beantworten konnten, die normalerweise nicht gestellt werden. Zum Beispiel geht es darum, wie rassistisch die Frage „Woher kommst du wirklich?“ empfunden wird. Wir können auf diese Weise enttabuisieren, Unsicherheiten abbauen und den Austausch untereinander fördern, damit sich Menschen – auch nicht aus Versehen – verletzend äußern. Generell geht es mir darum, aufzuzeigen, welche Streiche uns unser Kopf spielt, wenn es allgemein um Entscheidungen geht. Viele Menschen sind sich ihrer eigenen Denkfehler immer noch nicht bewusst – sie treffen Entscheidungen aufgrund ihrer individuellen Erfahrungen, die sie generalisieren. Das ist das Gegenteil von einem vielfältigen Mindset. Ich will erreichen, dass man zu jedem Thema bewusst nach Daten recherchiert und sich nicht allein von den bisherigen Erfahrungen bei der Entscheidungsfindung leiten lässt. Sie sagten gerade, dass die Teilnehmenden den Betroffenen Fragen stellen könnten. Inwiefern können denn Menschen, die selbst nicht von Rassismus betroffen sind, überhaupt Anti-Rassismus schulen? Wenn es die Möglichkeit gibt, dass eine betroffene Person ihre Erfahrungen selbst schildert, ist das sicherlich sehr gut. Aber man muss auch kein Weltmeister sein, um Fußballer für die Weltmeisterschaft zu trainieren. Es geht darum, Wissen zu vermitteln, Menschen zum Nachdenken anzuregen und zu sensibilisieren und andere Perspektiven zu vermitteln. Glaubwürdigkeit geht in erster Linie mit Kompetenz einher und nicht mit Betroffenheit. Ganz im Gegenteil, manchmal habe ich den Eindruck, dass die eigene Betroffenheit als Kompetenz definiert wird – was nicht unbedingt hilfreich ist. Sonst müssten alle Betroffenen die Schulungen selbst machen, um dafür zu sorgen, dass nicht alle diskriminiert werden. Für wie nachhaltig halten Sie solche Trainings? Dadurch, dass wir das Thema „Chancengerechtigkeit“ bei SAP wirklich schon seit Jahren treiben, ist es bereits in der DNA der Mitarbeitenden angekommen. Unsere Kollegen und Kolleginnen sind sehr sensibel in Fragen der Diskriminierung. Und ich halte es für sehr wichtig, solche Trainings auch weiterhin anzubieten, um für das Thema zu sensibilisieren, aufzuklären und Biases abzubauen. Damit das nachhaltig wirkt, ist es auch wichtig, alles in einer schriftlichen Policy festzuhalten. Aber all das nützt nichts, wenn das Konsequenzen-Management bei Verstößen nicht erfolgt. Es gibt viele Unternehmen die ihren Fokus stark auf Sanktionen legen. Wichtiger ist natürlich, dass es gar nicht erst so weit kommt. Aber wenn Regeln gebrochen werden, muss das Folgen haben – sonst wird man unglaubwürdig. Und nur dann kann man verhindern, dass sich derart toxisches Verhalten im Unternehmen ausbreitet. Welche Rolle spielt die Sprache beim Thema »AntiRassismus«? Hat SAP interne Sprachregelungen? Zum Thema Sprache gibt es zwei Aspekte – einmal die Programmiersprache, die wir als Tech-Unternehmen nutzen: Wir haben schon vor drei Jahren eine Guidance dazu herausgegeben, um alle Begriffe in der IT, die eine rassistische Zuschreibung beinhalten, zu verbannen. Das klassische Beispiel ist hier die Terminologie „Master/Slave“, die in der IT verwendet wird. Diese haben wir ersetzt, um klar zu zeigen, dass wir Diskriminierung in keiner Form tolerieren. Dann gibt es noch die Sprache in der Unternehmenskommunikation. Hier setzen wir auf Freiwilligkeit. Es gibt keine offizielle Sprachregelung zum Beispiel für ein Gender-Sternchen. Die Sprache hat sich aber schon stark verändert. Viele achten von selbst auf eine inklusive Sprache, sodass bei SAP kein Bedarf zur Regelung besteht. Wer ist bei SAP die treibende Kraft hinter all diesen Diversity- und Anti-Rassismus-Maßnahmen? Sie als Personalchef? Die treibende Kraft darf nicht nur von einem Bereich ausgehen. Vielmehr geht das alle etwas an und muss von allen getrieben werden. Wir als HR haben die Aufgabe, dafür zu sensibilisieren. Wir sind aber nicht die Erzieher oder Aufpasserinnen in der Belegschaft. Bei SAP nicht inklusiv zu denken und zu handeln, ist definitiv ein karrierelimitierender Faktor. Alle Erfolge sind nichts wert, wenn die Mitarbeitenden sich sozial inadäquat verhalten – also zum Beispiel ein rein männliches Team führen und sich dagegen sträuben, daran etwas zu ändern. Wie können Sie sich da so sicher sein? Unsere Mitarbeitenden können über verschiedene institutionalisierte Wege Beschwerden einreichen oder sich auch anonym melden. Dazu rufen wir auch explizit auf. Zudem enthält unsere halbjährliche Mitarbeiterbefragung immer die Frage „Würdest du deine Führungskraft weiterempfehlen?“. Das Besondere daran ist, dass wir das im Net-Promoter-Score abfragen. Die Latte für eine Weiterempfehlung liegt also sehr hoch. Die Werte werden veröffentlicht im Team, gegenüber dem Management und HR. In den vergangenen Jahren haben wir hier übrigens einen Rekordwert erreicht. »Bei SAP nicht inklusiv zu denken und zu handeln, ist definitiv ein karrierelimitierender Faktor.« 25 Fokus
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