52 NEUE FORSCHUNG_PERSONALAUSWAHL PERSONALquarterly 01 / 24 eines Unternehmens positiv ausfallen dürfte. Demgegenüber wurde in den Interviews unterstrichen, dass das Opt-out-Auswahlverfahren vor allem aus Sicht der Mitarbeitenden zu mehr Transparenz bei Beförderungsprozessen führen könnte und deshalb die Akzeptanz gerade bei dieser Gruppe sehr hoch ausfallen dürfte. Hinsichtlich der Akzeptanz bei Männern und Frauen waren die Meinungen der Interviewten geteilt: Einige konnten keine Einschätzung abgeben, andere äußerten die Erwartung, dass die Akzeptanz bei beiden Geschlechtern hoch wäre. Einige Interviewte hingegen sind der Ansicht, dass die Akzeptanz bei den Männern geringer sein könnte, da sie sich benachteiligt fühlen könnten, dies jedoch unbegründet sei, da sich die nachgelagerten Selektionsmethoden nicht änderten. Gestaltung von Opt-out-Auswahlverfahren Die befragten Expertinnen und Experten entwickelten zahlreiche Hinweise für die Ausgestaltung von Opt-out-Auswahlverfahren. Sowohl in den Interviews als auch in der Fokusgruppe wurde diskutiert, bereits bestehende Prozesse von Unternehmen, wie das Active Sourcing, für das Opt-out-Auswahlverfahren zu nutzen. Es wurde geäußert, dass ein klarer Kriterienkatalog für die Nominierung definiert und angewendet werden muss: „Es ist dann auch die Frage, wer entscheidet, wer in diesem Pool drin ist. Die Identifikation muss bestimmt sehr gut gemacht werden“ (I 01, Pos. 14). Weiter waren die Interviewten der Ansicht, dass genau abgeklärt werden muss, welche Positionen für die Anwendung eines Opt-out-Auswahlverfahrens überhaupt infrage kommen. Darüber hinaus wurden weniger leicht in den Pool gelangen: „Für mich wäre es dann das Risiko, wie man denn mit externen Kandidaturen umgeht. Man schließt diese ja praktisch bei Beförderungen aus mit diesem Verfahren“ (FG 03, Pos. 88). Ein ebenfalls diskutiertes Thema innerhalb der Fokusgruppe bestand darin, dass die weiteren Verfahrensschritte im Opt-out-Auswahlverfahren sehr bedeutsam für die Fairness des Gesamtverfahrens sind. Demnach bietet die Opt-out-Systematik zwar ein wesentliches neues Element als ersten Schritt des Auswahlprozesses, welches aber durch die nachgelagerten Schritte wie die eingesetzten eignungsdiagnostischen Methoden (z. B. strukturierte Interviews, Tests, simulationsorientierte Verfahren) wieder konterkariert werden könnte: „Also bei uns gibt es Talentpools in gewissen Bereichen. … Dazu gibt es Assessment-Center und Potenzialanalysen auf die Kompetenzmodelle, die wir haben. Was ich mich aber noch gefragt habe: Es gibt ja dann ganz viele Verfahren in diesem Prozess, die gängig sind, wie bspw. ein Assessment-Center. Wie können wir dann garantieren, dass – außer dem Anfang, der beim Opt-out-Auswahlverfahren anders ist, wie man in den Pool kommt – wir nicht all diese Fehler von Chancenungleichheit wieder produzieren im Auswahlverfahren?“ (FG 03, Pos. 110). Als weiteres Risiko wurde von den Interviewten genannt, dass die Mitarbeitenden keine Eigeninitiative zeigen müssen, um in den Nominierten-Pool zu gelangen. Eigeninitiative gehört aber sehr häufig zu den Stellenanforderungen und wird durch eine aktive Teilnahme an einem „klassischen“ Opt-in-Verfahren unter Beweis gestellt. Die implizite Überprüfung der Eigeninitiative im klassischen Verfahren geht durch den Wechsel zu Opt-out also verloren. Diese Einschätzung wird auch im Interview I 04 thematisiert: „… wenn ich jetzt auf der Firmenseite bin, dann wäre es für mich ein bisschen zu wenig Motivation. … Eigentlich will man ja jemanden einstellen, der für den Job motiviert ist und den Job will und sich darum bemüht“ (Pos. 18). Abschließend wurde in den Interviews als auch in der Fokusgruppe das Aufkommen falscher Erwartungen in Bezug auf eine mögliche Beförderung als Risiko benannt. Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, dann könnten Frustration und Demotivation entstehen, wie die folgende Interview-Aussage zeigt: „[...] dass sie das Gefühl haben, ja jetzt bin ich in diesem Pool drin, jetzt läuft es und dann vielleicht nicht mehr dieselbe Motivation mitbringen, sich auch wirklich verändern zu wollen, wie wenn sie vielleicht nicht in diesem Pool drin wären“ (I 01, Pos. 16). Abbildung 2 fasst die Ergebnisse hinsichtlich Chancen und Risiken im Opt-out-Auswahlverfahren zusammen. Akzeptanz von Opt-out-Auswahlverfahren Die Interviewten waren einstimmig der Ansicht, dass die Zielgruppe der HR-Verantwortlichen das Opt-out-Auswahlverfahren akzeptieren würde. In der Fokusgruppe wurde zudem die Erwartung geäußert, dass die Akzeptanz auf allen Ebenen Abb. 2: Chancen und Risiken eines Opt-out-Auswahlverfahrens (Zusammenfassung) Chancen Risiken • Ausschöpfen unternehmensinterner Potenziale • Förderung Kulturwandel • Förderung Diversity (Geschlecht und weitere Diversity-Bereiche) • Förderung Fairness • Schaffen von Entwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven • Breiter Fokus, keine One-on-OneLösung • Mangelhafte Qualität des Nominierten-Pools • Kein Nutzen bei Fachkräftemangel/vorhandenem Gender Gap • Erschwerter Einbezug externer Bewerbender • Wirksamkeit für einen Teil des Auswahlverfahrens, entscheidend ist das gesamte Verfahren • Eigeninitiative der Mitarbeitenden wird nicht gefördert • Erwartungshaltung von Mitarbeitenden Quelle: Eigene Darstellung
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