Personalmagazin - Neues Lernen 3/2023

4. Kognitive Ansätze In diesem Schritt sammeln die Teilnehmenden Strategien und Systemregeln, mit denen sie Biases künftig im Alltag reduzieren können – ganz eliminieren lassen sie sich nicht. 5. Verhaltensänderung Häufig werden hier Nudges als unbewusste Anstupser zu einem gewünschten Verhalten erläutert. 6. Fallbeispiele und Umsetzungsplan Meist erfolgt die Erarbeitung in Arbeitsgruppen, um selbst Lösungen zu erstellen, die dann in den Arbeitsalltag mitgenommen werden können. Diversity-Programm bei Bonprix Kirstin Hahne hat zusammen mit ihrer Kollegin im Diversity-Management bei Otto und der externen Unterstützung von ICU net im vergangenen Jahr ein Pilottraining zu „Unconscious Bias“ aufgesetzt und durchgeführt. „Das war in vielerlei Hinsicht neu: Es gab vorher bei Bonprix noch kein Training mit reinem Diversity-Fokus. Und auch eine CoKreation mit Otto war in der Form neu“, erläutert Hahne. Zunächst hat das Projektteam einen OnlineLernpfad entwickelt, der für alle Mitarbeitenden zur Verfügung steht – für Führungskräfte und Mitarbeitende im Recruiting war er verpflichtend. Darin waren kleine Module mit Videos enthalten, die in das Thema „Unconscious Bias“ einführten. Daran anschließend fanden ganztägige Präsenzschulungen statt – für den Piloten noch mit maximal 36 Teilnehmenden aus dem Führungskreis und zwölf aus dem Recruiting. „Es gab einen echten Ansturm auf die Plätze – obwohl wir das zum ersten Mal angeboten haben. Die Führungskräfte haben es sehr positiv aufgenommen, ein Training zu absolvieren, das vor allem die Selbstreflexion in den Vordergrund gestellt hat.“ Die Feedbackbögen geben der Initiative Recht: „Direkt nach der Schulung kam positives Feedback, und ein halbes Jahr später haben wir nochmal nachgefragt, um zu erfassen, wie nachhaltig das Training war. Daraus konnten wir ablesen, dass einiges hängen geblieben war, sich viele aber auch einen „Refresher“ wünschen.“ Diese Bewertung bestätigt Maja Räger, Teamleiterin Interne Kommunikation bei Bonprix, die am Workshop teilgenommen hat: „Ich fand das wirklich augenöffnend. Sicherlich habe ich vieles schon wieder im Alltag vergessen. Aber der Halo-Effekt ist zum Beispiel stark hängen geblieben und der Aha-Effekt aus dem E-Learning.“ Darin wurde eine Geschichte erzählt – grob zusammengefasst: Stell dir vor, ein Paar fliegt nach Paris, grüßt den Piloten, sie gehen essen, am Nachbartisch macht jemand einen Heiratsantrag. Danach kommt die Frage: Wie sah der Pilot aus, welche Personen hast du dir bei dem Heiratsantrag vorgestellt? „Das war echt interessant zu erfahren, dass man direkt an einen Mann als Piloten denkt und an ein heterosexuelles Paar. Das wurde dann im Workshop angesprochen und reflektiert.“ Der Auffrischungskurs für die Teilnehmenden ist bereits in Planung: „Wir werden darin einen Teil wiederholen aus dem Input, dann die Erfahrungen im Alltag aus dem vergangenen halben Jahr reflektieren und vor allem über das sogenannte „Nudge Management“ sprechen, um konkrete Tipps für den Arbeitsalltag mitzugeben“, erläutert Kirstin Hahne die Planung. »Inclusion Nudges« nutzen Beim Nudge Management geht es darum, mit subtilen Hinweisen andere zu einer bestimmten Verhaltensweise ohne Druck und Zwang anzuregen. „Nudges können so vermeintlich banale Dinge sein wie eine Agenda vor dem Meeting, damit sich alle vorbereiten können und nicht nur die Lauten sprechen“, so Hahne. Die Diversity-Expertinnen Lisa Kepinski und Tinna C. Nielsen haben den Begriff „Inclusion Nudges“ geprägt. Sie engagieren sich für einen Erfahrungsaustausch und haben mit inclusion-nudges.org eine Plattform zum Thema aufgebaut, auf der alle auch eigene „Inclusion Nudges“ teilen können. In ihrem frei zugänglichen Whitepaper geben Sie zu bedenken: „Eine Reihe von Forschungsergebnissen zeigt, dass die Macht des Unterbewusstseins nicht abnimmt, sondern sogar zunimmt. Das liegt an der kognitiven Überlastung (…), die unser Bedürfnis nach geistigen Abkürzungen und mühelosem Urteilen und Entscheiden verstärkt. Dies führt zu größerer Homogenität und Ausgrenzung auf Kosten unseres kollektiven Bedürfnisses nach Einbeziehung von Vielfalt. Wir können und müssen die Lücke schließen.“ Ein Beispiel für ein „Inclusion Nudge“, das die beiden Expertinnen empfehlen, um die „Unsichtbaren zu sehen und zu fördern“: R Zeigen Sie mit visuellen Mitteln, was Führungskräfte nicht sehen. R Erstellen Sie zwei visuelle Ansichten mit kleinen Bildern der Führungspipeline, eine mit allen TopTalenten und eine nur mit Frauen. R Zeigen Sie das erste Bild. Bitten Sie die Führungskräfte, die Namen der Personen zu nennen, die sie kennen. R Zeigen Sie dann das andere Bild mit den Bildern nur von Frauen. Bitten Sie sie, die Namen der Personen zu nennen, die sie kennen. R Fragen Sie alle Anwesenden, ob sie ein Muster erkennen. Wirksamkeit der Trainings steigern Das sind besonders wichtige Tipps, denn die Wirksamkeit von „Unconscious Bias Workshops“ ist in wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt – „im Gegenteil: Es gibt sogar eine negative Tendenz in den wissenschaftlichen Studien“, erklärt Wondrak. Doch es gebe Möglichkeiten, die Wirksamkeit 18 neues lernen – 03/2023

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