Personal quarterly 1/2024

PERSONALquarterly 01 / 24 10 SCHWERPUNKT_DIVERSITY MANAGEMENT Effektives Management von Diversität hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Verschiedene Entwicklungen wie die zunehmende Migration, die steigende Erwerbsteilnahme von Frauen sowie der demografische Wandel führen dazu, dass Teams immer diverser werden. Vor dem Hintergrund einer zunehmend älter werdenden Belegschaft gewinnt auch das Thema Behinderungsdiversität stetig an Relevanz (Boehm/Dwertmann, 2015). Diversität am Arbeitsplatz ist aus unterschiedlichen Gründen zu begrüßen, sei es aus moralischer Perspektive und dem Ruf nach mehr Gerechtigkeit oder aus wirtschaftlicher Perspektive, da ein breiterer Talentpool Wettbewerbs- und Innovationsvorteile verspricht. Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass diversere Teams das Potenzial für eine höhere Kreativität und Leistung haben und besser komplexe Probleme lösen können (Homan et al., 2015; van Knippenberg et al., 2004). Gleichzeitig kann Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation aber auch eine Quelle für Konflikte und Kommunikationsprobleme sein (Jackson et al., 2003; Nishii, 2013). In Wissenschaft und Praxis hat sich daher zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass Diversität eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für nachhaltigen Unternehmenserfolg ist. Tatsächlich scheint es erforderlich, Diversität nicht nur zu schaffen, sondern sie auch aktiv zu gestalten. Ein Faktor, der sich als besonders wichtig für das Funktionieren diverser Einheiten herausgestellt hat, ist das Inklusionsgefühl der Mitarbeitenden: Fühlen sich alle Mitarbeitenden inkludiert, lassen sich die Herausforderungen von Diversität meistern und die Chancen bestmöglich nutzen. Der positive Effekt von Inklusion zeigt sich konsistent bei unterschiedlichsten Diversitätskategorien (z. B. Behinderung, Geschlecht, Alter, Kultur) und bei allen Mitarbeitenden unabhängig davon, ob sie einer marginalisierten Gruppe angehören oder nicht (Dwertmann/Boehm, 2016; Nishii, 2013; Shore et al., 2018). Megatrends, wie die zunehmende Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeit, schaffen dabei immer wieder neue Rahmenbedingungen für das Inklusionserleben von Mitarbeitenden. Effektives Diversity Management sollte daher hier ansetzen und das Inklusionsgefühl Von Diversität zu Inklusion: Aktuelle Forschung zu Behinderung und Telearbeit Von Prof. Dr. Stephan A. Böhm, Magdalena Schertler und Nicola V. Glumann (Universität St.Gallen) aller Mitarbeitenden aktiv und auf den Kontext abgestimmt fördern. Hierfür ist es zunächst notwendig, Inklusion zu definieren und zu operationalisieren. Der St. Gallen Inclusion Index Einen Ansatz zur Messung von Inklusion stellt der St. Gallen Inclusion Index dar, der Inklusion als Prozess versteht, der auf zwei Ebenen stattfindet und dabei vier Dimensionen umfasst: Auf individueller Ebene stellen ein Gefühl der Zugehörigkeit sowie Authentizität (Jansen et al., 2014) wichtige Schlüsseldimensionen von Inklusion dar. Auf der Teamebene sind Chancengleichheit und Perspektivenvielfalt (Dwertmann et al., 2016; Nishii, 2013) zentrale Faktoren für eine erfolgreiche Inklusion. Alle vier Dimensionen werden im St. Gallen Inclusion Index integriert und operationalisiert (SGII; Baumgärtner et al., 2023). Zugehörigkeit, als erste Dimension des Index, beschreibt ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, das schon seit Langem erforscht wird. Wie neueste metaanalytische Ergebnisse zeigen, gehen soziale Ausgrenzung und ein Mangel an Zugehörigkeit mit einer geringeren Lebenserwartung und einer höheren Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs einher (Wang et al., 2023). Auch im Unternehmenskontext ist es für die Mitarbeitenden von elementarer Bedeutung, sich ihrem Team zugehörig zu fühlen. Hierdurch werden Konflikte reduziert und die Bildung von Subgruppen wird stark verringert. Ein zu ausgeprägtes „Wirgefühl“ kann allerdings auch einen Preis haben, da es potenziell zu Gruppendenken führen kann. Unter Gruppendenken versteht man die Tendenz, Entscheidungen innerhalb einer Gruppe weniger kritisch zu hinterfragen und stattdessen die Solidarität mit der Gruppe in den Vordergrund zu stellen, was zu fehlerhaften Entscheidungsprozessen führen kann. An dieser Stelle kommt die zweite Dimension des Index ins Spiel: Authentizität (Jansen et al., 2014; Schertler et al., in press). Die Zugehörigkeit zur Gruppe sollte nämlich nicht um den Preis einer zu starken Anpassung erkauft werden müssen, die die Potenziale von Diversität (u. a. andere Erfahrungen, Einstellungen, Wissensbasen, soziale Netzwerke) vermindert. Nur wenn Mitarbeitende am Arbeitsplatz sie selbst sein und

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