49 01 / 24 PERSONALquarterly Obwohl es in den letzten Jahren große Fortschritte hinsichtlich einer ausgeglicheneren Geschlechterverteilung in Unternehmen gab, besteht nach wie vor eine spürbare Diskrepanz zwischen der Vertretung von Männern und Frauen insbesondere in Führungspositionen (Dorrough et al., 2016). Studien zeigen, dass Männer bevorzugt befördert werden (Cislak et al., 2018). Sie steigen in der Unternehmenshierarchie schneller auf und erfahren eher eine Erweiterung des Aufgabenspektrums (Spurk, 2019). Dabei fußen die Beförderungsentscheidungen oft nicht auf zuvor erbrachten Leistungen, denn Männer werden bei gleicher Leistung öfter befördert als Frauen (Cislak et al., 2018). He et al. (2021) stellen fest, dass Auswahlverfahren für Beförderungen in aller Regel eine Selbstnominierung erfordern (= Opt-in). Personen müssen sich also aktiv für eine Beförderung bewerben und sich somit in eine wettbewerbsartige Situation begeben. Diese Phase der Selbstnominierung ist relevant für die Frage der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen. Denn Frauen sind aufgrund grundlegender Verhaltenstendenzen, wie einer niedrigeren Risikobereitschaft (Filippin, 2016) und einer kritischeren Selbsteinschätzung „Fix the system“ statt „Fix the women“: Opt-out-Logik in Auswahlverfahren Von M. Sc. Stefanie Burch, M. Sc. Jasmine Lüthi, M. Sc. Tanja Mitrovic, M. Sc. Heleni Tan und Prof. Dr. Benedikt Hell (Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW, Olten, Schweiz) (Sieverding, 2003), weniger stark daran interessiert, an solchen Wettbewerben teilzunehmen, als Männer. Daher führen die üblichen Beförderungssysteme zu geringeren Bewerbungsraten von Frauen (He et al., 2021). Eine Möglichkeit gegenzusteuern bestünde nun darin, Frauen gezielt zu coachen, ihnen in Selbstwirksamkeitstrainings eine neue Sicht auf die eigene Person zu ermöglichen. Dieser Ansatz wirkt aber defizitorientiert: Mit den Frauen „stimmt etwas nicht“. Dabei lässt sich das Argument auch umkehren: Möglicherweise bringen die Männer eine zu hohe Selbstwirksamkeitserwartung und Risikobereitschaft mit. Statt personenbezogener Maßnahmen, die gezielt eine Personengruppe – in dem Fall die Frauen – adressiert und vermeintliche Defizite behebt („fix the women“), sollte das Auswahl- und Nominierungssystem verändert werden („fix the system“). Opt-out statt Opt-in als alternative Strategie in Auswahlverfahren Als Alternative zu Opt-in-Bewerbungsverfahren können Opt-outAuswahlverfahren eingesetzt werden, um die Zahl der Bewerberinnen für Führungspositionen zu erhöhen. Die Grundidee Quelle: in Anlehnung an He et al., 2021 Abb. 1: Ablauf des Opt-out-Auswahlverfahrens Führungsposition vakant Pool mit nominierten Personen Entscheidung der nominierten Personen Auswahlverfahren mit verbleibenden Personen IN IN IN IN OUT OUT IN IN
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