MATERIAL-NR. 04000-5071 Diversity Management: Aktuelle Forschung und praktische Implikationen quarterly PERSONAL 01 2024 | 76. Jahrgang | www.personalquarterly.de Wissenschaftsjournal für die Personalpraxis State of the Art: Generativität fördern, Generationenstereotypen entgegenwirken S. 56 BIEMANN/WECKMÜLLER Diversity, equity, and inclusion: Real progress or mere lip service? S. 6 INTERVIEW MIT LYNN M. SHORE Ich bin dagegen! Fünf Formen der Renitenz von Mitarbeitenden S. 42 VAN DER VELDE/GERPOTT Von Diversität zu Inklusion: Aktuelle Forschung zu Behinderung und Telearbeit S. 10 BÖHM/SCHERTLER/GLUMANN „Fix the system“ statt „Fix the women“ – Opt-out-Logik im Auswahlverfahren S. 49 BURCH/LÜTHI/MITROVIC/TAN/HELL Wie Führungskräfte effektiv Inklusion und Kreativität in diversen Teams fördern können S. 18 HEESE/GRGIC/HOEVER/SHEMLA/BUENGELER/LEROY
Data Date! „Daten sind das neue Öl.“ Dieser Ruf beflügelt die Fantasie von Managerinnen und Managern. Das Versprechen lautet: Wer die besseren Daten hat und diese Daten zu lesen weiß, ist dem Wettbewerb eine Nasenlänge voraus. Und kann fundiertere, bessere Entscheidungen treffen. Aber es ist wie mit allen Versprechen – wir sollten genau hinsehen. Ist das alles auch wirklich so, wie wir glauben wollen oder verfallen wir der ultimativen Datenillusion? Und welche Daten haben wir eigentlich? Welche Antworten können wir in ihnen finden? Diesen Fragen gehen wir in unserer Reihe Data Date nach. Alle vier Wochen kurz nach der Mittagspause mit dem Impuls eines Special Guest und im Gespräch mit Ihnen. Wissen & Entscheiden Jetzt anmelden unter www.haufe.de/datadate TERMINE TRANSFORMATION GESTALTEN: VERÄNDERUNGSMACHERIN WERDEN Prof. Dr. Simone Kauffeld, Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie, Technische Universität Braunschweig 10.01.2024 Evidenzbasierung im Alltag: Können wir von HR Start-ups lernen? Prof. Dr. Rüdiger Kabst, Lehrstuhl International Business, Universität Paderborn 06.12.2023 Welche Daten sollten HR-Entscheider kennen? Gerhard Fehr, CEO und Gründungspartner der Beratungsgesellschaft Fehr Advice & Partners AG TALK-REIHE Sie haben ein Data Date verpasst oder möchten schauen, welche interessanten Talks es bereits gab? In unserem Archiv finden Sie die Aufzeichnungen www.haufe.de/datadate/archiv DECISION FIRST – DATA LATER? Prof. Rob Briner, Professor of Organisational Psychology, Queen Mary University of London ARCHIV
01 / 24 PERSONALquarterly 3 EDITORIAL Claudia Buengeler Herausgeberin PERSONALquarterly Liebe Leserinnen und Leser, Diversität rückt zunehmend in den Fokus vieler Unternehmen. Neben ethischen Erwägungen und gesetzlichen Vorgaben führen u. a. Fachkräftemangel und Innovationsdruck dazu, dass Unternehmen ihre Belegschaften zunehmend diversifizieren möchten. Tatsächlich verspricht Diversität aufgrund der damit verbundenen verschiedenartigen Perspektiven, Ideen und Netzwerke mehr Kreativität, Innovation und bessere Lösungen bei komplexen Problemen. Dieses Potenzial der Diversität ist bestens belegt. Allerdings führt Diversität nicht automatisch zu besseren Ergebnissen. Unter Umständen kann sie sich sogar nachteilig auf eben diese Indikatoren auswirken. Diversity Management ist also wichtig, aber was führt zum Erfolg? In diesem Heft betrachten wir Diversität und ihr effektives Management in Organisationen aus unterschiedlichen Perspektiven. Welche Rolle spielt das Erleben von Inklusion im Management von Diversität und wie wirkt sich bspw. Telearbeit auf das Inklusionserleben aus? Welche Herausforderungen ergeben sich, wenn verschiedene abweichende Merkmale in einer Person vorliegen? Wie genau geht inklusive Führung, was sollten Führungskräfte vermeiden? Wie können Organisationen die Diversität auf ihren Führungspositionen steigern und warum gibt man Diversität eher eine Chance, wenn ein Unternehmen in der Krise steckt? Finden Sie Antworten auf diese und weitere Fragen ebenso wie Empfehlungen, wie Personalverantwortliche Fallstricke im Diversity Management vermeiden können, in diesem Heft. Ich wünsche Ihnen viel Freude und wichtige Erkenntnisse beim Lesen!
4 IMPRESSUM PERSONALquarterly 01 / 24 MANAGING EDITORS Prof. Dr. Rüdiger Kabst, Paderborn Prof. Dr. Simone Kauffeld, Braunschweig Prof. Dr. Torsten Biemann, Mannheim Prof. Dr. Claudia Buengeler, Kiel EHRENHERAUSGEBER Prof. em. Dr. Dieter Wagner, Potsdam Gegründet im Jahr 1949 IMPRESSUM Redaktion/Schriftleitung: Prof. Dr. Rüdiger Kabst (Universität Paderborn), Telefon: 05251 602804, E-Mail: redaktion@personalquarterly.de Redaktion/Objektleitung: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Reiner Straub, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg, Telefon: 0761 898-3113, E-Mail: Reiner.Straub@haufe-lexware.com Associate Review Editor: Frederic-Alexander Starmann, E-Mail: Frederic.Alexander.Starmann@uni-paderborn.de Redaktion/CvD (Chefin vom Dienst): Anja Bek, Telefon: 0761 898-3537, E-Mail: Anja.Bek@haufe-lexware.com. Redaktionsassistenz: Brigitte Pelka, Telefon: 0761 898-3921, E-Mail: Brigitte.Pelka@haufe-lexware.com Disclaimer: Mit Namen gezeichnete Artikel spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Texteinreichung: Alle Manuskripte sind an die obige Adresse der Redaktion, bevorzugt die Schriftleitung (redaktion@personalquarterly.de), zu schicken. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Beiträge werden nur nach Begutachtung im Herausgeberbeirat veröffentlicht. Näheres regelt ein Autorenmerkblatt. Dies können Sie anfordern unter: redaktion@personalquarterly.de; zum Download unter www.haufe.de/pq. Verlag: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Ein Unternehmen der Haufe Group, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg, Telefon: 0761 898-0, Fax: 0761 898-3990, Kommanditgesellschaft, Sitz Freiburg, Registergericht Freiburg, HRA 4408 Komplementäre: Haufe-Lexware Verwaltungs GmbH, Sitz Freiburg, Registergericht Freiburg, HRB 5557; Martin Laqua Geschäftsführung: Iris Bode, Jörg Frey, Matthias Schätzle, Christian Steiger, Dr. Carsten Thies, Beiratsvorsitzende: Andrea Haufe; Steuernummer: 06392/11008 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: DE812398835. Leserservice: Haufe Service Center GmbH, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg, Telefon: 0800 72 34 253 (kostenlos), Fax: 0800 50 50 446 (kostenlos), E-Mail: Zeitschriften@haufe.de Anzeigen/Media Sales: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Niederlassung Würzburg, Unternehmensbereich Media Sales, John-Skilton-Straße 12, 97074 Würzburg; Bernd Junker (verantwortlich), Telefon: 0931 2791-477, E-Mail: Bernd.Junker@haufe-lexware.com; Thomas Horejsi, Telefon: 0931 2791-451, E-Mail: Thomas.Horejsi@haufe-lexware. com Anzeigendisposition: Yvonne Göbel, Telefon: 0931 2791-470, Yvonne.Goebel@haufe-lexware.com Erscheinungsweise: vierteljährlich Internetpräsenz: www.personalquarterly.de Abonnementpreis: Jahresabonnement PERSONALquarterly (4 Ausgaben) 139 Euro inkl. MwSt., Porto- und Versandkosten. Bestell-Nummer: A04000_DIR. Copyright: Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Publikation darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags bzw. der Redaktion nicht vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie sowie die Aufnahme in elektronische Medien (Datenbanken, CD-ROM, Disketten, Internet usw.) Layout: Maria Nefzger, Ruth Großer Titelbild: HomePixel / gettyimages.de Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, ISSN 2193-0589
5 INHALT 01 / 24 PERSONALquarterly SCHWERPUNKT 6 Diversity, equity, and inclusion: Real progress or mere lip service? Interview mit Lynn M. Shore 10 Von Diversität zu Inklusion: Aktuelle Forschung zu Behinderung und Telearbeit Prof. Dr. Stephan A. Böhm, Magdalena Schertler und Nicola V. Glumann 18 Wie Führungskräfte effektiv Inklusion und Kreativität in diversen Teams fördern können Claudia Heese, Julia M. Grgic, Dr. Inga J. Hoever, Prof. Dr. Meir Shemla, Prof. Dr. Claudia Buengeler und Dr. Hannes Leroy 26 Frauen rekrutieren – aber wie? Signale in Stellenanzeigen Dr. Tanja Hentschel 33 Die gläserne Klippe für Frauen in Führungspositionen – neueste Forschungserkenntnisse Dr. Max Reinwald und Prof. Dr. Florian Kunze 38 Junge Führungskräfte: Abwertung aufgrund von Alter und Geschlecht am Arbeitsplatz Christoph Daldrop NEUE FORSCHUNG 42 Ich bin dagegen! Fünf Formen der Renitenz von Mitarbeitenden Anna van der Velde und Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott 49 „Fix the system“ statt „Fix the women“ – Opt-out-Logik in Auswahlverfahren Stefanie Burch, Jasmine Lüthi, Tanja Mitrovic, Heleni Tan und Prof. Dr. Benedikt Hell STATE OF THE ART 56 Unternehmen sollten Generativität fördern und Generationenstereotypen entgegenwirken Prof. Dr. Torsten Biemann und Professor Dr. Heiko Weckmüller ESSENTIALS 60 Rezensionen: Richtungsweisendes aus internationalen Top-Journals Johannes Brunzel, Peter Göhre SERVICE 62 Die Fakten hinter der Schlagzeile: Bedeutet mehr Pendeln mehr Stress? 64 Forscher im Porträt: Prof. Dr. Markus Gmür, Université de Fribourg 66 Den PERSONALquarterly-Fragebogen beantwortet Annette Hugger, DEVK Versicherungen
6 PERSONALquarterly 01 / 24 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly: Diversity, equity, and inclusion (DEI) are a big theme in organizations nowadays. What explains this? Do you see real progress or is it mainly “lip service”? Lynn Shore: DEI is a big theme because it is recognized as important to address in work organizations by employees, leaders, and broader society. There is progress as shown by the hiring of managers who are responsible for DEI in their organizations. The degree to which organizations take DEI seriously varies. However, it is risky for an organization to publicly commit to increasing diversity, equity, and inclusion without taking concrete actions. Minoritized groups pay attention to whether concrete actions to advance DEI are taken, or if it is merely marketing or PR. PERSONALquarterly: What does inclusion mean, and how is inclusion different from diversity and equity? Lynn Shore: Inclusion refers to employee experiences of being valued for their distinctive characteristics while also experiencing belonging at work. A key issue for organizations to tackle is to create an environment in which individuals of all backgrounds, not just those who are members of historically powerful groups, experience inclusion. In sum, inclusion involves equal opportunity for members of socially marginalized groups to join and contribute while simultaneously providing opportunities for members of non-marginalized groups, and to support employees in their efforts to be fully involved at all levels of the organization. Diversity refers to all characteristics of employees that signify potential differences in perspective and experience. When the term “diversity” is used, people often think about members of minoritized identities such as race/ethnicity, gender, age, and sexual orientation. Other backgrounds have also been found to contribute to diverse perspectives, such as education, occupation, and country of origin. Diversity additionally includes areas of difference that are both visible and invisible (e.g., disability, gender identity), and surface and deep-level diversity (e.g., neurodiversity). Many studies have found that individuals who are different in these key ways from others in their work environment are excluded from decision-making, social events, or promotion opportunities. In inclusive environments, differences are appreciated, and these negative consequences are less likely to occur. Equity is the fair treatment, access, opportunity, and advancement for all people, while giving them the varied resources they need to succeed. Equity recognizes that some people are advantaged relative to others due to their backgrounds and identities. Equality is sometimes confused with equity but is quite different as it refers to giving everyone the same resources. While treating everyone the same can appear to be fair, it may disadvantage members of minoritized groups. Inclusion counters the challenges associated with assumptions of fairness underlying equality by appreciating the distinctions that varied backgrounds and identities bring rather than assuming that everyone is the same. PERSONALquarterly: Why is inclusion in organizations important? Do you have a concrete example? Lynn Shore: Inclusion is important in organizations because it facilitates opportunities for employee contributions. Organizations face many novel challenges that require new and different ways of thinking to provide good solutions. An example is the challenges associated with COVID-19. Organizations had to create hybrid and virtual ways of conducting work while also addressing employee personal challenges associated with the pandemic including illness and homeschooling. The separation between work and family was no longer assumed, and oftentimes, not possible for employees. Leaders who were able to create arrangements that met the needs of employees while also meeting the needs of their organizations successfully survived, and in some cases, thrived. The ability to utilize a variety of perspectives and ways of thinking that we find associated with diversity was critical to this success. Inclusionary environments facilitate perspective sharing that allow organizations to address complex problems more swiftly. PERSONALquarterly: What outcomes does inclusion generate? What indicators should organizations adopt to know that they made progress? Can full inclusion ever be reached, and do you see it colliding with business imperatives? Diversity, equity, and inclusion: Real progress or mere lip service? Das Interview mit Lynn M. Shore führte Prof. Dr. Claudia Buengeler
7 01 / 24 PERSONALquarterly Lynn Shore: Inclusion can occur in many ways, including through the organizational climate, the leader, and the workgroup. An inclusive climate can have far-reaching effects by setting the stage for supporting inclusion at all levels of the organization. Studies show that such a climate is associated with greater employee commitment and innovation. Leaders who are inclusive promote employee experiences of psychological safety, voice, and impact on decision-making. Inclusive workgroups enhance employee performance and creativity. Indications of inclusion progress should include organizational surveys or focus groups with an emphasis on employee perceptions of inclusion in decision-making, feeling psychologically safe, and receiving dignity and respect from their manager and coworkers. In addition, organizations should keep records of voluntary turnover trends, and whether certain identity groups, such as those who are minoritized, have unacceptably high rates of turnover. Inclusion can be a challenge in diverse teams because differences in perspective can take more time to consider and to understand. However, research on creativity makes clear that sharing different perspectives before making decisions can be very beneficial. Leaders play an important role in emphasizing the value of different backgrounds and perspectives. They also need to be aware of and seek to address exclusionary treatment such as ignoring some people’s contributions to the group’s success. Inclusion of all group members is an actionable goal. Creating an environment in which people feel they are esteemed members of the workgroup and organization (belonging) while being able to authentically share their perspective (valued for their distinctiveness) is doable and should be a key element of the organization’s culture. For some organizations this will be aspirational, while others operate to support inclusion through the philosophy and actions of their leaders. PERSONALquarterly: Do all organizational members and groups like inclusion efforts equally? And is inclusion still ‘exclusive’ for certain groups (e.g., regarding individuals on the autism spectrum or those with mental health issues)? Lynn Shore: There is fear among some individuals that organizations operate in a “zero sum game” environment in which recruitment of members of minoritized groups lowers opportunities for members of traditionally powerful groups. True inclusion should “grow the pie” as members of the organization are given the opportunity to more fully contribute and experience appreciation at work. A key element of inclusive organizations is to promote learning. When an employee differs from the majority, managers and coworkers who they work with can create an experience of inclusion through learning about those differences and treating them respectfully. DR. LYNN M. SHORE Professor, Management Academic Department Partners for Excellence Fellowship E-Mail: lynn.shore@colostate.edu Lynn M. Shore - CSU College of Business (colostate.edu) Lynn M. Shore is the Partners for Excellence Professor at Colorado State University. She has been a Visiting Scholar at Ghent University, University of California, Irvine, London School of Economics and Political Science, and Chinese University of Hong Kong. Lynn studies the employee-organization relationship and work force diversity and inclusion. In the area of employment relationships, she has studied Perceived Organizational Support, psychological contracts, Leader-Member Exchange, and international aspects of employment relationships. Lynn’s work on diversity and inclusion focuses on making workplaces more inclusive by creating inclusive climates, and helping leaders become more inclusive. Lynn’s work has appeared in elite scholarly journals such as AMJ, AMR, JAP, Personnel Psychology, JOM, and JOB. Lynn served as Associate Editor of Journal of Applied Psychology and has held many leadership roles in the Academy of Management. She has also worked with a variety of organizations in efforts to enhance employees’ experiences at work. © 2016 COLORADO STATE UNIVERSITY
8 PERSONALquarterly 01 / 24 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly: Who “does” inclusion? Who should be “doing” inclusion? Lynn Shore: Inclusion can be done by anybody in the organization but is particularly impactful in the workgroup. This immediate environment affects day-to-day experiences. Members of top management play an important role in creating policies and practices that support inclusion, but also role model inclusion through their behavior and decision making. A key responsibility for all managers is to promote inclusion and be watchful of situations that may increase exclusion. PERSONALquarterly: What advice can you give to organizations who want to become inclusive? Lynn Shore: A first step to increasing inclusion is to survey employees to find out about their experiences of inclusion and exclusion in the organization. This provides a basis for understanding what is going well and what changes may be needed to become broadly inclusive. Openness to employee feedback while communicating action steps to address needed improvements will begin the process of inclusivity. Training managers will help with inclusion skill development. In particular, training needs to help managers understand and practice the behaviors that enhance experiences of inclusion, such as listening to others in a respectful manner, and considering a variety of perspectives when making decisions. PERSONALquarterly: What are the critical hurdles in the implementation of inclusion? Lynn Shore: Commitment to creating an inclusionary environment at all organizational levels is essential. Organizations can consider increasing accountability through 360 performance assessments of inclusionary behavior and provide rewards and recognition for improvement. This encourages commitment to being a facilitator of inclusion in the work environment. PERSONALquarterly: What can managers do (or stop doing) concretely to promote inclusion in their interactions with employees? And what role do peers play? Lynn Shore: Managers need to honestly examine their own behavior in relation to their team, or to peers. Playing favorites can be a big problem as other people recognize that they are not as valued or included by their manager or by a colleague. While it is a natural human tendency to favor others who are similar to ourselves, such behavior sends a clear message that some employees are included more than others. This raises concerns of fairness and exclusion. So humbly recognizing the behavior that favors some over others, and seeking ways to address this propensity, will help employees and managers to promote inclusion. PERSONALquarterly: Is artificial intelligence (AI) a threat or an opportunity for DEI in organizations? Do you have an example? Lynn Shore: AI is a threat as it relies on past decision-making, which may in fact be biased and exclusionary. As an example, HR professionals in organizations make predictions of future success based on models derived from primarily white males who succeeded at the organization in the past. Such models need to be carefully examined, with the goal of creating a data base of information about the different ways that a variety or organizational members contribute to success. PERSONALquarterly: What role do mobile and hybrid work play in achieving or hindering DEI? Lynn Shore: Human interactions, whether in person or virtually, are the primary means by which people determine whether they are included or excluded. Being left off email threads or expressions of disinterest are just some of the subtle ways in which people determine that they are not included. Creating inperson meetings and activities, where employees can interact with one another, can provide a foundation for experiences of inclusion. But just as important are the oftentimes “nonhuman” interactions via email and exchange of documents. These need to be carefully crafted and inclusionary in tone and action. Essential to these types of work arrangements is the perception that all parties involved are trustworthy and consistently demonstrate respectful treatment in which the individual feels valued and included. PERSONALquarterly: What will the future of DEI in organizations look like? What novel trends in DEI research do you see coming? Lynn Shore: The world of work is an increasingly global one. People are interacting with others at work who can be quite different than themselves. This trend will continue and requires an appreciation for diversity and inclusion at work. Organizations that create inclusionary environments in which differences are recognized and appreciated will be most successful in this more complex and multicultural work environment. There are many trends in DEI research. These are often driven by the challenges faced by organizations, and the clear need for ways to address those challenges. Given the increasing number of global companies, one trend will be to examine how inclusion practices can enhance the performance of global teams. Another trend will be to examine how inclusion operates between coworkers, the role and impact of the team leader as a source of inclusion, and the influence of organizational leaders on employee experiences of inclusion. Finally, studies of exclusion at work are rare, and yet this painful employee experience has inspired a lot of the
9 01 / 24 PERSONALquarterly “Inclusion can be a challenge in diverse teams because differences in perspective can take more time to consider and to understand. However, research on creativity makes clear that sharing different perspectives before making decisions can be very beneficial.” Lynn M. Shore interest in research on inclusion. Research on workplace exclusion is beginning to emerge and will likely grow in the coming years. PERSONALquarterly: On a personal note, what got you fascinated in this topic personally and how has it impacted your life? What are your inclusion “hacks” that you practice in your daily work life? Lynn Shore: I grew up in a large university town in which diversity was the norm. I had friends from many backgrounds and enjoyed the experience of learning about their families and traditions. I also witnessed the challenges associated with these cultural and background differences, sometimes contributing to conflicts and individual experiences of exclusion. Thus, as a researcher I sought to grow the body of knowledge about how work organizations could increase inclusion. I am a lifelong learner, and truly enjoy learning about people and their experiences at work. Listening carefully, treating others with respect and dignity, and encouraging students and colleagues to act inclusively are key elements of my goal of contributing to a more inclusive world. PUBLICATIONS Henle, C./Shore, L./Morton, J./Conroy, S. (in press): Putting a spotlight on the ostracizer: Intentional workplace ostracism motives. Group and Organization Management Shore, L. M./Chung, B.G. (2022): Enhancing leader inclusion while preventing social exclusion in the work group. Human Resource Management Review. Early online access. Shore, L. M./Chung, B.G. (2021): Inclusive leadership: How leaders sustain or discourage workgroup inclusion. Group and Organization Management. Early online access. Chung, B./Ehrhart, K. H./Shore, L. M./Dean, M./Randel, A./Kedharnath, U. (2020): Work Group Inclusion: Test of a Scale and Model. Group and Organization Management. 45(1) 75–102. Shore, L. M./Cleveland, J. N./, & Sanchez, D. (2018): Inclusive Workplaces: A Review and Model. Human Resource Management Review, 28(2), 176-189. https:// doi.org/10.1016/j.hrmr.2017.07.003 Randel, A., Galvin, B., Shore, L.M., Chung, B., Ehrhart, K.H., Dean, M., & Kedharnath, U. (2018): Inclusive leadership: Realizing positive outcomes through a focus on belongingness and being valued for uniqueness. Human Resource Management Review. 28(2), 190-203. https://doi.org/10.1016/j.hrmr.2017.07.002 Randel, A.E., Dean, M.A., Ehrhart, K.H., Chung, B.G., & Shore, L.M. (2016): Leader inclusiveness, psychological diversity climate, and helping behaviors. Journal of Managerial Psychology, 31(1),216-234. Shore, L.M., Randel, A.E., Chung, B.G., Dean, M.A., Ehrhart, K.H., Singh, G. (2011): Inclusion and diversity in work groups: A review and model for future research. Journal of Management, 37(4), 1262-1289.
PERSONALquarterly 01 / 24 10 SCHWERPUNKT_DIVERSITY MANAGEMENT Effektives Management von Diversität hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Verschiedene Entwicklungen wie die zunehmende Migration, die steigende Erwerbsteilnahme von Frauen sowie der demografische Wandel führen dazu, dass Teams immer diverser werden. Vor dem Hintergrund einer zunehmend älter werdenden Belegschaft gewinnt auch das Thema Behinderungsdiversität stetig an Relevanz (Boehm/Dwertmann, 2015). Diversität am Arbeitsplatz ist aus unterschiedlichen Gründen zu begrüßen, sei es aus moralischer Perspektive und dem Ruf nach mehr Gerechtigkeit oder aus wirtschaftlicher Perspektive, da ein breiterer Talentpool Wettbewerbs- und Innovationsvorteile verspricht. Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass diversere Teams das Potenzial für eine höhere Kreativität und Leistung haben und besser komplexe Probleme lösen können (Homan et al., 2015; van Knippenberg et al., 2004). Gleichzeitig kann Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation aber auch eine Quelle für Konflikte und Kommunikationsprobleme sein (Jackson et al., 2003; Nishii, 2013). In Wissenschaft und Praxis hat sich daher zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass Diversität eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für nachhaltigen Unternehmenserfolg ist. Tatsächlich scheint es erforderlich, Diversität nicht nur zu schaffen, sondern sie auch aktiv zu gestalten. Ein Faktor, der sich als besonders wichtig für das Funktionieren diverser Einheiten herausgestellt hat, ist das Inklusionsgefühl der Mitarbeitenden: Fühlen sich alle Mitarbeitenden inkludiert, lassen sich die Herausforderungen von Diversität meistern und die Chancen bestmöglich nutzen. Der positive Effekt von Inklusion zeigt sich konsistent bei unterschiedlichsten Diversitätskategorien (z. B. Behinderung, Geschlecht, Alter, Kultur) und bei allen Mitarbeitenden unabhängig davon, ob sie einer marginalisierten Gruppe angehören oder nicht (Dwertmann/Boehm, 2016; Nishii, 2013; Shore et al., 2018). Megatrends, wie die zunehmende Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeit, schaffen dabei immer wieder neue Rahmenbedingungen für das Inklusionserleben von Mitarbeitenden. Effektives Diversity Management sollte daher hier ansetzen und das Inklusionsgefühl Von Diversität zu Inklusion: Aktuelle Forschung zu Behinderung und Telearbeit Von Prof. Dr. Stephan A. Böhm, Magdalena Schertler und Nicola V. Glumann (Universität St.Gallen) aller Mitarbeitenden aktiv und auf den Kontext abgestimmt fördern. Hierfür ist es zunächst notwendig, Inklusion zu definieren und zu operationalisieren. Der St. Gallen Inclusion Index Einen Ansatz zur Messung von Inklusion stellt der St. Gallen Inclusion Index dar, der Inklusion als Prozess versteht, der auf zwei Ebenen stattfindet und dabei vier Dimensionen umfasst: Auf individueller Ebene stellen ein Gefühl der Zugehörigkeit sowie Authentizität (Jansen et al., 2014) wichtige Schlüsseldimensionen von Inklusion dar. Auf der Teamebene sind Chancengleichheit und Perspektivenvielfalt (Dwertmann et al., 2016; Nishii, 2013) zentrale Faktoren für eine erfolgreiche Inklusion. Alle vier Dimensionen werden im St. Gallen Inclusion Index integriert und operationalisiert (SGII; Baumgärtner et al., 2023). Zugehörigkeit, als erste Dimension des Index, beschreibt ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, das schon seit Langem erforscht wird. Wie neueste metaanalytische Ergebnisse zeigen, gehen soziale Ausgrenzung und ein Mangel an Zugehörigkeit mit einer geringeren Lebenserwartung und einer höheren Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs einher (Wang et al., 2023). Auch im Unternehmenskontext ist es für die Mitarbeitenden von elementarer Bedeutung, sich ihrem Team zugehörig zu fühlen. Hierdurch werden Konflikte reduziert und die Bildung von Subgruppen wird stark verringert. Ein zu ausgeprägtes „Wirgefühl“ kann allerdings auch einen Preis haben, da es potenziell zu Gruppendenken führen kann. Unter Gruppendenken versteht man die Tendenz, Entscheidungen innerhalb einer Gruppe weniger kritisch zu hinterfragen und stattdessen die Solidarität mit der Gruppe in den Vordergrund zu stellen, was zu fehlerhaften Entscheidungsprozessen führen kann. An dieser Stelle kommt die zweite Dimension des Index ins Spiel: Authentizität (Jansen et al., 2014; Schertler et al., in press). Die Zugehörigkeit zur Gruppe sollte nämlich nicht um den Preis einer zu starken Anpassung erkauft werden müssen, die die Potenziale von Diversität (u. a. andere Erfahrungen, Einstellungen, Wissensbasen, soziale Netzwerke) vermindert. Nur wenn Mitarbeitende am Arbeitsplatz sie selbst sein und
11 01 / 24 PERSONALquarterly ihre Meinung und Ideen in einem sicheren Rahmen frei einbringen können, wird Assimilation verhindert und Kreativität gefördert (Shore et al., 2011). Gerade Angehörige von marginalisierten Gruppen laufen ansonsten oftmals Gefahr, dass sie glauben, ihr eigenes Selbst verleugnen zu müssen. Nur wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, zu einer Gruppe zu gehören und sich gleichzeitig selbst treu bleiben zu können, sind die ersten beiden Dimensionen von Inklusion erfüllt. Inklusion ist jedoch nicht nur eine individuelle Erfahrung, sondern auch für Teams als Ganzes entscheidend. Zunächst gilt es hier, ein gemeinsames Gefühl von Chancengleichheit zu etablieren. Teams und Organisationen müssen sicherstellen, dass gleiche Arbeit auch gleich bezahlt wird und Mitarbeitende einen gleichberechtigten Zugang zu Informationen, Weiterbildung und Beförderungen haben und mit einer fairen Leistungsbewertung rechnen können - unabhängig von ihrer Herkunft oder demografischen Charakteristika (Nishii, 2013). Darüber hinaus sollten alle Mitarbeitenden, insbesondere Mitglieder historisch marginalisierter Gruppen, gleichermaßen Zugang zu einflussreichen Führungskräften haben (z. B. durch Mentoring-Programme; Dwertmann et al., 2016). Eine solche Fairness bezieht sich auf den gesamten „Lebenszyklus“ der Mitarbeitenden, von der Einstellung bis hin zum Angebot gleicher Flexibilität bei Arbeitszeitmodellen wie Altersteilzeit. Schließlich stellt Perspektivenvielfalt eine weitere kollektive Dimension von Inklusion auf der Teamebene dar. Perspektivenvielfalt meint, dass Organisationen unterschiedliche Meinungen nicht nur akzeptieren, sondern ihre Mitarbeitenden aktiv dazu ermutigen, ihre Gedanken zu äußern, ihre Ideen über demografische Grenzen, Rollen und Ebenen hinweg auszutauschen und den Status quo infrage zu stellen (Baumgärtner et al., 2023). Dabei erkennen Teams und Organisationen den Vorteil, den das Einbeziehen verschiedener Perspektiven für ihr Unternehmen haben kann und stellen hieraus Synergien ABSTRACT Forschungsfrage: Dieser Beitrag beleuchtet zwei Kernthemen der modernen Arbeitswelt: (1) Die Inklusion von Menschen mit Behinderung und (2) die Auswirkungen von Telearbeit auf das Inklusionserleben. Methodik: Die Ergebnisse basieren auf bevölkerungsrepräsentativen Längsschnittdaten. Es wurden halbjährlich rund 8.000 Beschäftigte in Deutschland befragt. Praktische Implikationen: (1) Mitarbeitende mit Behinderung fühlen sich weniger inkludiert, daher ist die Förderung von Inklusion für diese Beschäftigten zentral. (2) Telearbeit bringt neue Herausforderungen für Inklusion. Inklusionsbestreben müssen daher an diesen Kontext angepasst werden. Quelle: University of St. Gallen Abb. 1: St. Gallen Inclusion Index mit den Dimensionen Zugehörigkeit, Authentizität, Chancengleichheit und Perspektivenvielfalt und je einem Beispiel-Item St. Gallen Inclusion Index Zugehörigkeit Perspektiven- vielfalt Authentizität Chancengleichheit „Mein Team gibt mir das Gefühl, dazuzugehören.“ „Mein Team lässt mich authentisch sein.“ „In meinem Team können alle Mitarbeitenden ihre Ideen und Meinungen einbringen.“ „In meinem Team gibt es für alle Mitarbeitenden faire Aufstiegschancen.“
PERSONALquarterly 01 / 24 12 SCHWERPUNKT_DIVERSITY MANAGEMENT ziehungen entwickeln und nutzen, um das Spannungsfeld von Erreichbarkeit und Abgrenzung, Autonomie und Eingebundenheit sowie Produktivität und Erholung erfolgreich und gesund zu gestalten. Die wiederholten Befragungen erlauben es, komplexe statistische Modelle zu rechnen und Auswirkungen von Veränderungen, wie bspw. vermehrter Telearbeit (das Arbeiten außerhalb der offiziellen Büroräumlichkeiten), zu untersuchen. Damit liefert dieses Projekt eine starke Datenbasis, um Diversität und Inklusion im Lichte aktueller Megatrends zu erforschen und evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für Führungskräfte abzuleiten. Im Folgenden wird auf zwei Kernthemen des CDI-HSG eingegangen und es sollen aktuelle Ergebnisse zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen sowie zu den Konsequenzen von Telearbeit für das Inklusionsgefühl von Mitarbeitenden vorgestellt werden. Kernthema 1: Die Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz Obwohl Inklusion für alle Mitarbeitenden wichtig ist und zur nachhaltigen Leistungsfähigkeit aller beiträgt, gibt es marginalisierte Gruppen am Arbeitsplatz, deren Inklusion besonders gefördert werden sollte. Dazu gehören Menschen mit Behinderungen, die auch heute noch am Arbeitsmarkt benachteiligt werden, was sich durch niedrigere Beschäftigungsquoten, für die Erreichung gemeinsamer Ziele her. Eine Übersicht über alle vier Dimensionen des St. Gallen Inclusion Index inklusive eines jeweiligen Beispiel-Items zeigt Abbildung 1. Evidenzbasiertes Inklusionsmanagement Mit dem oben beschriebenen St. Gallen Inclusion Index wurde am Center for Disability and Integration der Universität St. Gallen (CDI-HSG) eine Möglichkeit entwickelt, um Inklusion auf mehreren Ebenen zu messen und damit gestaltbar zu machen. Die Forschung am CDI-HSG besteht bereits seit 15 Jahren, mit einem Fokus auf Fragen rund um Gesundheit und Inklusion. Mit dem Ziel, Organisationen bei einem evidenzbasierten Diversity Management zu unterstützen, steht die Gewinnung belastbarer Daten stets am Anfang der gemeinsamen Aktivitäten. Beispielhaft kann hierfür eine Kooperation mit der Deutschen Krankenversicherung Barmer genannt werden. Seit dem Jahr 2020 führen wir gemeinsam eine bevölkerungsrepräsentative Studie in Deutschland durch, für die alle sechs Monate 8.000 Beschäftigte befragt werden. Unter dem Titel „social health@ work“ wird eine neue Dimension des Gesundheitsbegriffs beleuchtet, der insbesondere in Zeiten der Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeit sowie der Coronapandemie an Bedeutung gewann. Social health@work beschreibt dabei einen Zustand des sozialen Wohlbefindens im Arbeitskontext, bei welchem Personen gesunde Verhaltensweisen und ArbeitsbeAbb. 2: Inklusion von Mitarbeitenden mit und ohne Behinderung nach dem St. Gallen Inclusion Index Quelle: Universität St. Gallen 4,5 4,3 4,1 3,9 3,7 3,5 3,3 3,1 2,9 2,7 2,5 Authentizität Zugehörigkeit Perspektivenvielfalt Chancengleichheit Wahrnehmung von Inklusion im Team 4.007 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählte Beschäftigte aus Deutschland wurden zur Wahrnehmung von Inklusion in ihrem Team befragt (1 = sehr niedriges Inklusionsgefühl, 5 = sehr hohes Inklusionsgefühl). 3,8 4,0 3,6 3,5 3,7 4,0 3,5 3,4 3,7 3,9 3,4 3,3 3,6 3,8 3,3 3,1 Keine Behinderung Körperliche Behinderung Psychische Behinderung Körperliche und psychische Behinderung
13 01 / 24 PERSONALquarterly Unsicherheit über den Erhalt der Arbeitsstelle und niedrigere Löhne bemerkbar macht (Konrad et al., 2013). Obwohl Menschen mit Behinderungen häufig sehr gut ausgebildet sind und wertvolle Arbeitskräfte für ein Unternehmen darstellen, herrschen weiterhin Vorurteile und eine Defizitperspektive beim Thema Behinderung am Arbeitsplatz vor (Dalgin, 2018). Die bevölkerungsrepräsentative Studie social health@work erlaubt einen detaillierten Einblick in die Arbeitsplatzsituation von Menschen mit Behinderung im ersten Arbeitsmarkt in Deutschland. Die Daten legen nahe, dass sich Mitarbeitende mit Behinderung am Arbeitsplatz weniger inkludiert fühlen als Mitarbeitende ohne Behinderung. Dies zeigt sich besonders stark bei Mitarbeitenden, die eine psychische Behinderung haben (z. B. Angststörung, Depression oder posttraumatische Belastungsstörung; vgl. Abb. 2). Daneben wird auch Neurodiversität (das heißt, wenn das Gehirn einer Person Informationen anders verarbeitet, anders lernt und/oder diese Person sich anders verhält als das, was als typisch angesehen wird) zunehmend als eine wichtige Dimension der organisatorischen Vielfalt anerkannt. Sowohl Unternehmen als auch Wissenschaftler fordern eine aktive Eingliederung in die moderne Arbeitswelt, da die neurodiverse Bevölkerung überdurchschnittlich stark von Unterbeschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit betroffen ist. Die Zahlen zeigen deutlich, dass es nicht nur weiterer Maßnahmen bedarf, damit mehr Menschen mit Behinderungen eine Arbeitsstelle im ersten Arbeitsmarkt finden, sondern auch ein Klima von Inklusion am Arbeitsplatz gefördert werden muss, damit sich Menschen mit Behinderungen genauso inkludiert fühlen wie Menschen ohne Behinderungen. Inklusion im Team effektiv fördern Das Verhalten von Führungskräften und Arbeitskollegen hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie inkludiert sich Teammitglieder fühlen und ob Mitarbeitende mit Behinderung Inklusion im Team erleben. Im Arbeitsalltag gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, Inklusion auf allen Dimensionen zu fördern, von denen hier einige vorgestellt werden sollen. Zugehörigkeit: Fördern Sie ein respektvolles Klima Wer von seinem Team respektvoll und wertschätzend behandelt wird, fühlt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zugehörig. Daher sollten Sie zu einem respektvollen Teamklima beitragen, indem Sie selbst in dieser Weise handeln und keine Diskriminierung in Ihrem Team erlauben. Ein wichtiges Instrument, mit dem Sie alltäglich eine respektvolle Haltung ausdrücken können, ist Sprache. Nutzen Sie inklusive Sprache, um zu signalisieren, dass es Ihnen wichtig ist, alle Personen einzubeziehen. Achten Sie dafür darauf, dass Sie sich diskriminierungsfrei, wertschätzend und verständlich ausdrücken. Verwenden Sie bspw. den Begriff „Mensch mit Behinderung“ anstatt Personen über Ihre Behinderung zu definieren, indem Sie „Behinderter“ benutzen. Achten Sie darauf, wie über psychische Gesundheit gesprochen wird: Wird diese ernst genommen oder eher abgetan? Schreiten Sie ein, wenn Sie abwertende Sprüche oder Witze beobachten, auch wenn augenscheinlich niemand der Anwesenden betroffen scheint. So können Sie im Alltag ein inklusives Teamklima fördern. Authentizität: Ermöglichen Sie Offenlegung Zeigen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen, dass sie auch am Arbeitsplatz authentisch sein können. Dabei ist es wichtig zu bedenken, dass Diversität nicht immer offensichtlich ist. Bspw. ist ein Großteil der Behinderungen nicht sichtbar (ca. 80 %; Becker/Otto-Albrecht, 2019) und es gibt viele weitere Diversitätskategorien, die unsichtbar sein können (z. B. sexuelle Orientierung, Religion). Manche Mitarbeitenden stehen somit vor der Entscheidung, ob sie gewisse Informationen über sich selbst teilen sollen oder nicht. Die Forschung hat gezeigt, dass das Verdecken solcher Informationen kognitiv und psychisch belastend sein kann, was sich negativ auf Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Betroffenen auswirkt (Jones/King, 2014). Im Fall von Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen ist Offenlegung sogar notwendig, um Arbeitsplatzanpassungen anbieten zu können. Gleichzeitig befürchten viele Betroffene negative Konsequenzen nach einer Offenlegung, z. B. schlechtere Karrierechancen, Zurückweisung oder Diskriminierung durch Kolleginnen und Kollegen (Cooper et al., 2020). Kommunizieren Sie daher, dass Sie ein offenes Ohr für Ihre Kollegen haben und Betroffene nach Offenlegung mit Ihrer Unterstützung rechnen können. Nehmen Sie es ernst, wenn Kollegen ihre Sorgen mit Ihnen teilen, z. B. indem Sie aktiv positiv darauf reagieren. Sie könnten sich bspw. für das Vertrauen bedanken und fragen, wie Sie Ihr Gegenüber unterstützen können. Chancengleichheit: Reflektieren Sie potenzielle „Unconscious Bias“ Jeder von uns hat gewisse Vorurteile oder stereotype Erwartungen gegenüber anderen und ein Großteil davon ist unbewusst. Am Arbeitsplatz können solche unbewussten Einstellungen dazu führen, dass Mitglieder bestimmter Gruppen bevorteilt und andere benachteiligt werden, ohne dass dies beabsichtigt ist. Eine häufige Angst von Menschen mit Behinderungen im Arbeitskontext ist es, aufgrund der Behinderung negative Konsequenzen (z. B. geringere Aufstiegschancen) zu haben. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass ein weitverbreitetes Vorurteil Menschen mit Behinderungen fälschlicherweise weniger Kompetenz und Belastbarkeit zuspricht (Jammaers et al., 2016). Setzen Sie sich daher gezielt damit auseinander, wie Chancengleichheit in Ihrem Team gelebt wird. Wie wird bspw. entschieden, wer eine Weiterbildung besuchen darf oder zu einer Networking-Veranstaltung eingeladen wird? Wer be-
PERSONALquarterly 01 / 24 14 SCHWERPUNKT_DIVERSITY MANAGEMENT kommt vielversprechende Aufgaben und wem wird innerhalb des Teams weniger Aufmerksamkeit geschenkt? Machen Sie sich Ihre unbewussten Einstellungen bewusst und reflektieren Sie die Bedingungen für Chancengleichheit in Ihrem Team. Nehmen Sie sich dafür explizit und regelmäßig Zeit (z. B. halbjährlich). Dadurch können Sie sich unbewusste Einstellungen und Erwartungen bewusst machen, Ihr eigenes Verhalten entsprechend anpassen und auf Ungerechtigkeiten im Team aufmerksam machen. Perspektivenvielfalt: Schaffen Sie ein sicheres Umfeld Um Perspektivenvielfalt im Team erleben und nutzen zu können, benötigen Mitarbeitende ein Umfeld, in dem sie zwischenmenschliche Risiken eingehen können. Damit ist gemeint, dass Personen ihre Sichtweisen äußern können, ohne Bestrafung oder Demütigung durch die Gruppe fürchten zu müssen. Als Führungskraft oder als Teammitglied können Sie auf Verhalten im Team achten, dass das Sicherheitsgefühl im Team fördert bzw. untergräbt. Dazu gehören bspw. abschätzige Gesten (z. B. Augen verdrehen), wiederholtes Unterbrechen und Nichtbeachtung von Ideen bestimmter Personen. Gerade wenn solche augenscheinlich kleinen Diskriminierungen einer Person gehäuft widerfahren, kann dies sehr belastend sein. Es kann dazu führen, dass sich die Person nicht wertgeschätzt fühlt und sich weniger traut, ihre neuartige oder abweichende Sichtweise zu teilen. Häufig sind Mitglieder von marginalisierten Gruppen betroffen, wie eben Mitarbeitende mit Behinderungen. Nehmen Sie es daher ernst, wenn Sie solch ein Verhalten beobachten und schreiten Sie ein. Bei Bedarf können konkrete Regeln im Team helfen, um ein sicheres Umfeld für alle zu gewährleisten. Kernthema 2: Inklusion in Zeiten von Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeit Die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Daher gilt es auch zu untersuchen, wie sich Veränderungen wie die zunehmende Flexibilisierung und Digitalisierung von Arbeit auf das Inklusionserleben von Mitarbeitenden auswirken. Spätestens seit Beginn der Coronapandemie hat sich das Thema Telearbeit zu einem Megatrend entwickelt. Nachdem in Pandemiezeiten viele Regeln diesbezüglich gelockert wurden und mehr Menschen als je zuvor ihre Arbeitszeit im Homeoffice verbrachten, sehen wir heute vermehrte Diskussionen darüber, ob diese Flexibilität wieder eingeschränkt werden sollte. Viele Unternehmen rufen ihre Mitarbeitenden zurück in die Büros. Dabei ist noch unklar, wie genau sich vermehrte Telearbeit auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden auswirkt. Wir haben uns aus der Diversitäts- und Inklusionsperspektive mit dieser Frage beschäftigt (Schertler et al., in press). Die Langzeitdaten, die wir in unserer bevölkerungsrepräsentativen Studie in Deutschland sammeln konnten, liefern dafür eine hervorragende Datenbasis. Um zu untersuchen, wie sich Telearbeit auf Inklusion auswirkt, wurden 2.380 Beschäftigte, deren Tätigkeit für Telearbeit geeignet war, befragt. Da an der Studie Mitarbeitende aus einer Vielzahl von Organisationen und Branchen teilnahmen (und keine ganzen Teams oder Unternehmen), haben wir uns auf die beiden Inklusionsdimensionen „Zugehörigkeit“ und „Authentizität“ konzentriert, die auf der Individualebene angesiedelt sind. Authentizität und Zugehörigkeit wurden mit einem standardisierten Fragebogen gemessen (Jansen et al., 2014). Außerdem haben wir erhoben, welcher Anteil einer typischen Arbeitswoche außerhalb der Büroräumlichkeiten in Telearbeit geleistet wurde. Die wiederholte Befragung der gleichen Personen erlaubte es, anspruchsvolle statistische Verfahren einzusetzen, sog. Random-Intercept- Cross-Lagged-Panel-Modelle. Mit dieser Methodik kann die Entwicklung „innerhalb“ der Mitarbeitenden über die Zeit betrachtet werden, während für stabile Unterschiede zwischen den Mitarbeitenden kontrolliert werden kann. Dadurch wird es möglich, sich dem tatsächlichen Ursache-Wirkungs-Mechanismus zwischen Telearbeit und Inklusion anzunähern. Und die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Telearbeit eine Herausforderung für Inklusion bedeuten kann. Bei der Inklusionsdimension Zugehörigkeit zeigen die Ergebnisse ein klares Bild: Zunehmende Telearbeit kann dem Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden schaden (vgl. Abb. 3). Die Menschen scheinen persönlichen Austausch zu brauchen, um ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Team aufzubauen oder aufrechtzuerhalten. Jedoch stützt sich Telearbeit stark auf virtuelle Kommunikation und beraubt die Mitarbeitenden vieler Gelegenheiten für spontane Interaktionen, sei es an der Kaffeemaschine oder im Aufzug. Außerdem schränkt die virtuelle Kommunikation die Menge an sozialen Informationen ein, die wir teilen, was den Austausch weniger lebendig macht. Ein großer Teil der nonverbalen Kommunikation, die sonst dazu beitragen könnte, dass sich Mitarbeitende als Teil des Teams wertgeschätzt fühlen, geht in virtuellen Settings verloren. Die Studie hat außerdem gezeigt, dass Mitarbeitende, die sich weniger zugehörig fühlen, ihr Verhalten ändern und ihren Anteil an Telearbeit erhöhen. Dieses Ergebnis zeigt einen potenziellen Teufelskreis auf: Häufigeres Telearbeiten kann dazu führen, dass Mitarbeitende sich weniger zugehörig fühlen, was sie wiederum dazu motiviert, noch häufiger Telearbeit zu nutzen, etc. Diese Dynamik sollte man sich insbesondere in Zeiten der „great resignation“ und des „quiet quitting“ bewusst machen. Diese Ergebnisse sind unabhängig vom Geschlecht der Mitarbeitenden. Bei der Inklusionsdimension Authentizität zeigt sich ein differenzierteres Bild und ein starker geschlechtsspezifischer Effekt. Während bei Männern Telearbeit nichts daran ändert, wie authentisch sie in ihrem Team sein können, ver-
15 01 / 24 PERSONALquarterly dass die Inklusion von Frauen durch Telearbeit stärker leiden kann als die Inklusion von Männern. Inklusion bei Telearbeit effektiv fördern Diese Ergebnisse sollen jedoch nicht implizieren, dass alle Mitarbeitenden zurück ins Büro geholt werden müssen. Gerade mit Blick auf Mitarbeitende mit Behinderung können flexible Arbeitsmodelle eine wichtige Ressource der Teilhabe darstellen. Auch grundsätzlich wollen viele Mitarbeitende die gewonnene Flexibilität nicht mehr missen. Dennoch sollten man sich den Herausforderungen bewusst sein und Inklusionsbemühungen an virtuelle und hybride Arbeitssettings anpassen. Zugehörigkeit und Authentizität: Schaffen Sie auch bei Telearbeit Raum für Inklusionserlebnisse Damit Mitarbeitende das Gefühl haben, zum Team zu gehören und sich authentisch ausdrücken zu können, braucht es Möglichkeiten, sich untereinander kennenzulernen und sich auch über persönliche Dinge auszutauschen. Vermehrte Telearbeit führt dazu, dass es weniger Chancen für spontane Interaktionen und informelle Gespräche gibt. Bei einem hohen Anteil an Telearbeit schiebt sich bei Frauen das Bild drastisch: Ihre Authentizität leidet mit zunehmender Telearbeit, und gleichzeitig führt ein Verlust an Authentizität dazu, dass sie Telearbeit häufiger nutzen. Dass die Authentizität bei Telearbeit leiden kann, ist plausibel, wenn man bedenkt, dass die physische Entfernung und die virtuelle Kommunikation die Möglichkeiten, sich authentisch auszudrücken, einschränken. Persönliche Interaktionen und spontane Begegnungen bieten mehr Möglichkeiten für authentisches Verhalten, von der Körpersprache bis hin zu den Geschichten, die wir bei einer Begegnung am Kaffeeautomaten erzählen. Wir brauchen weitere Studien, um herauszufinden, warum nur Frauen einen negativen Einfluss der Telearbeit auf ihre wahrgenommene Authentizität erleben. Eine Möglichkeit ist, dass Frauen, die an vielen Arbeitsplätzen immer noch geschlechtsspezifische Vorurteile und Diskriminierung erfahren, das Gefühl haben, dass speziell das Arbeiten aus dem Homeoffice geschlechtsspezifische Stereotypen verstärkt. Wie auch Villamor et al. (2023) in einer aktuellen Veröffentlichung erörtern, kann vermehrte Virtualität am Arbeitsplatz für Frauen ein zweischneidiges Schwert sein. Vorerst sollte man sich darüber im Klaren sein, Abb. 3: Vereinfachte Darstellung der Ergebnisse des Random Intercept Cross-Lagged-Panel-Modells zwischen Telearbeit und Zugehörigkeit Quelle: University of St. Gallen Mithilfe der Random Intercepts (RI) wird für stabile Unterschiede zwischen den Mitarbeitenden kontrolliert. Die Ergebnisse zeigen einen negativen Einfluss von Telearbeit auf Zugehörigkeit und vice versa über die Zeit hinweg. Telearbeit Telearbeit Telearbeit Zugehörigkeit Zugehörigkeit Zugehörigkeit Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 3 RI RI Zeitpunkt 2 -0,16*** -0,16*** -0,23*** -0,22***
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