Personal quarterly 1/2024

PERSONALquarterly 01 / 24 26 SCHWERPUNKT_DIVERSITY MANAGEMENT Viele Unternehmen beklagen, dass sich auf bestimmte Stellen (wie in technischen Bereichen oder für Managementpositionen) zu wenige Frauen bewerben. Daraus resultiert ein Teufelskreis, denn wenn sich wenige Frauen bewerben, ist auch die Chance, eine Frau auszuwählen, geringer. So kann es vorkommen, dass ganze Abteilungen mit fast ausschließlich männlichen Mitarbeitenden oder Führungskräften besetzt sind. Diese Geschlechterungleichheit ist ethisch und gesellschaftlich problematisch, da sich alteingesessene Geschlechterrollen weiter verfestigen und Stereotype verstärken. Sie kann zudem mit einer geringeren Leistung von Teams einhergehen: Gemischtgeschlechtliche Teams sind innovativer und haben eine höhere „Teamintelligenz“ – also mehr gemeinsame Intelligenz (Woolley et al., 2010). Studien sprechen auch für einen Zusammenhang von Frauen in Top-Führungspositionen und Unternehmenserfolg (Hoobler et al., 2018), jedoch ist aktuell noch nicht klar, was Ursache und was Wirkung ist – also ob erfolgreiche Unternehmen Frauen eher fördern oder ob Frauen Unternehmen eher zum Erfolg führen. In jedem Fall lohnt es sich für Personalverantwortliche und Führungskräfte, die Geschlechterverteilung in ihrem Unternehmen und ihren Teams im Blick zu behalten. Viele von ihnen sind daran interessiert, ähnlich viele Frauen wie Männer für eine Bewerbung zu gewinnen und damit einen ausgeglichenen Pool an Bewerbenden zu haben. Wann bewerben sich Frauen? Ein großer Faktor, warum Frauen in einigen Unternehmen und Unternehmensbereichen unterrepräsentiert sind, sind Vorurteile, mit denen sie konfrontiert werden (Hentschel, 2020; Hentschel et al., 2017). Frauen werden mitunter als weniger passend für traditionell männliche Bereiche gesehen. Allerdings entscheiden sich Frauen auch aktiv gegen eine Bewerbung auf bestimmte Stellen. Woran liegt das? Zugrunde liegende Theorie: Durch geschlechtertypische Sozialisierung erlernen Männer und Frauen Geschlechterrollen und internalisieren Geschlechterstereotype. Bspw. nehmen sich Frauen im Vergleich zu Männern als verständnisvoller und mitfühlender wahr. Männer hingegen nehmen sich als Frauen rekrutieren – aber wie? Signale in Stellenanzeigen Von Dr. Tanja Hentschel (University of Amsterdam) wettbewerbsorientierter und führungskompetenter wahr (Hentschel et al., 2019). Wenngleich diese Unterschiede in der Wahrnehmung nicht auf alle Männer und Frauen zutreffen und es kulturelle Unterschiede gibt (Obioma et al., 2022), werden sie offenkundig, wenn man Durchschnittswerte betrachtet. Positionen und Unternehmen können ebenfalls als stereotyp feminin oder stereotyp maskulin wahrgenommen werden. So werden Führungspositionen, technische Berufe oder Start-ups als stereotyp männliche Kontexte wahrgenommen und Berufe mit Kinderbetreuung oder Pflege als stereotyp weibliche Kontexte (Dutz et al., 2022). Mit der weitreichenden Theorie der mangelnden Passung (Lack of Fit Model) erklärt Madeline Heilman (1983), dass Personen vergleichen, (A) wie sie sich selbst sehen und (B) wie sie die Stelle, das Arbeitsumfeld oder das Unternehmen sehen. Frauen nehmen eher eine Passung auf stereotyp weibliche Kontexte wahr, Männer eher auf stereotyp männliche Kontexte. Wenn nur eine geringe Passung wahrgenommen wird, nehmen Personen eher (auch oft fälschlicherweise) an, dass sie nicht die nötigen Kompetenzen mitbringen, um eine Position gut auszufüllen. Sie nehmen womöglich auch an, in diesen Kontexten nicht willkommen zu sein oder sich nicht wohlzufühlen. Daher entscheiden sie sich bei der Wahrnehmung einer geringen Passung eher gegen eine Bewerbung. Unternehmen haben natürlich wenig Einfluss auf die Selbstwahrnehmung möglicher Kandidatinnen und Kandidaten. Sie können aber maßgeblich beeinflussen, wie eine Position oder das Unternehmen wahrgenommen wird, z. B. mittels der Formulierung ihrer Stellenanzeigen. Stellenanzeigen sind eine wichtige und in vielen Fällen die einzige Informationsquelle, die Bewerbende haben. Stellenanzeigen haben Einfluss auf die Bewerbungsabsicht von Frauen – mehr als auf die von Männern, die weniger auf subtile Signale in Stellenanzeigen reagieren (Gaucher et al., 2011). Auf welche Informationen achten Frauen konkret, wenn sie eine Position oder ein Unternehmen in Augenschein nehmen und eine Bewerbungsentscheidung treffen? Im Folgenden werden dazu fünf Studien kurz beleuchtet.

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