33 01 / 24 PERSONALquarterly Frauen sind in den Vorstandsetagen deutscher Unternehmen noch immer deutlich unterrepräsentiert. So lag der Anteil weiblicher Vorstände in den 200 umsatzstärksten deutschen Unternehmen zu Beginn des Jahres 2023 bei gerade einmal 15,6 %1 – trotz der Bemühungen von politischen Entscheidungsträgern und der gesetzlichen Verankerung einer Frauenquote für Vorstände großer deutscher Unternehmen.2 Auch international ist der Status quo mit Blick auf die Zahlen kaum anders. So zeigt eine Auswertung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und der Allbright Stiftung, dass es in den größten börsennotierten Unternehmen im Vorstand genauso viele Vorstände mit dem Vornamen Christian wie Frauen gibt.3 Doch weshalb ist der Anteil weiblicher Vorstände ungeachtet aller Bemühungen und Absichtserklärungen nach wie vor so niedrig? Eine mögliche Erklärung für den geringen Frauenanteil in Vorständen weltweit könnte das Phänomen der gläsernen Klippe (englisch: „Glas Cliff“) sein. Demnach werden Frauen häufiger in Top-Führungspositionen berufen, wenn das berufende Unternehmen sich in einer Krisensituation befindet. Auf den ersten Blick mag die verstärkte Ernennung von Frauen in Krisenzeiten die weibliche Repräsentation in Führungspositionen erhöhen, doch ein genauerer Blick legt nahe, dass diese Berufungen nicht nachhaltig zu einem Anstieg des Frauenanteils in Vorständen beitragen dürften. Zwar würden nach dem Phänomen der gläsernen Klippe Frauen verhältnismäßig oft in erfolglosen Unternehmen in Führungspositionen berufen, doch diese Positionen sind dann besonders risikobehaftet und Führungskräfte in diesen Positionen häufig zum Scheitern verurteilt. Entsprechend könnten Frauen in diesen Positionen dann für das Scheitern der Führung verantwortlich gemacht und entlassen werden. Daher auch die Analogie zu einer gläsernen Klippe, wonach eine Krise weiblichen Führungskräften zwar hilft, die gläserne Decke auf dem Weg zur Unternehmensspitze zu überwinden, sie aber gleichzeitig besonders exponiert mit hohem Absturzrisiko dastehen lässt. Kurz gesagt könnte die gläserne Klippe einer der Gründe für die stagnierenden Zahlen von Frauen in Führungspositionen sein. Hochkarätige Fälle scheinen die Vorstellung von der gläsernen Klippe zu stützen: In Deutschland lassen sich vor allem Die gläserne Klippe für Frauen in Führungspositionen – neueste Forschungserkenntnisse Von Dr. Max Reinwald (Ludwig-Maximilians-Universität München) und Prof. Dr. Florian Kunze (Universität Konstanz) in der Spitzenpolitik Beispiele finden. So schaffte es Andrea Nahles erst an die Spitze der SPD, nachdem diese ein historisch schlechtes Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 eingefahren hatte. Lange halten konnte sie sich dort allerdings nicht. Auch Angela Merkels Aufstieg in den CDU-Vorsitz lässt sich mit der gläsernen Klippe erklären, auch wenn sie trotz aller Schwierigkeiten ihre Position über die Jahre festigen konnte. So schaffte sie es erst 2000 an die Spitze der CDU, als die Partei durch eine Spendenaffäre gebeutelt war. Prominente Beispiele für die gläserne Klippe in der Wirtschaft sind Marissa Mayer oder auch Christina Riley. Marissa Mayer wurde die erste weibliche CEO von Yahoo, als das Internetunternehmen bereits deutlich von Google überholt worden war. Christina Riley wurde zum bislang einzigen weiblichen Vorstand der Deutschen Bank ernannt, als die Bank von einer Krise in die nächste taumelte und bereits fünf Jahre in Folge rote Zahlen schrieb. Aber was ist neben diesen Einzelfällen zur wissenschaftlichen Evidenz des Glass-Cliff-Phänomen bekannt? In diesem Artikel fassen wir den Stand der allgemeinen Forschung in diesem Bereich und einer gerade neu veröffentlichten Studie im Speziellen zusammen. Stand der Forschung zur gläsernen Klippe Das Konzept der gläsernen Klippe wurde ursprünglich von den beiden Sozialpsychologen Michelle Ryan und Alexander Haslam vor fast 20 Jahren beschrieben (Ryan/Haslam, 2005) und kurz darauf genauer theoretisch definiert (Ryan/Haslam, 2007). Die grundlegende Annahme der gläsernen Klippe besagt, dass Unternehmen in einer Krise eher dazu neigen, Frauen in Führungspositionen zu berufen (Ryan/Haslam, 2007). Krise wird dabei definiert als „jede Form von dramatischer Reduktion des finanziellen und/oder reputationsbezogenen Wohlergehens, die sich negativ auf den wahrgenommenen Zustand der Organisation auswirkt“ (S. 553). Während frü1 https://www.haufe.de/personal/hr-management/frauenanteil-in-aufsichtsrat-vorstand-undfuehrungspositionen_80_482366.html#:~:text=Das%20DIW%20Managerinnen%2DBarometer%20 verzeichnet,Unternehmen%20auf%2015%2C6%20Prozent. 2 https://www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/bundesregierung-beschliesst-gesetz-zur-frauenquotein-vorstaenden_76_533872.html 3 https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/gleich-viele-frauen-wie-christian-als-chefs-deutscher-unternehmen-18855439.html
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==