markieren einen Spannungsbogen, beginnend mit der persönlichen Reflexion hin zum Handeln (siehe Grafik auf Seite 37). Entwicklungsprogramme im Sinne der IDGs Folgt man der Grundforderung des IDG-Ansatzes, die Kapazitäten zur erfolgreichen Umsetzung der SDGs gezielt auszubilden und zu fördern, stellt sich die Frage, wie die einzelnen Skills ihre Wirkung entfalten. Wie können zum Beispiel Mut, Kreativität, eine offene Haltung, Empathie oder der Umgang mit Komplexität entwickelt werden? Dafür sollten die IDGs immer im Kontext und die Ausrichtung einer Organisation betrachtet werden. Ein Beispiel: Ärzte und Ärztinnen folgen dem Eid des Hippokrates als beruflichem Kodex. Dieser ethische Rahmen entspricht auf der IDG-Seite am ehesten der Dimension „Sein“ (innerer Kompass) und, so lässt sich annehmen, ist durch die Ausbildung schon eingeübte Praxis. Möglicherweise könnte, auf Grund der fachlichen Expertise, die Dimension „Zusammenarbeit“ weniger gut ausgeprägt sein (fachliches Silodenken ist natürlich in zahlreichen Organisationen ein Thema). Durch eine Bestandsaufnahme mit Hilfe der Perspektive der IDGs können dann entsprechende Entwicklungsprogramme aufgesetzt werden. Wie geht das konkret? Alle Dimensionen der IDGs und ihrer Skills lassen sich als Themen von Weiterbildungsprogrammen beschreiben. Dabei geht es in erster Linie, so die Forderung aus dem IDG-Impuls, um Alltagspraxis. Etwas zugespitzt gesagt: Es nutzt wenig, über ein Skill wie zum Beispiel Wertschätzung etwas zu wissen, entscheidend ist, wie die Umsetzung im Alltag gelingt. Pragmatisch bietet die Dimension „Sein“ mit dem Skill „innerer Kompass“ die Möglichkeit, sich der eigenen Werte und Stärken bewusst zu werden und diese als Fundament zu setzen. Eine Reihe gut erforschter Ansätze zur Erfassung der eigenen Stärken bieten ein solides Gerüst. Zu der dritten Säule „Beziehung“ mit den Themen Anerkennung, Verbindung und Empathie gibt es eine Reihe wissenschaftlicher Studien wie unter anderem die Arbeit von Barbara Fredrickson zur Wirkung positiver Emotionen. Die breit angelegte psychologische Forschungsarbeit der vergangenen 20 Jahre, insbesondere mit Blick auf die Bewegung der Positiven Psychologie, die große Überschneidungen zu den Zielen und Skills der IDGs aufweisen, hält eine Fülle praxisnaher Instrumente bereit. Mit diesem Gerüst bieten die „Sustainable Development Goals“ den Unternehmen einen breiten Ansatz für ein nachhaltiges Engagement – was sowohl durch konkrete Projekte als auch als strategische Leitlinie für die unternehmerische Ausrichtung möglich ist. »The Missing link« – der Gründungsimpuls der IDGs Allerdings stellte sich in den vergangenen Jahren zunehmend eine paradoxe Situation ein: Trotz des breiten Spektrums an Forschung, Wissen und Lösungsmöglichkeiten zu den Ursachen und den zu erwartenden Szenarien in ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht sind die Fortschritte auf dem Weg der SDG-Zielerreichung eher enttäuschend. Wir spüren die Krisen – und das täglich. Wir wissen, was zu tun ist, und kennen sogar die Lösungen. Und dennoch handeln wir viel zu langsam. Diese Phänomen wird hinlänglich als das „Knowing – Doing Gap“ beschrieben. Auf Grund dieser Einschätzung, dass die SDG-Ziele nur sehr bedingt im unternehmerischen und gesellschaftlichen Kontext umgesetzt werden, traf sich im April 2019 eine Gruppe von Unternehmern und Unternehmerinnen sowie Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen auf der schwedischen Insel Ekskäret. Die Gespräche führten zu der Überzeugung, dass es keine klare Vorstellung davon gibt, welche Fähigkeiten und Haltungen es für eine wirksame Umsetzung der SDG-Ziele braucht beziehungsweise welche gefördert werden müssen. Das Fazit der Gespräche war eindeutig: Es wird eher darüber geredet, was getan werden sollte, als in die Umsetzung selbst zu gehen. Es braucht, so die Einsicht aus den Gesprächen, den Aufbau einer breiten Bewegung von Akteuren, um die Ziele der Agenda 2030 gezielt und pragmatisch anzugehen: „Um mit der zunehmenden Komplexität der gesellschaftlichen Herausforderungen besser begegnen zu können, müssen wir uns als Menschen und Organisationen, systematisch mit dem menschlicher Entwicklung und Wachstum befassen“, so die anschließend veröffentlichte Zusammenfassung. Damit war der Impuls zur Entwicklung der „Inner Development Goals“ (IDGs) gesetzt. Ab 2020 knüpften dann die Initiatoren weitere Kontakte mit Unternehmen und Wissenschaft sowie mit strategisch wichtigen Partnern im privaten und öffentlichen Sektor wie der Stockholm School of Economics, dem Center for Social Sustainability am Karolinska Institut, dem Centre for Sustainability Studies der Universität Lund und der Universität Stockholm. Von Anfang an zielte der IDG-Ansatz darauf ab, Wissenschaft mit Praxis zu verbinden. Dafür wurden 2021 zwei wissenschaftliche Umfragen durchgeführt. Die Leitfrage war: Welche Fähigkeiten, Eigenschaften oder Skills müssen individuell und kollektiv entwickelt werden, damit die Verwirklichung der UNZiele für nachhaltige Entwicklung besser gelingt? 861 Personen wurden befragt. Aus den Antworten wurde ein erster Entwurf des IDG-Frameworks entwickelt und unter anderem auf der Mindshift-Konferenz der SSE mit etwa 1.500 Teilnehmenden vorgestellt und diskutiert. Der IDG-Ansatz: Die Skills zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele fördern. 36 neues lernen – 03/2023
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