66 PERSONALquarterly 01 / 24 SERVICE_PRAXISBLICK PERSONALquarterly: Welche wissenschaftliche Leistung in der Menschheitsgeschichte hat Sie besonders beeindruckt? Annette Hugger: Die Entdeckung der Doppelhelix, aus der unsere DNA besteht. Vor einiger Zeit habe ich dazu im „Zeit“-Podcast in der Episode „Eine betrogene Frau“1 gelernt, dass die Grundlagenforschung von Rosalind Franklin die Voraussetzung für die Entdeckung der Doppelhelix war. Mit dem Nobelpreis für Medizin gewürdigt wurden 1962 jedoch die Wissenschaftler James Watson, Francis Crick und Maurice Wilkins. Mich beeindruckt vor allem auch Rosalind Franklins Mut und Tatkraft. Sie hat mit Normen und Traditionen des männlich geprägten Wissenschaftsbetriebs gebrochen. PERSONALquarterly: Welche Bedeutung hat für Sie die Wissenschaft, kann man sich auf deren Erkenntnisse verlassen? Annette Hugger: Unbedingt. Mir fällt sofort die Coronapandemie ein. Endlich hat verständliche Wissenschaftskommunikation kein Nischendasein mehr gefristet. Das Duo Drosten und Ciesek2 hat mir damals manche Sorge genommen und zur Versachlichung der Diskussion beigetragen. Was mein heutiges HR-Arbeitsumfeld betrifft, lese ich wissenschaftliche Studien eher selten. Es ist mir allerdings wichtig, mein Wissen aufzufrischen. Dafür pflege ich gerne Kontakte ins universitäre Umfeld und höre mit Begeisterung Podcasts. PERSONALquarterly: Welche Berührungspunkte hatten und haben Sie persönlich mit der Wissenschaft? Annette Hugger: Ich habe Psychologie studiert und mich u. a. mit Wissenschaftstheorie, Methodenlehre und Statistik auseinandergesetzt: Was ist die forschungsleitende Frage? Wie formuliere und teste ich Hypothesen? Welche Daten sind nötig? Dabei finde ich besonders spannend zu verstehen, welche wiederkehrenden Verhaltensmuster sich zeigen, warum das so ist und wie man diese aufbrechen kann – in Individuen, Teams und Organisationen. PERSONALquarterly: Arbeiten Sie mit der Wissenschaft zusammen? Annette Hugger: Ja, in den letzten Jahren hat sich eine engere Zusammenarbeit mit Dr. Julian Decius aus dem Fachbereich Organisationspsychologie der Uni Bremen entwickelt. PERSONALquarterly: Kann die Wissenschaft helfen, das Personalmanagement in den Unternehmen besser zu machen? Annette Hugger: Auf jeden Fall. Allein wenn ich daran denke, wie viele wertvolle Erkenntnisse die Wissenschaft zum Thema Eignungsdiagnostik gewonnen hat – z. B. weg von unstrukturierten hin zu multimodalen Interviews. Allerdings bin ich gelegentlich ernüchtert, wenn ausschließlich Pragmatismus und Hemdsärmeligkeit den betrieblichen Alltag bestimmen. Ähnlich verhält es sich ja z. B. mit der Wirksamkeit von heterogenen Teams. PERSONALquarterly: Haben Sie ein aktuelles Beispiel dafür, in welchen Fällen Sie auf wissenschaftliche Expertise zurückgreifen? Annette Hugger: Recht aktuell haben wir uns mithilfe von Dr. Julian Decius mit dem Thema „informelles Lernen“ intensiver beschäftigt. Außerdem läuft gerade ein Projekt mit Studierenden von der Universität Bremen zum Thema Rekrutierung. PERSONALquarterly: Was wünschen Sie sich von der Wissenschaft? Wie kann Wissenschaft die Praxis noch besser unterstützen? Annette Hugger: Ich glaube, es bräuchte ein noch besseres Verständnis für die betrieblichen Bedarfe. Im Unternehmensalltag braucht es Pragmatismus und Tempo bei der Lösungsfindung. Es gilt, eine gute Balance zwischen den universitären und betrieblichen Belangen zu finden. Der PERSONALquarterly-Fragebogen PQ stellt Personalverantwortliche vor, die im Austausch mit der Wissenschaft stehen und so Personalarbeit voranbringen. Diesmal: Annette Hugger, DEVK Versicherungen ANNETTE HUGGER gestaltet als Head of Learning and Development mit ihrem Team Prozesse rund ums Thema Lernen, Entwickeln und Verändern für den Innendienst und den Vertrieb der DEVK Versicherungen. FOTO: MICHAEL BAUSE 1 https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-04/osalind-franklin-dna-entdeckung-nobelpreis-kriminalpodcast 2 Das Coronavirus-Update von NDR Info | NDR.de - Nachrichten - NDR Info
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