Personal quarterly 1/2024

50 NEUE FORSCHUNG_PERSONALAUSWAHL PERSONALquarterly 01 / 24 besteht darin, dass geeignete Personen automatisch in einen Bewerbenden-Pool aufgenommen werden. Möchten sie nicht am Auswahlverfahren teilnehmen, dann müssen sie sich aktiv dagegen entscheiden (= Opt-out). Diese Logik kann prinzipiell sowohl auf die interne Personalauswahl, wie Beförderungsentscheidungen, als auch auf die Auswahl von externen Bewerberinnen und Bewerbern angewendet werden. Abbildung 1 zeigt die Logik des beschriebenen Opt-out-Auswahlverfahrens. He et al. (2021) untersuchten die Aus- und Folgewirkungen dieses Ansatzes in einer Serie von Experimenten. Dabei wurden die Teilnahmebereitschaft sowie die Auswirkungen der Teilnahme an Wettbewerben unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen untersucht. Die Ergebnisse aus drei Teilstudien deuten darauf hin, dass die Opt-out-Rahmenbedingung die Teilnahmebereitschaft der weiblichen Teilnehmenden erheblich steigert. Des Weiteren wurden keine negativen Konsequenzen für die Leistungen und das Wohlbefinden der beteiligten Personen festgestellt. Gegenüber klassischen Quotenregelungen hat die Methode den Vorteil, dass sie besser akzeptiert wird, da keine leistungsunabhängige Förderung erfolgt (vgl. z. B. Bath, 2019; Seng et al., 2013; Wagner/Schmermund, 2006). Die Ergebnisse deuten also darauf hin, dass mit einem Systemwechsel von Opt-in- zu Opt-out-Auswahlverfahren der Frauenanteil wesentlich erhöht werden könnte ohne die negativen Begleiterscheinungen anderer Ansätze. Der Opt-out-Ansatz wiederum bringt eigene Probleme mit sich. Personen, die ohne ihr eigenes Zutun in ein Selektionsverfahren aufgenommen werden, könnten dieses Vorgehen als bevormundend und übergriffig wahrnehmen. Auch entstehen durch eine automatische Aufnahme in einen Talentpool datenschutzrechtliche Probleme, die zu lösen sind. Nicht zuletzt dürfte der Aufwand von Opt-outVerfahren höher sein. Diese Gründe dürften viele verantwortliche Personen von einem Systemwechsel abbringen. Ziel der Studie Opt-out-Auswahlverfahren wurden bislang vor allem in experimentellen Settings untersucht. Da die Ergebnisse sehr vielversprechend ausfallen, besteht forschungslogisch der nächste Schritt darin, die Praxistauglichkeit dieses Ansatzes zu prüfen. In der vorliegenden Studie wird im Sinne eines „proof of concept“ der Frage nachgegangen, ob und unter welchen Umständen Unternehmen bereit sind, auf ein Opt-out-Auswahlverfahren zu setzen. Weiterhin wird die wichtige Frage adressiert, welche Chancen und Risiken damit verbunden sind und wie man die Risiken minimieren kann. Zudem werden Einführungshindernisse beleuchtet und Gestaltungshinweise bei HR-Expertinnen und Experten sowie Fachpersonen für Diversity und Gleichstellung systematisch abgeholt. Methodik Um die Praxistauglichkeit des Opt-out-Auswahlverfahrens zu eruieren, wurde ein qualitativ-empirisches Forschungsdesign entwickelt und angewendet. Dabei wurde ein exploratives Vorgehen verfolgt, indem in einem ersten Schritt Interviews und darauf aufbauend eine Fokusgruppendiskussion geführt wurde. Mittels der Interviews wurden Einstellungen, Akzeptanz sowie mögliche Chancen und Risiken des Opt-out-Auswahlverfahrens erhoben. Hierfür wurden Personen aus dem HR-Bereich gewählt in der Annahme, dass sie die Hauptanwendergruppe seien und dass diese Personen aufgrund der operativen Umsetzung von entscheidender Bedeutung für die Einführung neuer Auswahlverfahren wären. Die Stichprobe bestand aus zwölf Personen, welche im HR-Bereich, zum Teil in leitenden Positionen, tätig sind (HR-Leitung, Talent Development, Leitung Rekrutierung). Die Personen wurden so ausgewählt, dass verschiedene Branchen und auch verschiedene HR-Funktionsbereiche vertreten waren. Der zugrunde liegende teilstrukturierte Interviewleitfaden wurde auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche entwickelt. Während der Interviews wurden den Fachpersonen drei Vignetten gezeigt. Diese Vignetten fassten drei Auswahlsysteme in Kurzform zusammen und stellten die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Systeme gegenüber. Neben dem Opt-out-Verfahren wurden traditionelle Opt-in-Auswahlverfahren sowie an Quoten orientierte Verfahren vorgestellt und miteinander verglichen. Die in einer zweiten Phase eingesetzte Methode Fokusgruppe zielte auf eine Vertiefung der Erkenntnisse aus den Interviews ab. Zur Fokusgruppe wurden Personen eingeladen, die in leitenden Funktionen in HR arbeiten und sich zudem bereits professionell mit dem Thema Gleichstellung beschäftigt haben. Die ABSTRACT Forschungsfrage: Wie praktikabel und wirksam ist ein Wechsel der Auswahllogik in Selektionsverfahren von einer Opt-in- zu einer Opt-out-Strategie als Mittel zur Erhöhung des Frauenanteils in attraktiven beruflichen Positionen? Methodik: Qualitativ-empirisches Forschungsdesign, Verzahnung von qualitativen Interviews mit einer Fokusgruppendiskussion Praktische Implikationen: Opt-out-Auswahlverfahren werden als effektiv eingeschätzt. Erfolgsfaktoren sind hinreichende Ressourcen, klare Nominierungskriterien sowie ein transparenter, anonymisierter Prozess.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==