Personal quarterly 1/2024

PERSONALquarterly 01 / 24 46 NEUE FORSCHUNG_FÜHRUNG rige Forschung, die Renitenz als Reaktion auf Veränderungsprozesse („resistance to change“) oder als negative Reaktion auf Führung untersucht hat. Im Vergleich zu diesen genannten Forschungssträngen ermöglicht unsere differenzierte Analyse einen Blick auf Renitenz, der über die Definition von hervorgerufenen negativen Effekten hinausgeht (vgl. Güntner et al., 2021). Unsere Klassifizierung von fünf Formen der Renitenz weist darauf hin, dass Führungskräfte sowohl passive (z. B. Selbstisolierung, zurückhaltende Kommunikation) als auch proaktive Widerstandshandlungen (z. B. die Führungskraft anlügen, instrumentalisierte emotionale Ausbrüche) erleben. Ein weiterer interessanter Befund ist, dass diese Erfahrungen im Umgang mit Mitarbeitenden im Alltag der Führungskräfte häufig vorkommen. Vor allem die Auswirkung von Renitenz auf das Team (Untergrabung der Teamstruktur) scheint für Führungskräfte im Alltag viel Stress zu verursachen. Wir finden weiterhin Hinweise darauf, dass einige Charakteristika von Führungskräften (ein hohes Maß an Ehrlichkeit-Bescheidenheit, Extraversion, und Verträglichkeit sowie ein mittleres Maß an Offenheit für Erfahrungen) mit einem geringeren Ausmaß an berichtetem renitenten Mitarbeitendenverhalten zusammenhängen. Eine mögliche Erklärung für die höhere Renitenz bei Führungskräften mit hoher Offenheit für Erfahrungen kann darin liegen, dass solche Führungskräfte oft neue Impulse einfordern und ihre Mitarbeitenden zu Feedback anregen. Getreu des Goethe-Zitats „Die ich rief, die Geister/Werd’ ich nun nicht los“ kann es dann aber sein, dass Mitarbeitende tatsächlich auch viele kritische Rückmeldungen geben; jenes Feedback wird durch Führungskräfte dann ggf. als verstärkte Renitenz erlebt. Gleichzeitig weist die zweite Studie darauf hin, dass es wichtig ist, den Einfluss der sozialen Umgebung nicht zu unterschätzen. So lässt sich annehmen, dass bspw. die vorherrschende Unternehmenskultur (gezeigt im Branchenvergleich) einen Einfluss auf das Ausmaß darauf hat, wie häufig Mitarbeitende renitentes Verhalten an den Tag legen. Die Unternehmenskultur wird dabei maßgeblich durch die Arbeitsbedingungen (bspw. Taktarbeit, prekäre Bezahlung, wenig Arbeitsplatzsicherheit) geprägt. Somit ist es naheliegend, dass eine Verhaltenshäufung von Renitenz durch die Unternehmenskultur geprägt und ebenfalls verändert werden kann. Obwohl die Kombination aus einer detaillierten Interviewstudie und einer Fragebogenstudie mit großer Stichprobe eine gute Grundlage für die Ableitung von Praxisimplikationen bietet, sind weitere Studien notwendig, um die Erkenntnisse zu festigen und auszubauen. Bspw. haben wir in unserer Forschung den Fokus auf Personen in Führungsrollen gelegt, um aus dieser Perspektive Ableitungen für Führungstrainings ziehen zu können. Ebenso wie Führungskräfte haben jedoch auch Mitarbeitende einen prägenden Anteil in der Führungsdynamik. Daher ist eine zukünftige Forschungsnotwendigkeit darin zu sehen, auch ihre Perspektive im Detail zu verstehen, um die Beweggründe für renitentes Verhalten besser zu beleuchten. Denn renitentes Verhalten als rein negatives Phänomen zu verstehen, wäre zu kurz gedacht. So kann Renitenz ebenfalls eine wichtige Informationsquelle für Fehlverhalten der Führungskraft oder Arbeitsüberlastung der Mitarbeitenden sein. In zukünftigen Studien können bspw. die fünf Formen von Renitenz durch Mitarbeitendenbefragungen aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und die Absichten dahinter näher erfasst werden. Für Führungskräfte könnte das Wissen um die Intentionen hinter den verschiedenen Formen von renitentem Mitarbeitendenverhalten eine Möglichkeit bieten, frühzeitig Renitenz zu minimieren und sich selbst vor den negativen Auswirkungen von Renitenz zu schützen. Darüber hinaus ist es wichtig, Renitenz von Mitarbeitenden als ein kultureingebettetes Phänomen zu betrachten. Allzu oft tappen Forschende, die ihre Ableitungen aus Daten einer WEIRD-Gruppe (= weiß, gebildet, industrialisiert, reich und demokratisch) ziehen, in die Falle, ihre Ergebnisse als kulturübergreifend gültig zu deklarieren. Hier sollte entgegengewirkt werden, indem unsere Forschungsergebnisse in unterschiedlichen Kulturkreisen getestet und potenziell erweitert werden. Im Falle von Renitenz könnte man bspw. Quelle: Eigene Darstellung Abb. 2: Führungsspezifische Faktoren, die mit höherer Mitarbeitendenrenitenz zusammenhängen Führungskräfte berichten mehr renitentes Mitarbeitendenverhalten, wenn … Führungskräfte folgende Persönlichkeitsmerkmale aufweisen: - niedrige Ehrlichkeit-Bescheidenheit - niedrige Extraversion - niedrige Verträglichkeit - hohe Offenheit für Erfahrungen Führungskräfte niedrige Werte im kognitiven Fähigkeitstest erzielen Führungskräfte in folgenden Branchen tätig sind: - Bergbau - Öl- und Gasindustrie - Beherbergungs-/Gaststättengewerbe - Gesundheitswesen und Sozialhilfe Der Zusammenhang der Faktoren mit der berichteten Mitarbeitendenrenitenz wurde durch Korrelationsanalysen identifiziert.

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