Personalmagazin - Neues Lernen 3/2023

Lieber loslassen »HilfreicheMaßnahmen, um Mitarbeiter zumotivieren« oder »Mitarbeitermotivation steigern – zehn goldene Regeln«: Bei solchen Überschriften zuckt Oliver Sowa zusammen. Seine Erfahrungen in der BeutlhauserGruppe zeigen, dass diese Tipps keineswegs weiterhelfen. Im Gegenteil – er ist überzeugt: Mitarbeitendemotivieren zu wollen, ist naiv, dummund ein schwerwiegender Fehler. Text: Oliver Sowa Illustration: Tina Berning B eutlhauser beschäftigt an 27 Standorten rund 1.500 Mitarbeitende. Autonom handelnde erwachsene Menschen mit unterschiedlichen Lebensläufen, ganz eigenen Stärken und Schwächen und individuellen Herausforderungen im Privatleben. Sie führen Beziehungen, gründen Familien, bauen Häuser, treffen Entscheidungen und gestalten ihre Zukunft. Es gibt keinen logischen Grund, ihnen diese Selbstwirksamkeit abzusprechen und sie zu zwingen, im Unternehmen ihr Erwachsenen-Ich abzulegen und plötzlich wieder in der Rolle des Kindes zu agieren. Doch genau das passiert, wenn Motivierungsmaßnahmen getroffen werden: Mitarbeitende werden infantilisiert, bevormundet und entmündigt. Eine Motivierung, wie beispielsweise eine finanzielle Belohnung beim Erreichen eines definierten Ziels, ist ein externer Anreiz. Beschäftigte werden manipuliert, weil sie zu bestimmten Handlungen angeleitet werden. Wer denkt, dieses Vorgehen funktioniert, sieht sich selbst in der Position eines Marionettenspielers und lässt die Mitarbeitenden bildlich gesprochen an Fäden tanzen. Kurzfristig mögen sich Erfolge einstellen, doch langfristig zahlt das Unternehmen einen hohen Preis. Die äußeren Verhältnisse verursachen immer Verhalten. In einem derart manipulativen Umfeld werden Beschäftigte automatisch ihre Eigenverantwortung ablegen und kindlich genau das tun, wozu sie gedrängt werden: Sie streben nach der Belohnung, ohne den tieferen Sinn hinter ihrem Handeln zu verstehen und möchten das Ziel nur deshalb erreichen, um den Vorteil des Anreizes abzugreifen – ein Paradebeispiel für reine Beschäftigung. Ebenso problematisch: Anreize unterstellen unterschwellig, dass Mitarbeitende nicht aus eigenem Antrieb bereit sind, ihre Leistungsfähigkeit gänzlich auszuschöpfen und das zu tun, wofür sie bezahlt werden. Sie untergraben die Urteilsfähigkeit und können dazu führen, dass der eigene Selbstwert infrage gestellt wird. Diese Faktoren führen in Kombination zu einer Misstrauenskultur und zur Zerstörung von sinnhafter Arbeit. Wer Beschäftigte mit Anreizen motivieren möchte, benutzt sie als Mittel zum Zweck, begegnet ihnen nicht auf Augenhöhe und ignoriert die Tatsache, dass Menschen zu einem hohen Grad intrinsisch motiviert sind. Sie sind leistungsfähig, wollen etwas bewirken und eigenverantwortlich handeln. Die institutionellen Rahmenbedingungen müssen ihnen dazu den Raum lassen. Ist das der Fall, ergibt Arbeit einen echten Sinn. Wir haben festgestellt, dass der Wunsch nach einer sinnerfüllten Tätigkeit alle Generationen, von der Generation Z bis zu den Babyboomern, vereint. Aus meiner Sicht gibt es nur eine einzige wirksame Motivierungsmaßnahme: De-Motivation verhindern. Das gelingt, indem im Unternehmen Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen sich das Potenzial der Mitarbeitenden vollends entfalten kann. Wo sinnerfülltes Arbeiten möglich ist, wird ein Motivationsproblem kein Thema sein. Gastkommentar OLIVER SOWA ist seit 2006 Geschäftsführer der Beutlhauser-Gruppe, einem Handels- und Dienstleistungsunternehmen in Verkauf, Vermietung und Service von Produkten und digitalen Lösungen. Er teilt regelmäßig seine Erfahrung mit der kulturellen, sozialen, organisatorischen und digitalen Transformation. 10  neues lernen – 03/2023

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