Liebe Leserinnen und Leser, »If you have a brain, you are biased.« Auchwenn es nicht gerade schicklich ist, mit einemenglischen Zitat in unser Magazin einzusteigen, ist es doch einfach treffend zu unserer aktuellen Titelgeschichte. Julia Bindrich, Geschäftsführerin von ICU net, hat diesen Satz imGesprächmit mir angeführt, umzu zeigen, dass »Unconscious Biases« – zu deutsch in etwa »unbewusste Verzerrungen« – etwas ganz Normales sind. Niemand hat Schuld daran, wenn er oder sie andere Menschen sozusagen »verzerrt« wahrnimmt und niemand wird dieses Biases vollständig los. Doch reduzieren kann man sie. Undwie sich das trainieren lässt, habenwir im Fokus zusammengefasst. In der Personaldiagnostik sind diese unbewussten Effekte schon lange gut untersucht und als »Beobachtungsfehler« bekannt. So belegen Studien, dass allein der Name auf einemBewerbungsschreiben schon Assoziationen auslöst, die der Bewerberin oder demBewerber zugeschriebenwerden – der sogenannte »Halo-Effekt« tritt ein. Dasmuss keine negativen Folgen haben. Die Auswirkungen hängen eben davon ab, was einMenschmit demNamen verbindet. Da kann ich aus eigener Erfahrung sprechen – das angeheiratete »da Silva« inmeinemNachnamen bietet jedeMenge Projektionsfläche. Wer damit brasilianische Fußballspieler verbindet, liegt erstens nicht weit weg vom Ursprungmeines Namens und hat zweitens dabei meist positive Assoziationen. Trotzdemgestehe ich hier, dass ich nur meinen Geburtsnamen »Enderle« verwende, wenn ich mit negativen Reaktionen auf den ausländischen Namen rechne. Auf Wohnungssuche sogar ein Tipp, den ich von anderen bekommen habe. So ein kleines unbedeutendes Beispiel zeigt vielleicht, dass es noch einweiterWeg ist von den Sonntagsreden über Vielfalt bis hin zu einer inklusiven Kultur – in Unternehmen und Gesellschaft. Darummag unser Titelthema Diversity für manche ein alter Hut sein – doch darunter sitzt immer noch ein »biased brain«, das sich immer wieder bewusst werden muss, dass Selbstreflexion harte Arbeit ist. Kristina Enderle da Silva, Chefredakteurin CAWA YOUNOSI, Personalchef Deutschland von SAP, ist mit 14 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Im Interview mit „neues lernen“ beschreibt er mit großer Offenheit, wie er damals rassistisch beleidigt wurde und wie er sich heute gegen Rassismus und für Diversity einsetzt. JUDITH MUSTER schreibt die Kolumne „Systemblick“. Dafür greift sie auf einen schier unerschöpflichen Fundus an Praxisbeispielen zurück, die sie stets aus systemischer Perspektive betrachtet. Dass sie damit einen Nerv trifft, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Kommentare zu ihren Beiträgen auf Linkedin. CARMEN BRUNNER unterstützt unser Team seit der ersten Ausgabe von „neues lernen“ als freie Bildredakteurin. Dank ihr ist auch jedes noch so theoretische Thema im Magazin ausdrucksstark und hochwertig bebildert. Bevor sie sich auf die Bildredaktion fokussierte, war sie für einen Künstler tätig und hat Bücher und Ausstellungen mitgestaltet. Foto LÊMRICH Foto Simon Menges Foto Joan Minder Foto Alexandra Kern 3
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