Personal quarterly 1/2024

47 01 / 24 PERSONALquarterly erwarten, dass in Kulturkreisen mit stärkerem Machtgefälle zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden (Hofstede et al., 1990) passive Subkategorien von Renitenz stärker vertreten sind als aktive. Praxisimplikationen Zunächst einmal zeigt die berichtete Auftretenshäufigkeit renitenten Mitarbeitendenverhaltens allen Führungskräften: Sie sind nicht allein mit diesem Erleben! Obwohl Renitenz im Führungsalltag nicht gänzlich vermieden werden kann (und sollte), gibt es einige praktische Tipps, die sich aus unserer empirischen Forschung in Kombination mit anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten lassen. Erstens gibt es Hinweise darauf, dass kollegialer Austausch dabei helfen kann, Renitenz zu erkennen und einzuordnen. Andere Forschungsarbeiten legen nahe, dass mit mehr Führungsverantwortung die Interaktionshäufigkeit mit anderen Führungskräften und damit die Möglichkeit für Austausch und Feedback rapide sinkt (vgl. Ashford et al., 2003). Allerdings wissen wir aus jahrelanger Forschung in der Psychotherapie und im Coaching, wie wichtig ein Austausch mit anderen nicht nur für das eigene Wohlbefinden, die Selbstreflexion und die eigene Entwicklung sind, sondern auch für die des Gegenübers (vgl. Peluso/Freund, 2018). Manchmal sieht man selbst den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr – gerade in einem vollen Arbeitsalltag fallen der Führungskraft dann offensichtliche Gründe für renitentes Verhalten der eigenen Mitarbeitenden gar nicht mehr auf. Auf Basis der genannten Forschungsarbeiten kann empfohlen werden, hier bewusst entgegenzusteuern und Zeit für den Austausch mit anderen Führungskräften einzubauen. Zweitens geben unsere eigenen Nachfolgeprojekte erste Hinweise darauf, dass die Ursachenforschung durch und für Führungskräfte wichtige Impulse liefern kann und vorschnelles Handeln vermeidet. In der (Führungs-)Forschung und -praxis herrscht bisher eine Fokussierung auf die negative Bewertung von renitentem Mitarbeitendenverhalten als ausschließlich destruktiv vor. Dabei kann die Renitenz eine wichtige Informationsquelle für Führungskräfte sein, die zur Selbstreflexion anregt und eigenes Fehlverhalten sichtbar macht. Eine Methode, wie Führungskräfte Renitenz als Informationsquelle nutzen können, ist es, die Interpretation von Renitenz zu verändern. Durch aktives Umdeuten der Renitenz weg von einem unüberwindbaren Hindernis hin zu einer bewältigbaren Herausforderung (LePine, 2022) können Führungskräfte neues Führungsverhalten entwickeln und anwenden. So können Führungskräfte bspw. ihre Kenntnis über die Ursachen von Renitenz nutzen, um ihre generelle Überzeugungskraft zu stärken oder vermehrt die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden in der Wahl der Führungsinstrumente zu berücksichtigen (vgl. „individual consideration“, Zacher et al., 2014). Manchmal jedoch scheint es keinen Ausweg für die Führungskräfte mehr zu geben. Das renitente Verhalten eines Mitarbeitenden droht zu einem Dauerzustand zu werden. Schleichend werden die Auswirkungen auf das eigene Wohlbefinden und Führungsverhalten immer schwerwiegender. Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass spätestens an diesem Punkt Hilfe in Anspruch genommen werden sollte. Neben der Kontaktaufnahme zur Personalabteilung oder organisationsinternen Mentorinnen und Mentoren weisen andere Forschungsarbeiten auf den Mehrwert eines Perspektivwechsels hin, der bspw. durch „reverse mentoring“ (vgl. Jordan/Sorell, 2019) gefördert werden kann. Hier wird die traditionelle Hierarchie umgedreht und Führungskräfte werden Mentees von Mitarbeitenden. Durch diese Umkehrung des Blickwinkels können neue Erkenntnisse und Deutungsmöglichkeiten eröffnet werden. So antwortet die Führungskraft auf das „Ich bin dagegen“ (Die Ärzte, 1999) des Mitarbeitenden dann vielleicht nicht mehr mit „Das sind Dinge, von denen ich gar nichts wissen will“ (Die Ärzte, 2003a), sondern mit „Ich mach den ersten Schritt“ (Die Ärzte, 2003b)! Quelle: Eigene Darstellung Abb. 3: Praktische Tipps für Führungskräfte im Umgang mit renitentem Mitarbeitendenverhalten Praktische Maßnahme Ziel der Maßnahme Kollegialer Austausch - Renitenz bei Mitarbeitenden frühzeitig erkennen und einordnen - Feedbackvakuum der höheren Hierarchien abbauen - Eigenes Wohlbefinden, Selbstreflexion und Entwicklung fördern Umdeuten von Renitenz - Üben, renitentes Mitarbeitendenverhalten nicht als Hindernis, sondern als Herausforderung zu sehen - Renitenz als Informationsquelle nutzen - Neue Führungsinstrumente explorieren und im eigenen Alltag erproben Professionelle Unterstützung - Schutz des eigenen Wohlbefindens - Verhindern von eigenem Fehlverhalten in der Führungsrolle - 360°-Feedback als Perspektivwechsel nutzen und in Lösungsstrategien einbinden

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