56 STATE OF THE ART_GENERATIONENUNTERSCHIEDE PERSONALquarterly 01 / 24 In der Personalpraxis wird die Bedeutung von Generationenunterschieden häufig herausgestellt, eine wissenschaftliche Basis zu größeren Unterschieden der Werte und Einstellungen zwischen den Generationen gibt es allerdings nicht. Anstelle der Untersuchung vermeintlicher Unterschiede zwischen Generationen möchten wir in diesem Beitrag deshalb den Fokus auf einen verwandten, bislang in der Praxis aber weitaus weniger prominenten Aspekt legen: der Generativität, das heißt dem Motiv älterer Beschäftigter, jüngeren Kolleginnen und Kollegen etwas Positives zu hinterlassen. In den letzten Jahren ist das Forschungsinteresse an diesem Thema gestiegen, und es liegen bereits Metaanalysen vor, welche den Stand der Forschung zur Generativität gut zusammenfassen. Im Folgenden wollen wir uns deshalb insbesondere mit der Frage beschäftigen, welchen Einfluss Generativität auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen hat und welche Faktoren Generativität beeinflussen. Wir starten mit einem kurzen Update zu Generationsunterschieden, um dann den Fokus auf Generativität zu legen. Wir führen dazu kurz die theoretischen und empirischen Grundlagen des Konzepts ein, bevor wir empirische Ergebnisse vornehmlich aus den beiden Metaanalysen Doerwald et al. (2021) und Wiktorowicz et al. (2022) vorstellen. Generationenunterschiede – ein Update Wir haben uns bereits in einem der ersten State-of-the-ArtBeiträge kritisch mit behaupteten Generationenunterschieden auseinandergesetzt, damals mit Bezug zur Generation Y im Vergleich zur Vorgängergeneration X und den Babyboomern (Biemann/Weckmüller, 2013). Theoretisch haben wir auf den Unterschied zwischen Generationeneffekten und Alterseffekten hingewiesen. Methodisch folgt daraus die Notwendigkeit von Längsschnittuntersuchungen, in denen die Wertvorstellungen der heute 20-Jährigen mit den Wertvorstellungen der heute 40-Jährigen verglichen werden, die letztere vor 20 Jahren geäußert haben. Empirisch basierten unsere Betrachtungen wesentlich auf den ersten Metastudien aus den USA, die auf Basis von Längsschnittstudien keine substanziellen Unterschiede aufzeigten. Inzwischen sind umfangreiche weitere Studien durchgeführt worden, auch speziell für Deutschland Unternehmen sollten Generativität fördern und Generationenstereotypen entgegenwirken Von Prof. Dr. Torsten Biemann (Universität Mannheim) und Prof. Dr. Heiko Weckmüller (Hochschule Koblenz) und mit großen Fallzahlen. Die international angelegte Metaanalyse von Keith L. Zabel und Kollegen (2017) weist nach, dass es keine Generationenunterschiede in der „Arbeitsmoral“ (work ethics) gibt. Christoph Metzler und Kollegen (2014) nutzen für Deutschland das Sozioökonomische Panel, eine wiederkehrende Befragung, bei der in regelmäßigen Zeitabständen die gleichen Personen befragt werden. Sie finden keine substanziellen Unterschiede in den arbeitsbezogenen Werthaltungen. Martin Schröder (2018) untersucht in einer soziologischen Betrachtung u. a. Lebensziele auf Basis von mehr als 70.000 Personen und spricht anschließend vom „Generationenmythos“. All diese Befunde haben allerdings nach unserer Wahrnehmung nicht dazu geführt, dass Generationenkonzepte in der praktischen Personalarbeit und der medialen Berichterstattung an Bedeutung verloren haben. Auch 2018 stimmten noch mehr als drei Viertel der im „HR-Wissenstest“ befragten Personalmanagerinnen und Personalmanager der falschen Aussage zu, dass „Arbeitnehmer der Generation Y (nach ca. 1980 geboren) grundlegend andere arbeitsbezogene Einstellungen und Wertvorstellungen haben als Arbeitnehmer der Vorgangergeneration (Generation X, zwischen ca. 1965 und 1979 geboren)“ (Biemann/Weckmüller/Kainer, 2018). Inzwischen ist die nächste Alterskohorte, die Generation Z, auf dem Arbeitsmarkt angekommen und das mediale Spiel beginnt von Neuem. „Im Job motivieren die „Gen Z“ vor allem ein gutes Gehalt und Spaß. Sie wollen die Viertagewoche, aber auch Karriere machen. Wie die Ansprüche einer Generation den Arbeitsmarkt verändern“, so titelt bspw. das Handelsblatt (Telser, 2023). Die entsprechenden Managementratgeber liegen ebenfalls bereits vor (z. B. Beilharz, 2023). Die Generation Alpha (2010-2025) ist zwar zum Teil noch nicht geboren, über die arbeitsbezogenen Werthaltungen wird dennoch bereits diskutiert. Insgesamt besteht also weiterhin eine Diskrepanz zwischen empirischer Evidenz und dem Umgang mit dem Thema in der Praxis. Unsere Kritik an Generationenstereotypen umfasst aber nicht die Notwendigkeit der Betrachtung zunehmend altersheterogener Belegschaften. Nicht zuletzt wegen längerer Lebensarbeitszeiten aufgrund der Anhebung des Rentenalters
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