Personal quarterly 3/2024

MATERIAL-NR. 04000-5073 Neue Erkenntnisse zur Strategischen Personalplanung quarterly PERSONAL 03 2024 | 76. Jahrgang | www.personalquarterly.de Wissenschaftsjournal für die Personalpraxis State of the Art: Büro vs. Homeoffice – Homeoffice bleibt eine produktive Arbeitsform S. 44 WECKMÜLLER/LOURENCO/BIEMANN Die Rolle der Strategischen Personalplanung für die Transformation in Unternehmen S. 6 INTERVIEW MIT RAINER STRACK Einführung der Viertagewoche – personalstrategische Überlegungen S. 22 SIEGLING/SPENGLER/HERZOG Berücksichtigung von Mitarbeiterinnen in der Nachfolgeplanung S. 8 REICHEL/ANDRESEN Servant leadership in different cultures: a comparison of Italian and Japanese CEOs S. 38 BELLENGHI/HUBNER-BENZ Individualisierte Karriereplanung – Laufbahnentwicklung mit der Protean Career S. 14 GUBLER

3 EDITORIAL 03 / 24 PERSONALquarterly Liebe Leserinnen und Leser, für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist es entscheidend, die richtigen Talente zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben. Der Fachkräftemangel und die digitale Transformation bringen große Verwerfungen in der Personalstruktur mit sich und machen diese grundlegende Personalaufgabe komplexer als zuvor. Vor allem erfordern diese Entwicklungen von Unternehmen Weitblick und vorausschauendes Handeln. Doch diese langfristige Perspektive einer Strategischen Personalplanung kann im Tagesgeschäft leicht untergehen. Wir möchten in diesem Schwerpunkt deshalb verschiedene Möglichkeiten vorstellen, wie in Ihrem Unternehmen die Personal- und Laufbahnplanung an aktuelle Herausforderungen angepasst und nachhaltig umgesetzt werden kann. Den Anfang macht ein Interview mit Rainer Strack, der bereits vor über zehn Jahren die Bedeutung Strategischer Personalplanung für die Bewältigung einer sich anbahnenden Arbeitskräftekrise herausgestellt hat und das Thema so auf die Agenda vieler Organisationen bringen konnte. Im Beitrag von Astrid Reichel und Maike Andresen stellen die Autorinnen ein Konzept für adaptive Nachfolgeplanung vor, um die Karriereentwicklung von Frauen zu fördern. Diese Grundidee stärker individualisierter Konzepte zur Laufbahnentwicklung findet sich auch im Beitrag von Martin Gubler wieder, der die „Protean Career“ vorstellt und Handlungsempfehlungen gibt. Kim Michelle Siegling, Thomas Spengler und Sebastian Herzog greifen mit der Viertagewoche ein aktuelles Thema auf. Im letzten Beitrag stellen Jutta Rump, Pia Stelz und Silke Eilers ein Projekt zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen vor. Ihr Fokus liegt auf einer ganzheitlichen Betrachtung der Karrieren und auf den Stellhebeln, an denen Unternehmen Einfluss nehmen können. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen! Prof. Dr. Torsten Biemann, Universität Mannheim Daniel Lourenco, Universität Mannheim

4 IMPRESSUM PERSONALquarterly 03 / 24 MANAGING EDITORS Prof. Dr. Rüdiger Kabst, Paderborn Prof. Dr. Simone Kauffeld, Braunschweig Prof. Dr. Torsten Biemann, Mannheim Prof. Dr. Claudia Buengeler, Kiel EHRENHERAUSGEBER Prof. em. Dr. Dieter Wagner, Potsdam Gegründet im Jahr 1949 IMPRESSUM Redaktion/Schriftleitung: Prof. Dr. Rüdiger Kabst (Universität Paderborn), Telefon: 05251 602804, E-Mail: redaktion@personalquarterly.de Redaktion/Objektleitung: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Reiner Straub, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg, Telefon: 0761 898-3113, E-Mail: Reiner.Straub@haufe-lexware.com Associate Review Editor: Frederic-Alexander Starmann, E-Mail: Frederic.Alexander.Starmann@uni-paderborn.de Redaktion/CvD (Chefin vom Dienst): Anja Bek, Telefon: 0761 898-3537, E-Mail: Anja.Bek@haufe-lexware.com. Redaktionsassistenz: Brigitte Pelka, Telefon: 0761 898-3921, E-Mail: Brigitte.Pelka@haufe-lexware.com Disclaimer: Mit Namen gezeichnete Artikel spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Texteinreichung: Alle Manuskripte sind an die obige Adresse der Redaktion, bevorzugt die Schriftleitung (redaktion@personalquarterly.de), zu schicken. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Beiträge werden nur nach Begutachtung im Herausgeberbeirat veröffentlicht. Näheres regelt ein Autorenmerkblatt. Dieses können Sie anfordern unter: redaktion@personalquarterly.de; zum Download unter www.haufe.de/pq. Verlag: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Ein Unternehmen der Haufe Group, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg, Telefon: 0761 898-0, Fax: 0761 898-3990, Kommanditgesellschaft, Sitz Freiburg, Registergericht Freiburg, HRA 4408 Komplementäre: Haufe-Lexware Verwaltungs GmbH, Sitz Freiburg, Registergericht Freiburg, HRB 5557; Martin Laqua Geschäftsführung: Iris Bode, Jörg Frey, Matthias Schätzle, Christian Steiger, Dr. Carsten Thies, Beiratsvorsitzende: Andrea Haufe; Steuernummer: 06392/11008 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: DE812398835. Leserservice: Haufe Service Center GmbH, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg, Telefon: 0800 72 34 253 (kostenlos), Fax: 0800 50 50 446 (kostenlos), E-Mail: Zeitschriften@haufe.de Anzeigen/Media Sales: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Niederlassung Würzburg, Unternehmensbereich Media Sales, John-Skilton-Straße 12, 97074 Würzburg; Bernd Junker (verantwortlich), Telefon: 0931 2791-477, E-Mail: Bernd.Junker@haufe-lexware.com; Thomas Horejsi, Telefon: 0931 2791-451, E-Mail: Thomas.Horejsi@ haufe-lexware.com Anzeigendisposition: Yvonne Göbel, Telefon: 0931 2791-470, Yvonne.Goebel@haufe-lexware.com Erscheinungsweise: vierteljährlich Internetpräsenz: www.personalquarterly.de Abonnementpreis: Jahresabonnement PERSONALquarterly (4 Ausgaben) 139 Euro inkl. MwSt., Porto- und Versandkosten. Bestell-Nummer: A04000_DIR. Copyright: Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Publikation darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags bzw. der Redaktion nicht vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt auch die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie sowie die Aufnahme in elektronische Medien (Datenbanken, CD-ROM, Disketten, Internet usw.) Layout: Ruth Großer, Maria Nefzger Titelbild: J Studios / gettyimages.de Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, ISSN 2193-0589

5 INHALT 03 / 24 PERSONALquarterly SCHWERPUNKT 6 Die Rolle der Strategischen Personalplanung für die Transformation in Unternehmen Interview mit Rainer Strack 8 „Die bleibt doch eh beim Kind!“ Berücksichtigung von Mitarbeiterinnen in der Nachfolgeplanung Univ.-Prof. Mag. Dr. Astrid Reichel und Prof. Dr. Maike Andresen 14 Individualisierte Karriereplanung – Laufbahnentwicklung mit der „Protean Career“ Prof. Dr. Martin Gubler 22 Einführung der Viertagewoche – personalstrategische Überlegungen Kim Michelle Siegling, Prof. Dr. Thomas Spengler und Sebastian Herzog 30 Wie mit der 9x3er-Regel mehr Diversity auf Vorstandsebene erreicht werden kann Prof. Dr. Jutta Rump, Silke Eilers und Pia Stelz NEUE FORSCHUNG 38 Servant leadership in different cultures: a comparison of Italian and Japanese CEOs Dott.ssa Mag. Elena Bellenghi und Prof. Dr. Sylvia Hubner-Benz STATE OF THE ART 44 Büro versus Homeoffice: Homeoffice bleibt eine produktive Arbeitsform Prof. Dr. Heiko Weckmüller, Daniel Lourenco und Prof. Dr. Torsten Biemann ESSENTIALS 48 Rezensionen: Richtungsweisendes aus internationalen Top-Journals Johannes Brunzel und Frederic-Alexander Starmann SERVICE 50 Die Fakten hinter der Schlagzeile: Mit guter Führung Mobbing vermeiden? 52 Forscher im Porträt: Prof. Dr. Hannes Zacher 54 Den PERSONALquarterly-Fragebogen beantwortet Prof. Dr. Herbert Schaaff

6 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly 03 / 24 PERSONALquarterly: Im Jahr 2014 hielten Sie einen viel beachteten TED-Talk zur globalen Arbeitskräftekrise mit mehr als zwei Millionen Aufrufen. Sind die Unternehmen jetzt – zehn Jahre später – besser darauf vorbereitet? Rainer Strack: Teilweise. Die eine Hälfte der Unternehmen schaut viel langfristiger in die Zukunft als noch vor Jahren und antizipiert dabei frühzeitig große zukünftige Verwerfungen in der Personalstruktur. Leider gibt es aber auch noch viele Unternehmen, bei denen Strategische Personalplanung in den Kinderschuhen steckt. PERSONALquarterly: Zumindest der Fachkräftemangel scheint inzwischen im Bewusstsein vieler Unternehmen angekommen zu sein. Wie kann Strategische Personalplanung Unternehmen dabei helfen, diese Lücke zu schließen? Rainer Strack: Strategische Personalplanung besteht grundsätzlich aus fünf Modulen. Im ersten Modul werden die Mitarbeitenden in eine Skillcluster-Struktur eingeteilt, damit kommt man weg von klassischer Kopfzahlplanung und hin zu einer Planung von Skillclustern. Anschließend werden zwei Modelle gebaut. Bei einem Personalbestandsmodell wird der zukünftige Personalbestand abhängig von Renteneintritt und Fluktuation simuliert. Hierdurch können frühzeitig demografische Herausforderungen identifiziert werden. Das Herzstück einer Strategischen Personalplanung ist aber das Personalbedarfsmodell. Hier wird der Personalbedarf in einem einfachen Treibermodell geplant, abhängig von der Strategie, von technologischen Veränderungen oder von Produktivitätssteigerungen. In diesem Modul wird also Strategie mit Personal quantitativ verknüpft. Im vierten Modul wird die Gap-Analyse durchgeführt, quasi Bestand minus Bedarf. Im letzten Modul werden daraus Maßnahmen abgeleitet. Also wo muss ich querqualifizieren, von Überdeckungen zu Unterdeckungen, wo muss ich rekrutieren, wo kann ich ausbilden, wo sollte ich in- oder outsourcen und wo muss ich auch Kapazität reduzieren? PERSONALquarterly: In welchem Zusammenhang steht die Strategische Personalplanung mit anderen Prozessen im Unternehmen, sowohl innerhalb von HR, aber auch über HR hinaus? Rainer Strack: Der letzte der fünf Schritte liefert den quantitativen Input für die Trainings-/Entwicklungsstrategie, die Recruiting-, die Ausbildungs- oder auch die In- und Outsourcing-Strategie. Wie es ein Kunde von mir ausdrückte, ist Strategische Personalplanung die Mutter aller Personalprozesse. Natürlich muss dieser Prozess mit der Strategie und der Finanzplanung als drittem entscheidendem Planungsprozess im Unternehmen verbunden werden. Wenn man die Anzahl der Mitarbeitenden in der Finanzplanung mit der Anzahl derer in der Strategischen Personalplanung vergleicht, ist die Finanzseite um ein Vielfaches besser ausgestattet, obwohl die knappe Resource viel eher im Personal als im Kapital liegt. PERSONALquarterly: Welche Rolle spielen Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten der Belegschaft? Rainer Strack: Für eine Vertriebsstrategie brauchen Sie eine Kundensegmentierung, und für eine Personalstrategie – und Strategische Personalplanung ist eine Art quantitativer Personalstrategie – brauchen Sie eine Mitarbeitersegmentierung auf der Basis von Skills. Das ist das erste der fünf Module. PERSONALquarterly: Welchen Stellenwert wird Strategische Personalplanung in der Zukunft haben? Rainer Strack: Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Die demografische ist nur die eine Seite. In der Terminologie von Strategischer Personalplanung gesprochen: Es tut sich unheimlich viel auf der Personalbestandsseite. Ebenso wird es große Verwerfungen durch technologische und digitale Veränderungen auf der Personalbedarfsseite geben. Unternehmen werden andere Skills benötigen im Vergleich zu heute. Hierfür brauchen Unternehmen einen Kompass, ein Tool, sonst werden sie diese Transformation nicht meistern können. PERSONALquarterly: Können KI und Algorithmen die Strategische Personalplanung eines Unternehmens ersetzen? Rainer Strack: KI wird Strategische Personalplanung auf ein anderes Niveau bringen. Wir haben zum Beispiel mithilfe von KI Strategische Personalplanung mit der individuellen SkillPlanung verbunden. Die Rolle der Strategischen Personalplanung für die Transformation in Unternehmen Das Interview mit Rainer Strack führten Torsten Biemann und Daniel Lourenco

7 03 / 24 PERSONALquarterly PERSONALquarterly: KI wird viele Jobs ersetzen, andere schaffen und andere wiederum stark verändern. Was heißt das für die Prämissen der Strategischen Personalplanung? Ist es angesichts der rapiden technologischen Entwicklungen überhaupt noch möglich, solide Prognosen über zukünftigen Bedarf abzugeben? Rainer Strack: Schon Seneca hat gesagt, wer den Hafen nicht kennt, für den ist kein Wind günstig. Ich muss ungefähr wissen, wohin die Reise geht – bei aller Unsicherheit. Deswegen ist das Personalbedarfsmodell treiberbasiert, weil keiner genau weiß, wie die Situation in fünf Jahren aussieht. Dadurch kann man verschiedene Szenarien sehr schnell durchsimulieren und sogenannte „Non-regret“-Maßnahmen ableiten, die für verschiedene Szenarien Gültigkeit haben. PERSONALquarterly: Wie kann eine Strategische Personalplanung die Rolle von Frauen in der Organisation und in der Gesellschaft berücksichtigen, beispielsweise wenn ein höherer Anteil von Frauen in Führungspositionen im Unternehmen angestrebt wird? Rainer Strack: Neben Skillclustern kann ich natürlich noch andere Diversity-Dimensionen wie zum Beispiel Gender in meine Planung aufnehmen und sehen, wo und wann ich in welchen Bereichen welche Unterdeckungen und Überhänge habe. Damit kann ich viel zielgerichteter Diversity im Unternehmen planen und steuern. PERSONALquarterly: Die Coronapandemie hat den Paradigmenwechsel in Bezug auf Arbeitsmodelle beschleunigt. Wie kann eine Strategische Personalplanung gestaltet werden, um alternative Arbeitsmodelle wie die Viertagewoche oder mobiles Arbeiten zu berücksichtigen? Rainer Strack: Arbeitsmodelle könnte man auch als zusätzliches Kriterium mit aufnehmen. Schichtmodelle haben wir immer schon simuliert. Allerdings wird man in Strategischer Planung nicht alles abbilden können. Da muss man auch vorsichtig sein, dass Strategische Personalplanung nicht zu einem Datenmonster wird, das nicht mehr durchschaut und damit auch nicht mehr akzeptiert wird. PERSONALquarterly: Basierend auf Ihrer Beratungserfahrung, was ist die größte Herausforderung, die Unternehmen beim Einführen einer Strategischen Personalplanung erleben? Rainer Strack: Der HR-Bereich ist historisch nicht so quantitativ und strategisch unterwegs. HR für HR, also ein Upskilling in quantitativen, strategischen Skills, wird entscheidend für Unternehmen sein, um Strategische Personalplanung zu beherrschen. PERSONALquarterly: In Ihrem derzeitigen Projekt geht es auch um strategische Planung, allerdings die der Karriere und des eigenen Lebens. Können Sie diese Idee kurz beschreiben? HON.-PROF. DR. RAINER STRACK E-Mail: Strack.Reiner@bcg-emeritus.com Rainer Strack ist Senior Partner Emeritus und Senior Advisor bei der Boston Consulting Group (BCG), wo er zehn Jahre lang das globale Thema People Strategy aufgebaut und geleitet hat. Er studierte Physik und Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen und promovierte in Physik. 2008 wurde er zum Honorarprofessor für strategisches HR- und Personalmanagement an der Uni Witten/Herdecke ernannt. Er war CoLeiter des Themas „Future of Work“ des Weltwirtschaftsforums. Sein TED-Talk zur „Global Workforce Crisis“ hat bereits über 2,1 Millionen Aufrufe, sein Video „Strategize Your Life“ über 700.000. Rainer Strack: In meinem neuen Konzept „Strategize Your Life“, das wir gerade im Harvard Business Review veröffentlicht haben, wenden wir strategisches Denken aus den Vorstandsetagen auf das eigene Leben an. Nach einem 7-Schritte-Programm werden Sie am Ende die erste Version Ihrer Lebensstrategie definiert haben – auf einer einzigen Seite. Von den bisher mehr als 600 Teilnehmern (Studierende, Berufsanfänger, Talente, Führungskräfte oder Rentner) haben nur etwa drei Prozent eine Strategie für ihr Leben definiert. Häufig leben wir in den Tag hinein, jeder Tag ist wie der andere. Das wollen wir mit diesem einfachen Konzept ändern.

PERSONALquarterly 03 / 24 8 SCHWERPUNKT_STRATEGIC WORKFORCE PLANNING Nachfolgeplanung heißt, dafür zu sorgen, dass Schlüsselpositionen in Organisationen mit den richtigen Personen zur richtigen Zeit am richtigen Ort besetzt sind. Im Gegensatz zum „replacement hiring“, das darauf abstellt, lediglich reaktiv den akut vorhandenen Bedarf so zu decken, dass keine Krisen entstehen, ist die Nachfolgeplanung proaktiv und darauf ausgerichtet, dass akute Handlungszwänge gar nicht erst aufkommen. Basis dieser Planung ist somit, dass die im höchsten Maße unsicheren Elemente (Was ist eine Schlüsselposition? Was ist „richtig“? Wer ist „richtig“? …) treffsicher eingeschätzt werden. Entsprechend ist Nachfolgeplanung der fortwährende Prozess, potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger für Schlüsselpositionen in Organisationen zu identifizieren und sie so zu entwickeln, dass sie die Rollen, die in den kritischen Positionen verlangt werden, im Bedarfszeitpunkt ausfüllen können. Der Prozess der Nachfolgeplanung umfasst die Beschäftigung mit der (HRM-)Strategie der Organisation, das Erfassen der aktuellen Belegschaft, das Vorhersagen zukünftiger Entwicklungen in der Organisation und in ihrem Umfeld (etwa Arbeitsmarkt, aber auch Produkt- und Finanzmarkt), das Designen strukturierter Personalentwicklungsmaßnahmen, die Nachfolger für Schlüsselpositionen adäquat auf diese vorbereiten, und das Identifizieren passender Personen, die das Potenzial haben, (nach Durchlaufen der Entwicklungsmaßnahmen) die kritischen Positionen und die damit verbundenen Rollen einzunehmen. Nachfolgeplanung erfolgt unter Unsicherheit hinsichtlich Verfügbarkeit und Passung Der Personalentwicklung kommt im Rahmen der Nachfolgeplanung eine besondere Bedeutung zu. Sie dient dazu, die diversen in der Organisation bereits vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten systematisch auf ein Niveau zu entwickeln, dass Mitarbeitende im Falle einer Vakanz einer Schlüsselposition unmittelbar die benötigte Rolle ausfüllen können. Mitarbeitende im Zuge der Nachfolgeplanung entsprechend zu entwickeln, ist allerdings mit hoher Unsicherheit verbunden. Zwei der großen Unsicherheitsfaktoren sind, ob die Entwick- „Die bleibt doch eh beim Kind!“ Berücksichtigung von Mitarbeiterinnen in der Nachfolgeplanung Von Univ-Prof. Mag. Dr. Astrid Reichel (Universität Salzburg) und Prof. Dr. Maike Andresen (Universität Bamberg) lungsmaßnahmen entsprechend fruchten (Passung) und ob die Mitarbeitenden in der Nachfolgesituation tatsächlich mit dem erforderlichen Profil zur Verfügung stehen (Verfügbarkeit). So ist es für Organisationen schwierig zu prognostizieren, ob die Entwicklungsmaßnahmen es den Mitarbeitenden ermöglichen werden, in der Nachfolge der Schlüsselposition die Rolle so auszufüllen und sich so zu verhalten, wie es für die Position passend und der Organisation dienlich ist. Zudem ist die Prognose schwierig, wie lange Mitarbeitende überhaupt bei einem Arbeitgeber bleiben und ob sie zum benötigten Zeitpunkt verfügbar sein werden. Entwicklungsmaßnahmen verhindern nicht notwendigerweise, dass Mitarbeitende die Organisation verlassen, und garantieren nicht, dass sie, wenn sie in der Organisation verbleiben, auch für die zu besetzende Position zur Verfügung stehen (Atwood, 2020). Entscheidungen über Investitionen in die Entwicklung von Mitarbeitenden für die Nachfolgeplanung werden also unter Bedingungen unvollkommener Information getroffen. In Anbetracht dieser Ungewissheit müssen sich Entscheidungsträger bei Entscheidungen über Investitionen in die Entwicklung von potenziellen Nachfolgern auf Schlüsselpositionen an Erwartungen über die zukünftige Passung und Verfügbarkeit von Mitarbeitenden orientieren (Tomaskovic-Devey/Skaggs, 1999). Erwartungsbildung basierend auf Gruppenmerkmalen Um diese Erwartungen zu bilden, nutzen Entscheidungsträger die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen (Bertrand/ Duflo, 2017) – allen voran leicht verfügbare Informationen. Das Konzept der statistischen Diskriminierung erklärt, wie Menschen Erwartungen in solchen Situationen herausbilden, in denen personenbezogene Informationen – wie die zukünftige Passung und Verfügbarkeit genau der Person, die für eine Schlüsselposition in Frage kommt – begrenzt sind. Das Konzept besagt, dass Menschen dazu tendieren, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe als Informationsquelle zu nutzen, um Erwartungen über die zukünftige Passung und Verfügbarkeit von einzelnen Personen zu entwickeln, die als Teil dieser Gruppe wahrgenommen werden (Bertrand/Duflo, 2017). Das führt dazu, dass Entscheidungsträger die durchschnittliche Passung und Verfügbarkeit, die der ganzen Gruppe zugeschrieben werden, auch von jedem

9 03 / 24 PERSONALquarterly einzelnen Mitglied der Gruppe erwarten. Das Bild der gesamten Gruppe ergibt sich aus verfügbaren Durchschnittswerten, zum Beispiel über Wechselwahrscheinlichkeiten, Verweildauern, Entwicklungsverläufe et cetera sowie aus stereotypen Annahmen über die Gruppe, die nicht unbedingt durch statistische Daten gestützt werden (Tomaskovic-Devey/Skaggs, 1999). Das Geschlecht ist eine solche einfach verfügbare Information über einen Mitarbeitenden, welche zugleich ein Gruppenmerkmal darstellt. Die Überzeugungen von Entscheidungsträgern über das „typische“ Verhalten von Frauen werden als Informationsquelle für alle einzelnen Personen, die als weiblich und somit als Teil der Gruppe „Frauen“ wahrgenommen werden, herangezogen. Wenn es um Investitionsentscheidungen in die Entwicklung von Frauen im Zuge der Nachfolgeplanung geht, bilden Entscheidungsträger mithilfe der „Durchschnittsinformationen“ über Frauen Erwartungen über deren zukünftige Verfügbarkeit und (Leistungs-)Verhalten. Wird die Wahrscheinlichkeit der Verfügbarkeit und Leistung/Passung von Frauen geringer eingeschätzt als jene anderer Gruppen (z. B. Männer), wird diese risikobehaftete Investitionsentscheidung eher zuungunsten von Frauen getroffen. Es erfolgt mithin eine statistische Diskriminierung von Mitarbeiterinnen. „Maybe Baby Bias“ trotz und wegen sozialpolitischer Fördermaßnahmen Investitionen in die Entwicklung von Frauen werden gemeinhin als risikoreicher wahrgenommen als jene in Männer. Diese Wahrnehmung wird in erster Linie von Erwartungen bestimmt, die eigentlich außerhalb der Arbeitsbeziehungen liegen. In allen Gesellschaften ist eine zentrale außerberufliche Verantwortung die Kinderbetreuung. Betreuungsaufgaben werden typischerweise und durch eine Vielzahl statistischer Analysen belegt zum überwiegenden Teil von Frauen übernommen (z. B. Leopold et al., 2018). Aus diesen statistischen Informationen wird die Überzeugung abgeleitet, dass Frauen Mütter werden, die familiäre über arbeitsbezogene Interessen stellen und somit der Organisation nicht oder nur eingeschränkt als Arbeitskraft zur Verfügung stehen, weshalb sich mögliche Investitionen in ihre Entwicklung im Rahmen der Nachfolgeplanung weniger rentieren würden. Diese Annahme, dass Frauen jedenfalls Kinder bekommen und deren Betreuung zuungunsten ihrer beruflichen Tätigkeit übernehmen, wird auch als „Maybe Baby Bias“ bezeichnet (Peterson Gloor et al., 2022) und besteht unabhängig von den tatsächlichen Präferenzen der Frauen in Bezug auf das Kinderkriegen und die Kinderbetreuung (Vinkenburg et al., 2012). Um hier Abhilfe zu schaffen, haben viele Regierungen sozialpolitische Maßnahmen ergriffen, die es ermöglichen, Betreuungsarbeit mit der Teilnahme am Arbeitsmarkt zu verbinden. Zu diesen Maßnahmen gehören vor allem die externe Kinderbetreuung für Kleinkinder und die Elternzeit. Elternzeitregelungen ermöglichen Müttern und Vätern, die vor der Geburt ihres Kindes erwerbstätig waren, eine Zeit lang einen geschützten Arbeitsplatz und einen gewissen Einkommensersatz während der Elternzeit. Die Kinderbetreuungspolitik bietet nicht-elterliche Kinderbetreuung entweder durch direkte Bereitstellung öffentlicher Kinderbetreuungsprogramme oder durch Subventionierung der von den Eltern gewählten bezahlten Betreuung (Waldfogel, 2001). Volkswirtschaftliche Studien zeigen, dass diese sozialpolitischen Maßnahmen zwar die Reproduktions- und Erwerbsbeteiligungsentscheidungen von Familien beeinflussen, aber keine positive Wirkung auf die Karrieren von Frauen entfalten (Kleven et al., 2021). Eine kürzlich erschienene Studie von Reichel, Andresen und Kollegen (2023) bestätigt, dass Frauen systematisch weniger Personalentwicklungsmaßnahmen zur Karriereförderung erhalten. Abbildung 1 zeigt den Prozentsatz von Männern und Frauen aus 25 Ländern weltweit, die im Laufe ihrer Karriere die jeweilige Entwicklungsmaßnahme erhalten haben. Neben dem Gesamtschnitt sind die Ergebnisse aus dem DACH-Raum abgebildet. Die Studie von Reichel et al. (2023) zeigt an dem internationalen Sample von 13.588 Personen, dass großzügigere sozialpolitische Maßnahmen (breiteres öffentliches Kinderbetreuungsangebot, längere bezahlte Elternzeit) mit geringeren Investitionen in die Entwicklung von Frauen als potenziellen Nachfolgerinnen für Schlüsselpositionen einhergehen. Weder die aus sozialpolitischen Maßnahmen ableitbare Information, dass bereits für Kleinkinder Angebote zur Verfügung stehen, die eine externe Betreuung sicherstellen, noch die Information, dass Frauen nach einer definierten Periode (Elternzeit) an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werABSTRACT Forschungsfrage: Entscheidungen über die Einbindung von Einzelpersonen in die Nachfolgeplanung beruhen infolge der unsicheren Verfügbarkeit und Passung im Moment der Nachfolge oft auf Erwartungen abgeleitet aus vergangenen Durchschnittswerten von Gruppen. Da Berufsverläufe von Frauen als unsicherer wahrgenommen werden, wird – unabhängig vom faktischen Verlauf und trotz staatlich geförderter Kinderbetreuung und Elternzeit – weniger in ihre Entwicklung investiert. Dank adaptiver Nachfolgeplanung werden spezifische Erwartungen gebildet, Unsicherheiten reduziert und die Karriereentwicklung von Frauen gefördert. Methodik: narrative Literaturanalyse Praktische Implikationen: Dank adaptiver Nachfolgeplanung werden spezifische Erwartungen gebildet, Unsicherheiten reduziert und die Karriereentwicklung von Frauen gefördert.

PERSONALquarterly 03 / 24 10 SCHWERPUNKT_STRATEGIC WORKFORCE PLANNING den, führen dazu, dass Entscheidungsträger in Organisationen ihre Annahmen über die geringere Verfügbarkeit von Frauen und das höhere Risiko von Investitionen in ihre Entwicklung revidieren und dass statistische Diskriminierung bei Entwicklungsmaßnahmen abgebaut wird. Im Gegenteil, es finden sich – völlig überraschend – sogar negative Effekte für Frauen (und keine Effekte für Männer). Es scheint, als würden diese gut beabsichtigten sozialpolitischen Maßnahmen das Bild der Frau als betreuende Mutter und nicht als (potenzielle) Nachfolgerin in einer Schlüsselposition der Organisation verstärken (Reichel et al., 2023). Was bedeutet dies nun für die Nachfolgeplanung? Organisationen, die daran interessiert sind, Mitarbeiterinnen, die potenziell die „richtigen“ Personen für die Nachfolge in einer Schlüsselposition sein könnten, nicht systematisch von entsprechenden Entwicklungsmaßnahmen auszuschließen, nur weil sie der Gruppe der Frauen angehören, sollten die beschriebenen Mechanismen mit einberechnen. Es findet sich Evidenz für statistische Diskriminierung. Diese Art von Diskriminierung hat ihren Ursprung in Entscheidungssituationen unter Unsicherheit und ist nicht ideologischer oder emotionaler Natur wie die sogenannte „taste-based Abb. 1: Personalentwicklungsmaßnahmen für Nachfolgeplanung Internationaler Schnitt Deutschland Österreich Schweiz Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Fachliche Weiterbildung oder Führungstraining 71.23 % 65.76 % 73.75 % 73.64 % 79.25 % 70.90 % 86.83 % 78.22 % Interne Bewerbungsmöglichkeit 46.23 % 46.43 % 44.02 % 43.41 % 39.00 % 37.20 % 42.20 % 37.87 % Laterale Stellenwechsel 43.80 % 41.72 % 33.40 % 30.05 % 35.24 % 33.15 % 31.99 % 26.98 % Schriftlich festgehaltene Entwicklungsplanung 34.77 % 32.62 % 32.63 % 23.90 % 27.37 % 23.76 % 30.11 % 23.51 % Leistungsbeurteilung 73.12 % 72.14 % 71.81 % 67.66 % 60.64 % 59.12 % 81.45 % 82.18 % Karriereberatung 33.73 % 30.19 % 27.80 % 25.13 % 22.36 % 18.97 % 30.11 % 25.99 % Development Centers 32.08 % 29.58 % 24.13 % 14.76 % 22.00 % 12.15 % 20.97 % 11.39 % Mentoring und berufliche Vernetzung 33.32 % 30.31 % 22.39 % 16.87 % 20.57 % 16.76 % 16.67 % 16.83 % Beurteilung durch Peers oder Unterstellte 52.49 % 45.66 % 41.31 % 36.56 % 42.75 % 37.38 % 53.49 % 50.99 % Prozentsatz der Frauen und Männer, die im Laufe ihrer Karriere die entsprechende Entwicklungsmaßnahme in einer Organisation erhalten haben. Daten erhoben im Rahmen von 5C, Cross-Cultural Collaboration on Contemporary Careers, https://5c.careers/ Erhebungsrunde 2016, Manager und Professionals aus Australien, Belgien, Brasilien, China, Deutschland, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Mexiko, Nigeria, Norwegen, Portugal, Österreich, Russland, Serbien, Slowenien, Schweiz, Türkei, Großbritannien, USA; eigene Berechnungen

11 03 / 24 PERSONALquarterly discrimination“ (Baumle/Fossett, 2005). Klassische sozialpolitische Maßnahmen, wie Kinderbetreuung und Elternzeit, tragen nicht dazu bei, diese Unsicherheit in Bezug auf den Return on Investment bei der Berücksichtigung von Frauen in der Nachfolgeplanung zu verringern. Adaptive Nachfolgeplanung als Hebel zur Unsicherheitsreduktion Es gehört zu den Paradoxien der Planung, dass sie unter Unsicherheit schwieriger, aber auch wertvoller wird. Wir argumentieren, dass die Nachfolgeplanung selbst ein Hebel sein könnte, um die Unsicherheit bei der Entscheidung von Entscheidungsträgern in Organisationen zur Investition in die Entwicklung von Frauen zu reduzieren. Da Planende nie alle Informationen über die Mitarbeiterinnen und Umweltbedingungen haben können, lassen sich Unsicherheiten nicht vollständig vermeiden. Angesichts der langen Entwicklungshorizonte und der damit verbundenen Unsicherheit wird Flexibilität am besten durch Talentpool-Ansätze für die Nachfolgeplanung erreicht, im Gegensatz zu eher positionsspezifischen, zielgerichteten Ansätzen (Ersatzplanung). Die adaptive Nachfolgeplanung greift Unsicherheiten bezüglich der räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit sowie der qualitativen Passung potenzieller Nachfolgerinnen für Schlüsselpositionen auf und steuert adaptiv. Eine adaptive Nachfolgeplanung hilft Entscheidungsträgern, ihre Erwartungen jeweils für einzelne Mitarbeitende zu bilden, welche die Besonderheiten einer bestimmten Person widerspiegeln, und so die Ableitung von Erwartungen auf der Basis von Gruppendurchschnitten zu verringern. Die Ziele und Zielsetzungen der Nachfolgeplanung, wie in Abbildung 2 dargestellt, bilden die Grundlage für die Ermittlung der erforderlichen Kompetenzen und die Gestaltung der für die Nachfolge erforderlichen Entwicklungserfahrungen. In der Übersetzung der Ziele in Pläne und Politiken berücksichtigen Entscheidungsträger die Besonderheiten von Frauen und Männern mit und ohne Betreuungsverpflichtungen. Ein Reporting an ein etwaiges Diversity-, Inclusion-, Equality-Management kann zwecks Planungssteuerung sinnvoll sein. Kern der Umsetzung der Planungen ist zum einen eine frühzeitige Identifikation und Bewertung von Talenten, die ein breites Spektrum an unterschiedlichen Erfahrungen repräsentieren, welche für die Nachbesetzung von Schlüsselpositionen wichtig sind, und die eine hohe Lernbereitschaft und -fähigkeit mitbringen. Instrumente, um unbewusste Vorurteile von Entscheidungsträgern gegenüber Frauen bei der Potenzialbestimmung und ihrer Aufnahme in den Talentpool auszugleichen, sind beispielsweise:  objektive Standards (z. B. Definition von Kompetenzen für Schlüsselpositionen in Form von spezifischen Verhaltensweisen),  die Beurteilung durch mehr als eine Person,  DEI-Initiativen, um etwaige Diversitäts,- Inklusions- oder Gleichstellungsziele im Blick zu behalten und die Förderungsbereitschaft von Entscheidungsträgern zu erhöhen,  die Definition von Regeln für die Bestimmung von potenziellen Nachfolgerinnen für jede Schlüsselposition (z. B. Pflicht zur Bestimmung je einer Person für die sofortige Nachfolge sowie für die geplante Nachfolge nach Erwerb definierter Entwicklungserfahrungen sowie darüber hinaus die am besten qualifizierte weibliche Kandidatin),  das Informieren von Mitarbeiterinnen über ihren Status als Leistungsträger (teilweise Transparenz) oder als Talent (volle Transparenz), um die Karriereziele der Person bei der Entwicklungsplanung zu berücksichtigen und auch aufseiten der Person Verbindlichkeit zu schaffen. Zum anderen erfolgt die Planungsrealisierung über Entwicklungsmaßnahmen, um Nachfolgerinnen vorzubereiten und zu binden. Möglichkeiten zum besseren Einbezug talentierter Frauen umfassen zum Beispiel:  ihre konsequente Berücksichtigung bei allen Entwicklungsprogrammen,  individuelle Karrierepläne,  die Evaluierung der Karrierezufriedenheit,  die (frühe) Übertragung herausfordernder Aufgaben mit Ergebnisverantwortung samt genauer Leistungsbewertung,  Kontakt der Talente mit und Sichtbarkeit bei den Führungskräften oder  gemischte Mentoring-Beziehungen mit mehreren gleichgeschlechtlichen und geschlechtsübergreifenden Mentoren, die über DEI-Kompetenzen verfügen. Planende können ihr Verständnis der Verhaltensmuster von Mitarbeiterinnen verbessern und auf diese Weise Unsicherheiten verringern, indem sie in der adaptiven Nachfolgeplanung mit Modellierung und Monitoring arbeiten. Modellierung bedeutet, dass Nachfolgeplanende Entwicklungsmaßnahmen und ihre Wirkung als Experiment definieren. Indem sie Umfang, Zusammensetzung und Inhalt der Entwicklungsmaßnahmen variieren, können sie die Wirkung unterschiedlicher Trainingsmaßnahmen auf das Verhalten von Frauen (und Männern) messen und damit deren Reaktionen überwachen sowie beurteilen (Monitoring). Da die Gruppe der Mitarbeiterinnen heterogen ist und sich verändert und auch das Verhalten in Bezug auf Familie und Beruf Entwicklungen unterliegt, hat die Nachfolgeplanung ein bewegliches Ziel. Um daher die Nachfolgeplanung proaktiv und vorausschauend zu „steuern“, nutzen adaptiv Planende die Ergebnisse des Monitorings, um sowohl eine Taxonomie von Mitarbeitenden zu entwickeln als auch Entwicklungs-

PERSONALquarterly 03 / 24 12 SCHWERPUNKT_STRATEGIC WORKFORCE PLANNING maßnahmen anzupassen. Dank dieses Erkenntniszuwachses treffen sie nachfolgende Investitionsentscheidungen in die Entwicklung von Frauen auf der Grundlage aktuellerer und vollständigerer Daten, die von spezifischen Personen stammen, in deren Entwicklung sie investiert haben. Adaptive Nachfolgeplaner bewerten die Durchführbarkeit und Wirksamkeit ihrer Entscheidungen sowie die mit jeder Phase des Planungsprozesses verbundenen Unsicherheiten (erneut) (vgl. Abbildung 2). Die Methode umfasst ausdrücklich „Monitoring“, „Bewertung“ und „Lehren aus den Plänen/ Umsetzungen“. Das Monitoring wird „vor“, „während“ und „nach“ der Umsetzung des Nachfolgeplans durchgeführt. Wenn keine früheren Daten zum Verbleib und zur Entwicklung von Frauen verfügbar sind, kann das Monitoring wertvolle Basisinformationen liefern, auf denen künftige Entscheidungen und Entwicklungsmaßnahmen beruhen. Auch ein langfristiges Monitoring kann durchgeführt werden, um Veränderungen festzustellen. Wenn das gesamte Modell, auf dem der Nachfolgeplan basiert, ungültig wird, testen adaptive Entscheidungsträger ein alternatives Modell, um ein besseres Ergebnis für das vorgegebene Planziel zu finden (Kato/Ahern, 2008). Fazit Adaptive Nachfolgeplanung trägt nicht nur zu einer geringeren Unsicherheit im Zusammenhang mit der Passung und Verfügbarkeit von Mitarbeiterinnen bei, sondern auch zu einem schnelleren Rückgang der Unsicherheit im Laufe der Beschäftigungszeit von Frauen, was mit einem schnelleren Lernen über die Passung der Mitarbeiterin für die Organisation einhergeht (Nyberg et al., 2017). In der Konsequenz können Organisationen ihre Nachfolgeplanung unabhängig von Stereotypen und statistischen Gruppendaten vollziehen. Die aus dieser adaptiven Nachfolgeplanung resultierende höhere Sicherheit und Verbindlichkeit für Mitarbeiterinnen kann sich zusätzlich positiv auf ihre Karriereplanung, -entwicklung und ihren Verbleib im Beruf auswirken und damit die organisationale Nachfolgeplanung erleichtern. Abb. 2: Schematische Schritte der adaptiven Nachfolgeplanung Quelle:in Anlehnung an Kato/Ahern, 2008 Feedbackschleife: Die Daten aus dem Monitoring werden in den Nachfolgeplanungsprozess zurückgespielt, um neue Pläne oder Vorgehensweisen zu formulieren; Nachfolgepläne werden entsprechend der Monitoringergebnisse angepasst. Monitoring Ziele und Zielsetzung der Nachfolgeplanung Plan/Politikformulierung zur Nachfolgeplanung unter Berücksichtigung von Geschlechtsspezifika Umsetzung der Nachfolgeplanung (z.B. Aufbau von Talentpools; Entwicklungsmaßnahmen; individuelle Vereinbarungen) Bewertung Lehren aus den Plänen/Umsetzungen vor während nach laufend

13 03 / 24 PERSONALquarterly SUMMARY Research question: Decisions to involve individuals in succession planning are often based on expectations derived from past group averages due to uncertain availability and fit at the time of succession. As women‘s careers are perceived as more uncertain, less is invested in their development – regardless of their actual trajectories and despite state-subsidized childcare and parental leave. Adaptive succession planning is a method that can create specific expectations, reduce uncertainty and promote women‘s career development. Methodology: Narrative literature analysis Practical implications: Adaptive succession planning creates specific expectations, reduces uncertainty and promotes women‘s career development. LITERATURVERZEICHNIS Atwood, C. G. (2020): Succession planning basics (Second edition). ATD training basics series. ATD Press. Baumle, A. K./Fossett, M. (2005): Statistical discrimination in employment. American Behavioral Scientist, 48(9), 1250–1274. https://doi.org/10.1177/0002764205274818 Bertrand, M./Duflo, E. (2017): Field experiments on discrimination. In: A. V. Banerjee & E. Duflo (Hrsg.): Handbooks in economics. Handbook of economic field experiments (S. 309–393). North-Holland an imprint of Elsevier. Kato, S./Ahern, J. (2008): ‚Learning by doing’: adaptive planning as a strategy to address uncertainty in planning. Journal of Environmental Planning and Management, 51(4), 543–559. https://doi.org/10.1080/09640560802117028 Kleven, H./Landais, C./Posch, J./Steinhauer, A./Zweimüller, J. (2021): Angebot an Ö ffentlicher Kinderbetreuung und Einkommenseinbussen bei Mutterschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, 47(3), 309–328. Leopold, T./Skopek, J./Schulz, T. C. D. (2018): Gender convergence in housework time: A life course and cohort perspective. Sociological Science, 5, 281–303. https:// doi.org/10.15195/v5.a13 Nyberg, A. J./Schepker, D. J./Cragun, O. R./Wright, P. M. (2017): Succession planning: Talent management’s forgotten, but critical tool. In D. G. Collings, K. Mellahi & W. Cascio (Hrsg.), The Oxford Handbook of Talent Management (S. 318–342). Oxford University Press. Peterson Gloor, J. L./Okimoto, T. G./King, E. B. (2022): „Maybe baby?” The employment risk of potential parenthood. Journal of Applied Social Psychology, 52(8), 623–642. https://doi.org/10.1111/jasp.12799 Reichel, A./Lazarova, M./Apospori, E./Afiouni, F./Andresen, M./Bosak, J./Parry, E./Bagdadli, S./Briscoe, J. P./Gianecchini, M./Suzanne, P./Taniguchi, M. (2023): The disabling effects of enabling social policies on organisations’ human capital development practices for women. Human Resource Management Journal, 33(1), 129–147. https://doi.org/10.1111/1748-8583.12431 Tomaskovic-Devey, D./Skaggs, S. (1999): Degendered jobs? Organizational processes and gender segregated employment. Research in Social Stratification and Mobility, 17, 139–172. Vinkenburg, C. J./van Engen, M. L./Coffeng, J./Dikkers, J. S. E. (2012): Bias in employment decisions about mothers and fathers: The (dis)advantages of sharing care responsibilities. Journal of Social Issues, 68(4), 725–741. https://doi.org/10.1111/ j.1540-4560.2012.01773.x Waldfogel, J. (2001): International policies toward parental leave and child care. The Future of Children, 11(1), 98–111. https://doi.org/10.2307/1602812 UNIV-PROF. MAG. DR. ASTRID REICHEL Universitätsprofessorin und Leiterin der Facheinheit Human Resource Management Universität Salzburg E-Mail: astrid.reichel@plus.ac.at https://www.plus.ac.at/bwl/hrm/team-3/ reichel/ PROF. DR. MAIKE ANDRESEN Inhaberin des Lehrstuhls für BWL, insbes. Personalmanagement und Organisational Behaviour, Universität Bamberg E-Mail: maike.andresen@uni-bamberg.de https://www.uni-bamberg.de/bwl-personal/lehrstuhlteam-pm/prof-dr-maikeandresen/

PERSONALquarterly 03 / 24 14 SCHWERPUNKT_STRATEGIC WORKFORCE PLANNING Verschiedene technologische, demografische und soziale Entwicklungen haben in den letzten Jahren zu fundamentalen Umwälzungen auf den Arbeitsmärkten geführt. Diese Veränderungen haben nicht nur Organisationen substanziell beeinflusst, sondern sie hatten letztlich auch Auswirkungen auf die beruflichen Laufbahnen vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Sullivan/ Baruch, 2009). So beeinflusst zum Beispiel die Art, wie Firmen Stellen strukturieren, unmittelbar, wie sich Laufbahnen entwickeln und wie sie gesteuert werden können (Savickas et al., 2009). „Karriere zu machen“ wurde lange gleichgesetzt mit hierarchischem Vorankommen entlang vordefinierter innerbetrieblicher Entwicklungspfade. Die Organisation bot Arbeitsplatzsicherheit, Weiterbildung und Beförderungsperspektiven im Austausch gegen Loyalität (Herriot/Pemberton, 1995). Aufgrund der oben erwähnten Veränderungen sind jedoch Hierarchien oft flacher geworden und der Einfluss externer Arbeitsmärkte auf individuelle Laufbahnverläufe ist gestiegen. Dies hat zur Folge, dass von den Mitarbeitenden vermehrt Leistung, Einsatzbereitschaft und Toleranz im Umgang mit Unsicherheiten statt Loyalität gefordert werden, während Firmen als Gegenleistung vermehrt Arbeitsmarktfähigkeit statt Arbeitsplatzsicherheit propagieren (Raeder, 2019). Zudem haben insbesondere demografische Veränderungen zu einem zunehmenden Fachkräftemangel in vielen Bereichen der Wirtschaft geführt. Während dieses Phänomen unter anderem in der Informatikbranche (IT) (Gubler/Coombs/ Arnold, 2018), im Gesundheitswesen (Bonin, 2020) oder in Schulen (Gubler et al., 2020) schon lange akut war, zeigt es sich inzwischen auch in zahlreichen weiteren Branchen, so zum Beispiel in Handwerksberufen, auf dem Bau oder im Verkauf (Lay/Niebling, 2023). Im Bestreben, als attraktive Arbeitgeber in einem ausgetrockneten Arbeitsmarkt aufzutreten und bestehende Mitarbeitende möglichst lange halten zu können, investieren Organisationen daher oft viel in das betriebliche Personalmanagement. Es scheint jedoch so, dass es Firmen trotzdem häufig nicht gelingt, die Maßnahmen zu bieten, die sich die Mitarbeitenden wirklich wünschen (Gubler et al., 2018). Individualisierte Karriereplanung – Laufbahnentwicklung mit der „Protean Career” Von Prof. Dr. Martin Gubler (Hochschule Luzern – Wirtschaft) Eine Maßnahme, die in der Personalentwicklung seit Jahren genutzt wird, sind sogenannte Fachkarrieren. Damit soll es Mitarbeitenden ermöglicht werden, innerhalb einer Organisation unabhängig von einer Führungstätigkeit (fachliche) Aufstiegsmöglichkeiten und Zugang zu Stellen mit mehr Verantwortung und Komplexität zu erhalten. Solche Modelle sind unter anderem in der IT seit Jahrzehnten bekannt (z. B. Allen/ Katz, 1988) und werden inzwischen auch in der Industrie breit eingesetzt (Ladwig/Fründt/Janneck/Lübeck, 2014). Bis heute werden sie in der Literatur als Option für Firmen empfohlen, um Mitarbeitenden vielfältige interne Laufbahnpfade zu bieten (z. B. Bochtler, 2023). Solche Fachkarrieren können tatsächlich ein sehr hilfreiches Mittel sein, um Mitarbeitenden innerhalb einer Organisation spannende Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. So adressieren sie zum Beispiel den Wunsch vieler Mitarbeitender, möglichst genau wissen zu wollen, was von ihnen gefordert wird, um sich beruflich weiterzuentwickeln (Gubler et al., 2018). Allerdings sind etliche Schwierigkeiten beim Einsatz solcher Maßnahmen bekannt. So können sie zum Beispiel Erwartungen von Mitarbeitenden wecken, die seitens der Organisation nur schwer einlösbar sind (Allen/Katz, 1988). Vor allem aber sind solche Fachlaufbahnen sehr aufwendig beim Aufbau und im Unterhalt. Es lohnt sich – wenn überhaupt – in der Regel nur für große Unternehmen, solche Modelle zu entwickeln und einzuführen (Ladwig et al., 2014). Doch selbst für große Firmen ist es herausfordernd, die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden bei einer einmal implementierten Fachlaufbahn an die sich rasch verändernden Anforderungen eines sehr dynamischen Arbeitsmarkts anzupassen. Für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) sind Fachlaufbahnmodelle sowohl im Aufbau als auch im Unterhalt tendenziell zu komplex und aufwendig. Dies hat unter anderem zur Folge, dass dort sowohl eine solide Qualifizierungs- und Laufbahnplanung für bestehende Mitarbeitende als auch die Rekrutierung externer Bewerber oft weniger gut gelingen als in großen Organisationen (Bonin, 2020). Nötig wären daher wirksame, einfach und flexibel einsetzbare Maßnahmen im Bereich der Laufbahnplanung und -entwicklung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sowohl

15 03 / 24 PERSONALquarterly in KMU als auch in großen Unternehmen nutzbar sind. Ein Instrument aus der akademischen Laufbahnforschung, das genau für diesen Zweck genutzt werden kann, wird nachfolgend vorgestellt. „Alte“ und „neue“ Laufbahnmodelle In der akademischen Laufbahnforschung kam bereits ab Mitte der 1990er Jahre die Erkenntnis auf, dass sich durch die eingangs skizzierten Veränderungen in Organisationen sowohl die Einstellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegenüber ihrer beruflichen Laufbahn als auch ihre tatsächlichen Laufbahnverläufe verändern (Sullivan/Baruch, 2009). Auf der Basis intensiver Forschung zu beruflichen Laufbahnen wurden in den letzten drei Jahrzehnten zahlreiche Laufbahnmodelle entwickelt. Obwohl diese Modelle noch immer kaum im praktischen Diskurs angekommen sind, lassen sich daraus wertvolle Hinweise für die Praxis gewinnen (Arthur, 2014). In der Literatur wird typischerweise zwischen „traditionellen“ und „neuen“ Laufbahnmodellen unterschieden (Gubler, 2019). Traditionelle Laufbahnmodelle gehen von einer hohen Stabilität und Planbarkeit individueller Laufbahnen aus. Sie sind durch hohe Loyalität seitens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und entsprechende Arbeitsplatzsicherheit der Organisationen gekennzeichnet. Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber sind selten, stattdessen werden die Laufbahnen Einzelner meist stark durch die Organisation und die Vorgesetzten gesteuert. Traditionelle Laufbahnen verlaufen tendenziell aufwärts, das heißt, die Mitarbeitenden gelangen über die Zeit in höhere hierarchische Positionen. Es sind genau die Charakteristika ABSTRACT Forschungsfrage: Was ist das Modell der „Protean Career“ und wie lässt es sich als flexibles Instrument zur individualisierten Laufbahnentwicklung in Organisationen nutzen? Methodik: Beschreibung und theoretische Einbettung des Modells sowie drei kurze Case Studies zu dessen praktischen Anwendungsmöglichkeiten. Praktische Implikationen: Das Modell der Protean Career eignet sich sehr gut als einfaches, praxisorientiertes und doch wissenschaftlich fundiertes Laufbahnentwicklungsinstrument. Damit lässt sich in Organisationen jeglicher Größe sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene arbeiten. Abb. 1: Charakteristika traditioneller und neuer Laufbahnmodelle Annahmen in traditionellen Laufbahnmodellen Annahmen in neuen Laufbahnmodellen Laufbahnumfeld Stabil, vorhersagbar, hohes Maß an Sicherheit Instabil, wenig vorhersagbar, wenig Sicherheit Arbeitsverhältnisse Arbeitsplatzsicherheit durch Loyalität Beschäftigung dank Leistung und Flexibilität Laufbahnverlauf Vertikal nach oben, meistens in wenigen Organisationen Multidirektional (nach oben, unten oder geradeaus), meistens in verschiedenen Organisationen Benötigte Fähigkeiten Berufs- und firmenspezifisch In verschiedenen Funktionen und Umgebungen nutzbar Erfolgskriterien Objektiver Laufbahnerfolg (sichtbare Positionen, Stellung, Status etc.) Subjektiver Laufbahnerfolg (subjektive Zufriedenheit mit dem Erreichten etc.) Ausbildung Langfristig ausgerichtet, Programme mit formalen Abschlüssen Kurzfristig ausgerichtet, Lernen „on the job“ Das Individuum fühlt sich verpflichtet gegenüber … der Organisation dem Beruf Verantwortung für die Laufbahn liegt … bei der Organisation beim Einzelnen Quelle: Gubler, 2019

PERSONALquarterly 03 / 24 16 SCHWERPUNKT_STRATEGIC WORKFORCE PLANNING und Annahmen, die den meisten betrieblichen Fachlaufbahnmodellen zugrunde liegen. Neue Laufbahnmodelle hingegen zeichnen sich durch größere Dynamik und Mobilität der Mitarbeitenden aus, zwischen verschiedenen Stellen und Firmen. Dabei trägt das Individuum vermehrt die Verantwortung für die Entwicklung der eigenen Laufbahn, die statt ausschließlich aufwärts durchaus auch horizontal (d. h. ohne hierarchische Aufstiege) oder gar „abwärts“ (d. h. in vermeintlich tiefere hierarchische Funktionen) verlaufen kann. Trotz der Vielfalt der Konzepte lassen sich ein paar zentrale Charakteristika solcher Laufbahnmodelle festhalten und gegenüberstellen, wie in Abbildung 1 dargestellt. Eines der akademisch bekanntesten und prägendsten „neuen“ Laufbahnmodelle, das gleichzeitig eine sehr hohe Praktikabilität für Organisationen hat, ist die sogenannte „Protean Career“. Die Protean Career Hall (1996) skizzierte mit der „Protean Career“ – benannt nach Proteus, dem griechischen Gott, der seine Form nach Belieben verändern und sich so immer wieder neuen Anforderungen und Situationen anpassen konnte – den Typ einer Berufslaufbahn, der sich radikal von bisherigen Vorstellungen unterschied. Bei der „Protean Career“ liegen die Verantwortung für die eigene Laufbahn und die Beurteilung des eigenen Erfolgs beim Individuum, nicht bei der Organisation. Die Person versteht sich selbst als treibende Kraft für die Entwicklung der eigenen Laufbahn und überträgt die Verantwortung dafür nicht dem Arbeitgeber. Das Modell der „Protean Career“ lässt gemäß Hall (1996) unzählige Wege zur beruflichen Zufriedenheit und zum Erfolg zu, während bei der traditionellen Sicht auf eine erfolgreiche Laufbahn vor allem das hierarchische Vorankommen und damit verbundene Lohnerhöhungen zählen. Das Konzept umfasst zwei Kernelemente: Lernzyklen und Metakompetenzen. Lernzyklen Während traditionelle Vorstellungen von Laufbahnen auf vorhersagbaren, zu einem bestimmten Alter oder Karriereschritt gehörenden Entwicklungen basieren, entwickelt sich eine „Protean Career“ in wiederkehrenden Lernzyklen (Hall, 1996). Solche Lernzyklen kommen in verschiedenen beruflichen Phasen vor und widerspiegeln die individuelle Entwicklung. Abbildung 2 zeigt die vier Phasen eines einzelnen Lernzyklus. In der ersten Phase, dem Entdecken, lernt das Individuum eine neue Aufgabe kennen. In der Phase des Ausprobierens beginnt die Person, neu gewonnenes Wissen konkret einzusetzen. In der Phase der Etablierung ist sie mit den neu erlernten Abläufen und Inhalten vertraut und kann diese im Alltag mühelos anwenden. Die Phase des Expertentums beschreibt schließlich den Zustand, in dem eine Person in einem Bereich so viel Erfahrung gesammelt hat, dass sie auch komplexe Ausnahmesituationen bewältigen kann. Nach einer gewissen Zeit Quelle: Barmettler/Gubler/Ziltener, 2015; in Anlehnung an Hall, 1996 Abb. 2: Lernzyklen der Protean Career Aufgabe 1 EN ET EN EX A Aufgabe 2 EN ET EN EX A Aufgabe 3 EN ET EN EX A Leistung/Können „Laufbahnalter“ (Career age) EN: Entdecken (Exploration) A: Ausprobieren (Trial) ET: Etablierung (Establishment) EX: Expertentum (Mastery)

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