Personalmagazin - Neues Lernen 3/2023

Wie jedes Jahr im Juni erstrahlen nun viele Firmenlogos in den Regenbogenfarben. Im sogenannten „Pride Month“ finden Demonstrationen für eine tolerante Gesellschaft und die Akzeptanz der queeren Community statt. Die Unternehmen wollen ihre Solidarität und Offenheit für eine diverse Gesellschaft bekunden – und das Arbeitgeberimage verbessern. Warum beteiligen wir uns mit Bonprix nicht auch daran? – das wollten einige Kolleginnen und Kollegen von Kirstin Hahne, Diversity-Managerin bei Bonprix, noch vor zwei Jahren wissen. Ihre Antwort wurde inzwischen viel zitiert: „Erst machen, dann malen!“ Wer nach außen ein starkes Zeichen setze, müsse auch einem Blick ins Innere standhalten können. „Mir ist es viel wichtiger, die Vielfalt und Akzeptanz füreinander hier auf dem Campus zu fördern statt Diversity als Marketingthema nach außen zu tragen“, so die klare Linie von Hahne. Heute seien sie da mit konkreten Maßnahmen schon deutlich weiter. Kirstin Hahne ist seit drei Jahren als Managerin Diversity, Equity & Belonging bei Bonprix, einer Konzerngesellschaft der Otto Group mit etwa 2.900 Mitarbeitenden weltweit, tätig – als Stabsstelle direkt beim CEO, Richard Gottwald. Ihm ist Vielfalt ein wichtiges Anliegen, das mehr Effekte als ein positives Arbeitgeberimage im Fachkräftemangel hat. Die Verantwortung für die eigenen und potenziellen Mitarbeitenden sowie das wirtschaftliche Potenzial, das eine vielfältige Belegschaft birgt, stehen im Vordergrund. Über die Vorteile einer vielfältigen Belegschaft sind sich viele Unternehmen bewusst. Fast 5.000 Unternehmen in Deutschland haben die „Charta der Vielfalt“ inzwischen unterzeichnet. Sie verpflichten sich damit selbst dazu, Vielfalt und Wertschätzung in der Arbeitswelt zu fördern. Die Studie „Diversity Trends“, die die Initiative 2020 veröffentlichte, ergab, dass zwei Drittel aller Unternehmen in Deutschland konkrete Vorteile mit Diversity Management verbinden. „Dazu zählen insbesondere die Attraktivität für bestehende und neue Beschäftigte, die Offenheit und Lernfähigkeit der Organisation sowie die Förderung von Innovation und Kreativität“, so das Studienergebnis. Mit Blick auf seine Kunden bestätigt Manfred J. Wondrak, Gründer des Wiener Beratungsunternehmens Factor D: „Die großen Konzerne sind alle schon dabei oder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Vielfalt in der Belegschaft zu erhöhen. Jetzt zieht der Mittelstand nach. Hier spielt vor allem der Druck von außen, der durch die ESG-Ratings entstanden ist, eine Rolle.“ Dabei lag bei seinen Beratungsprojekten das Thema „Gender Diversity“ in den vergangenen Jahren an erster Stelle. Inzwischen sei die Vielfaltsdimension des Alters und der generationenübergreifenden Zusammenarbeit der zweithäufigste Grund, um seine Beratungsleistung zum Thema „Diversity“ in Anspruch zu nehmen. „Die wahre Herausforderung bei der Schaffung von Vielfalt ist meines Erachtens die Berücksichtigung der soziokulturellen Herkunft“, gibt Frank Kohl-Boas, Personalchef der Zeit-Verlagsgruppe zu bedenken. „Das ist sowohl eine gesellschaftliche Aufgabe als auch eine Aufgabe der Unternehmen. Wir achten zum Beispiel bewusst darauf, dass wir nicht nur Hospitanten von Journalistenschulen beschäftigen, damit die Redaktionen vielfältiger werden, und auch Menschen, die nicht vor einem riesigen Bücherregal aufgewachsen sind, eine Chance im Journalismus bekommen.“ Sieben Vielfaltsdimensionen Die soziale Herkunft wurde erst im vergangenen Jahr bei den Vielfaltsdimensionen auf der Diversity-Agenda der „Charta der Vielfalt“ aufgenommen: 1. Geschlecht 2. Sexuelle Orientierung 3. Ethnische Herkunft und Nationalität 4. Alter 5. Behinderung 6. Religion und Weltanschauung 7. Soziale Herkunft Allerdings sollten sich Unternehmen nicht so stark auf die einzelnen Dimensionen von Diversity fixieren, betont Manfred J. Wondrak, sondern übergreifend eine offene Haltung der Mitarbeitenden fördern: „Wir müssen uns davon lösen, weil es um mehr geht: Vielfalt in all ihren Facetten muss man nicht neu schaffen. Die Belegschaften sind vielfältig. Erzeugen muss man Inklusion – eine inklusive Unternehmenskultur über alle Diversitätsmerkmale hinweg.“ Viel zitiert werde hier die treffende Aussage: „Diversity ist die Einladung zur Party, Inklusion die Aufforderung zum Tanz.“ Um den Weg zur Inklusion zu gehen, gelte es erst einmal die Barrieren abzubauen, die eine inklusive Haltung verhinderten. Unbewusste Barrieren abbauen Die größte Barriere: unbewusste Vorurteile, die alle Menschen in sich tragen, und unter dem Schlagwort „Unconscious Bias“ bekannt sind. Genau genommen sind darunter unbewusste Verzerrungen im Denken und Wahrnehmen zu verstehen, die die Beurteilung von Menschen sowie Entscheidungen beeinflussen. Das Konzept fußt auf der Forschung von Daniel Kahnemann, der 2002 für seine Arbeit dazu mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde. Text: Kristina Enderle da Silva Illustration: Tina Berning W 16 neues lernen – 03/2023

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