Personal quarterly 1/2024

PERSONALquarterly 01 / 24 36 SCHWERPUNKT_DIVERSITY MANAGEMENT (Unternehmen ohne Krisen-Label) verglichen werden. Dieses Prinzip ist grafisch in Abbildung 1 dargestellt. Auf der x-Achse werden dort die Altman-Z-Werte abgetragen und auf der y-Achse die Berufungswahrscheinlichkeit weiblicher Vorstände. Die vertikale Linie im Schaubild beschreibt den Altman-Z-Schwellenwert, wobei Werte links des Schwellenwerts das Krisen-Label haben und rechts davon nicht. Der vertikale Versatz zwischen der Regressionsgerade beschreibt dabei den Effekt des Krisen-Labels auf die Wahrscheinlichkeit weiblicher Berufungen – oder anders ausgedrückt: die gläserne Klippe. Das Ergebnis der Analyse lautet, dass die gläserne Klippe eindeutig nachweisbar ist: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau in ein Topmanagementteam berufen wird, ist in Unternehmen in einer Krisensituation (links der vertikalen Linie) um 2.6 Prozentpunkte höher als in Unternehmen ohne Krisen-Label. Dieser Anstieg um 2.6 Prozentpunkte entspricht angesichts einer Grundwahrscheinlichkeit für weibliche Berufungen von nur 5 % einer Steigerung um 50 %. Unsere Ergebnisse unterstützen nicht nur die Existenz der gläsernen Klippe, sondern auch unsere theoretische Vermutung, dass gläserne Klippen durch bewusst an Investoren gesendete Wandlungssignale entstehen. Hinweise auf diese Wandlungssignale finden wir u. a. in einer detaillierten Analyse von Pressemitteilungen zur Führungskräfteernennung. Hier zeigt sich, dass Unternehmen in der Krise mehr veränderungsbezogene Wörter wie „Transformation“ oder „Innovation“ verwenden, wenn sie die Berufung einer weiblichen Führungskraft verkünden. Im Gegensatz dazu haben wir bei männlichen Führungskräfteernennungen keinen Anstieg solcher Formulierungen als Reaktion auf eine Krise beobachtet. Zusätzlich dazu finden wir, dass gläserne Klippen besonders häufig dann entstehen, wenn die Signalwirkung von weiblichen Berufungen besonders groß ist. So finden wir besonders klare Evidenz für gläserne Klippen bei Unternehmen, die bislang keine Frauen im Topmanagementteam haben. Hier ist das Signal besonders neuartig und weicht klar vom Status quo der männlichen Führung ab. Ähnlich finden wir gläserne Klippen insbesondere bei Unternehmen, die besonders stark im Fokus von Investoren stehen und überdurchschnittliche GoogleSuchanfragen verzeichnen. Zentrale praktische Implikationen: Was kann gegen die gläserne Klippe getan werden? Unsere Studie zeigt klar, dass eine gläserne Klippe für Frauen in Führungspositionen besteht und Unternehmen die Ernennung von weiblichen Führungskräften in Krisenzeiten als eine Signalwirkung nach außen nutzen. Insofern liegt hier eine versteckte Form der Diskriminierung weiblicher Führungskräfte vor. Um diese zu verhindern, schlagen wir die folgenden drei Maßnahmen vor: 1. Rekrutierungsprozesse transparenter gestalten: Unternehmen können aktiv gegen gläserne Klippen vorgehen, indem sie Einstellungs- und Personalprozesse transparenter und formalisierter gestalten. Aus Jahrzehnten der Forschung wissen wir, dass undurchsichtige und nicht standardisierte Rekrutierungs- und Auswahlverfahren fruchtbaren Boden für Diskriminierung bieten, insbesondere gegenüber Minderheitsgruppen und Frauen. Da die meisten Personalentscheidungen für (Top-) Führungspositionen hinter verschlossenen Türen und nach intensiven Verhandlungen getroffen werden, können nach außen gerichtete Personalentscheidungen faire Personalpraktiken untergraben. Diversitätsbeauftragte und Mitglieder von Führungskräfte-Auswahlkomitees sollten sich der Tendenzen von gläsernen Klippen bewusst sein und eingreifen, wenn rein signalbezogene Argumente vorgebracht werden. Das kann dazu beitragen, verzerrte Entscheidungen zur Berufung von Männern in Nichtkrisensituationen und von Frauen in Krisensituationen zu vermindern und damit generell eine größere Dynamik in der Entwicklung hin zu Geschlechterparität in Vorstandsgremien zu erzeugen. 2. Entwicklung eines inklusiven Unternehmensklimas: Forschung zu prodiversitäts- und inklusivem Unternehmensklima legt nahe, dass Frauen ihr Potenzial besser entfalten können, wenn das Unternehmen inklusiv organisiert ist (z. B., Nishii, 2013). Unternehmen, die ein inklusives Klima schaffen, haben ein Bewusstsein für die Vermeidung von impliziter Diskriminierung und bemühen sich um organisationale Umgebungen, in denen Minderheitengruppen geschätzt und unterstützt werden. Entsprechend werden bei einem inklusiven Klima Personen in Positionen eingesetzt, in denen sie aufgrund ihrer Qualifikation grundsätzlich erfolgreich sein können, und nicht, um lediglich nach außen hin Veränderung zu signalisieren. 3. Stellen Sie Fragen als weibliche Führungskräfte: Frauen sollten Fragen stellen, wenn ihnen eine Führungsposition angeboten wird. Weibliche Führungskräfte haben oft weniger Möglichkeiten, an die Spitze zu gelangen, und zögern daher möglicherweise, eine Führungsposition abzulehnen. Weibliche Kandidaten, die unsicher sind, ob ihnen eine Position an einer gläsernen Klippe angeboten wird und ob sie diese annehmen sollen, sollten Fragen stellen. Dadurch können sie herausfinden, ob sie den Job bekommen, weil das Unternehmen wirklich an sie glaubt, und sie mit Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten können, die wirklich unterstützend sind, oder ob das Unternehmen nur nach einem neuen Gesicht für externe Investoren und Stakeholder sucht und nicht wirklich offen für Veränderung ist.

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