Personal quarterly 1/2024

PERSONALquarterly 01 / 24 34 SCHWERPUNKT_DIVERSITY MANAGEMENT he Forschungsarbeiten auf eine Vielzahl von Mechanismen hinwiesen, die zu gläsernen Klippen führen könnten (Ryan/ Haslam, 2007), konzentrieren sich die meisten Studien auf Geschlechter- und Führungsstereotype als zentralen Faktor (Cook/Glass, 2014; Ryan/Haslam/Hersby/Bongiorno, 2011). Hauptargument ist, dass stereotypisch männliche Eigenschaften im Allgemeinen mit Vorstellungen über erfolgreiche Führungskräfte in Einklang stehen („Think Manager – Think Male“), während vermutete weibliche Eigenschaften tendenziell nicht mit dem erfolgreichen Führungsprototyp vereinbar sind. So wird von typischen Führungskräften meist Durchsetzungsstärke und Dominanz erwartet – Eigenschaften, die eher Männern als Frauen zugeschrieben werden. Dies führt zu einer Voreingenommenheit zugunsten männlicher Führungskräfte. Unter Erweiterung dieses Arguments wurde in der bisherigen Forschung zur gläsernen Klippe erwartet, dass sich die Vorstellung von einer Führungskraft in einer Krisensituation ändert („Think Crisis – Think Female“), da größere emotionale Sensibilität und zwischenmenschliche Fähigkeiten als erforderlich angesehen werden, um bspw. schwierige Entscheidungen wie die Entlassung von Mitarbeitenden zu treffen (Cook/Glass, 2014; Ryan/Haslam, 2007). Weibliche Führungskräfte mit zugeschriebenen gemeinnützigen und prosozialen Eigenschaften werden daher in Krisenzeiten als kompetenter angesehen als Männer mit zugeschriebenen operativen Qualitäten (Cook/Glass, 2014). Natürlich entsprechen diese Zuschreibungen nicht der Realität, sondern sind stereotype Annahmen. Eine „ideale“ Führungskraft verbindet weibliche und männliche Eigenschaften und ist deshalb nicht klar einem stereotypen Geschlecht zuordenbar. Die bisherige Evidenz für diese Prozesse und den Effekt der gläsernen Klippe insgesamt ist sehr durchwachsen. Erste Hinweise ergaben sich aus einer Beobachtungsstudie mit Archivdaten der 100 größten britischen Unternehmen, die die Berufung weiblicher Führungskräfte mit zuvor fallenden Aktienpreisen in Verbindung brachten (Ryan/Haslam, 2005). Ähnliche Beobachtungsstudien gibt es auch für die 500 größten US-amerikanischen Unternehmen (Cook/Glass, 2014). Zur Untersuchung der zugrunde liegenden Mechanismen wurden größtenteils fiktive Online-Szenario-Experimente durchgeführt. In diesen Studien (z. B. Haslam/Ryan, 2008; Ryan et al., 2011) wurden Teilnehmenden Szenarien von Firmen vorgelegt, die entweder steigende oder fallende Leistungskennzahlen in den vergangenen Jahren vorgaben; diese sollten sich dann zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften entscheiden. Auch wenn sich hier Effekte zeigen, die die Hypothese der gläsernen Klippe unterstützen, stellt sich die Frage, ob diese fiktiven Entscheidungssituationen auf die reale Rekrutierung von Topführungskräften übertragbar sind. Zusätzliche Zweifel an der Existenz einer gläsernen Klippe ergaben sich aus einer Studie in deutschen und britischen Unternehmen, die mit robusteren Methoden in einer Feldstudie keine Evidenz für eine gläserne Klippe nachweisen konnte (Bechthold/Bannier/Rock, 2019). Eine neue Studie zur Signalwirkung der gläsernen Klippe Unsere aktuelle Studie (Reinwald/Zaia/Kunze, 2023) setzt an dieser gemischten Befundlage der bisherigen Forschung an und hat das Ziel, eine neue theoretische Perspektive und kausale Evidenz für eine gläserne Klippe zu entwickeln. Entgegen der vorherrschenden Hypothese, dass Frauen in Krisenzeiten wegen zugeschriebener Geschlechterstereotypen ausgewählt werden, vermuten wir, dass mit der Berufung von Frauen eher ein externes Signal an Investoren gesendet werden soll (Spence, 2002). So kann die Ernennung einer Frau in eine Vorstandsposition in Krisenzeiten ein wichtiges Signal der Wandlungsbereitschaft an Investoren senden. Unternehmen können auf diese Weise gut sichtbar zeigen, dass sie ihre Führung grundsätzlich neu aufstellen, indem sie von bisherigen (männlichen) Besetzungen abweichen und auch neu aufkommende soziale Normen in den Blick nehmen. Um diese Idee zu testen, haben wir einen Datensatz von 26.156 Führungskräfteernennungen von öffentlichen Unternehmen in den USA zwischen 2000 und 2016 zusammengestellt. Grundanforderung bei der Schätzung der gläsernen Klippe ist dabei allerdings, dass hierfür der Effekt einer Unternehmenskrise auf die Wahrscheinlichkeit weiblicher Berufungen akkurat geschätzt werden muss. Dies stellt eine Herausforderung dar, da Alternativerklärungen für eine Korrelation zwischen Firmenkrise und der Berufung weiblicher ABSTRACT Forschungsfrage: Nach dem Konzept der gläsernen Klippe werden Frauen verstärkt in Krisenzeiten in Führungspositionen berufen. Doch lässt sich das empirisch bestätigen und weshalb entstehen gläserne Klippen überhaupt? Methodik: In einer Studie untersuchen wir eine mögliche gläserne Klippe unter 26.156 Topmanagement-Berufungen in US-Unternehmen. Praktische Implikationen: Gläserne Klippen entstehen nach unseren Ergebnissen in US-Unternehmen vor allem, weil Krisenunternehmen gegenüber Investoren ihre Wandlungsbereitschaft signalisieren. Ein Bewusstsein für die gläserne Klippe und Maßnahmen im Berufungsprozess können dieser Tendenz entgegenwirken.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==