PERSONALquarterly 01 / 24 44 NEUE FORSCHUNG_FÜHRUNG tivität für Führungskräfte? Aufbauend auf der ersten Studie, die den Fokus auf die Wahrnehmung der Führungskraft legte, wollten wir hier zusätzlich untersuchen, wie spezifische Merkmale der Führungskraft (demografische Charakteristika, Intelligenz, Persönlichkeit) mit dem Erleben von Renitenz zusammenhängen. Dieser Fokus liegt in der Idee begründet, dass die Wahrnehmung von renitentem Verhalten eventuell systematisch mit bestimmten Merkmalen der Führungskraft zusammenhängt und/oder (unfreiwillig) durch Führungskräfte mit bestimmten Merkmalen häufiger hervorgerufen wird. Als weiteren Faktor sollte der Einfluss des situativen Kontextes (Branche) näher analysiert werden. Um möglichst generalisierbare Daten zu erhalten, befragten wir 1.229 Führungskräfte im Alter von 19 bis 69 Jahren mittels eines Online-Fragebogens. Die befragten Führungskräfte arbeiteten entweder in den USA oder dem Vereinten Königreich, hatten Personalverantwortung für zwei bis 1.500 Mitarbeitende und verfügten im Durchschnitt über sieben Jahre Führungserfahrung. In Bezug auf die Branchen wurde ein breites Spektrum in der Datenerhebung abgebildet, welches u. a. den Einzelhandel, Baugewerbe, Kunst, Unterhaltung und Freizeitgestaltung einschloss. In der (Führungs-)Forschung hat sich gezeigt, dass Personen besonders bei Fragen nach unangenehmen Themen oftmals ihre Antworten an die sozialerwünschten Normen anpassen („social desirability bias“). Dieser Effekt war in unserer Datenerhebung ebenfalls zu erwarten in dem Sinne, dass Führungskräfte selbst möglicherweise weniger von renitentem Verhalten ihnen gegenüber berichten, da dies potenziell ein schlechtes Licht auf sie selbst werfen würde. So könnte man ja z. B. den Rückschluss ziehen, dass die entsprechende Führungskraft „den Laden nicht im Griff“ hat. Um diese Verzerrung in den Daten zu vermeiden, fragten wir die Führungskräfte zusätzlich zur Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Renitenz in ihrem Alltag auch nach ihrer Einschätzung zu einer allgemeinen Auftretenswahrscheinlichkeit der fünf Formen von Renitenz im generellen Arbeitsalltag einer Führungskraft. Um eine möglichst genaue Schätzung der allgemeinen Auftretenswahrscheinlichkeit zu erzielen, konnten die Personen bei korrekter Schätzung (der Mittelwert aller Angaben) einen zusätzlichen Bonus gewinnen. Zum Abschluss baten wir die Führungskräfte um eine Einschätzung aller fünf Formen in Bezug darauf, wie destruktiv sie diese jeweils für sich selbst empfinden. Ergebnisse der zweiten Studie Wie erwartet, hatten die befragten 1.229 Führungskräfte die Tendenz, bei der Frage nach dem Erleben von Renitenz „sozial erwünscht“ zu antworten. Das bedeutet, dass diese Führungskräfte angaben, selbst weniger renitentes Mitarbeitendenverhalten zu erfahren als Führungskräfte im Allgemeinen. Als ein realitätsnäheres Maß stützten wir unsere weiteren AbleiFührungskraft. Bspw. „halten [solche Mitarbeitenden] keine Fristen mehr ein“ oder „bewegen sich nicht, alles ist für sie in Stein gemeißelt“, um keine neuen Aufgaben zu bekommen. Gefühlsbetont schwankende Kommunikation Die dieser Kategorie zugeordneten Verhaltensweisen sind gekennzeichnet durch eine besonders starke Variation in der Kommunikationsgestaltung durch den Mitarbeitenden in Abhängigkeit von dessen Stimmungslagen und Emotionen. 20,99 % der analysierten Textdaten enthalten von Führungskräften berichtete Verhaltensweisen, welche in diese Kategorie fallen. Die Schilderungen der gefühlsbetont schwankenden Kommunikation umfassen folgende Aspekte: emotionale Ausbrüche wie das Anschreien der Führungskraft; die übersteigerte Darstellung von eigenen Themen und damit die Verdrängung der Themen der Führungskraft und nicht zuletzt die reservierte Kommunikation, bei der Mitarbeitende emotional verschlossen oder undurchsichtig bleiben. Beispielhafte Zitate aus den Interviews beschreiben „Mitarbeitende, die emotional werden und sehr harsch kommunizieren“ oder „gute Laune verbreiteten, wenn sie einen guten Tag hatten, und sehr schlechte Laune verbreiteten, wenn sie einen schlechten hatten“, sodass die Führungskräfte nie wussten, was sie in der Kommunikation erwarten würde. Untergrabung der Teamstruktur In 22,88 % der analysierten Interviewinhalte beschrieben Führungskräfte renitentes Mitarbeitendenverhalten als ein destruktives Verhalten gegenüber der Teamstruktur oder das Verbreiten toxischer Einstellungen bzw. das Streuen von Gerüchten gegen die Führungskraft im Team. Dieses Verhalten von Mitarbeitenden kann sich in verschiedenen Facetten zeigen, wie der Verbreitung einer Antieinstellung gegen jegliche Ideen der Führungskraft; eine (Selbst-)Isolation des Mitarbeitenden vom Team; den Ausschluss der Führungskraft vom Team; das Beschuldigen anderer für eigene Fehler; das Ignorieren von Teamabsprachen und Regeln sowie das Verweigern der kooperativen Zusammenarbeit mit anderen aus dem Team und die fehlende Bereitschaft, eigenständig Konflikte mit anderen Teammitgliedern zu lösen. Als Beispiel können Führungskräfte angeführt werden, die Mitarbeitende beschreiben, „die sich nur beschweren und eine Negativspirale anfeuern für das ganze Team“, oder „Mitarbeitende, die sehr selbstzentriert sind und das Team ignorieren“. Fragebogenbasierte Erweiterung Im Anschluss an die Auswertung der Interviewdaten setzten wir einen Fragebogen auf, um den zweiten Teil unserer Forschungsfrage zu beantworten: Wie häufig erleben Führungskräfte die verschiedenen Formen renitenten Mitarbeitendenverhaltens und unterscheiden sich diese in der eingeschätzten Destruk-
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