9 03 / 24 PERSONALquarterly einzelnen Mitglied der Gruppe erwarten. Das Bild der gesamten Gruppe ergibt sich aus verfügbaren Durchschnittswerten, zum Beispiel über Wechselwahrscheinlichkeiten, Verweildauern, Entwicklungsverläufe et cetera sowie aus stereotypen Annahmen über die Gruppe, die nicht unbedingt durch statistische Daten gestützt werden (Tomaskovic-Devey/Skaggs, 1999). Das Geschlecht ist eine solche einfach verfügbare Information über einen Mitarbeitenden, welche zugleich ein Gruppenmerkmal darstellt. Die Überzeugungen von Entscheidungsträgern über das „typische“ Verhalten von Frauen werden als Informationsquelle für alle einzelnen Personen, die als weiblich und somit als Teil der Gruppe „Frauen“ wahrgenommen werden, herangezogen. Wenn es um Investitionsentscheidungen in die Entwicklung von Frauen im Zuge der Nachfolgeplanung geht, bilden Entscheidungsträger mithilfe der „Durchschnittsinformationen“ über Frauen Erwartungen über deren zukünftige Verfügbarkeit und (Leistungs-)Verhalten. Wird die Wahrscheinlichkeit der Verfügbarkeit und Leistung/Passung von Frauen geringer eingeschätzt als jene anderer Gruppen (z. B. Männer), wird diese risikobehaftete Investitionsentscheidung eher zuungunsten von Frauen getroffen. Es erfolgt mithin eine statistische Diskriminierung von Mitarbeiterinnen. „Maybe Baby Bias“ trotz und wegen sozialpolitischer Fördermaßnahmen Investitionen in die Entwicklung von Frauen werden gemeinhin als risikoreicher wahrgenommen als jene in Männer. Diese Wahrnehmung wird in erster Linie von Erwartungen bestimmt, die eigentlich außerhalb der Arbeitsbeziehungen liegen. In allen Gesellschaften ist eine zentrale außerberufliche Verantwortung die Kinderbetreuung. Betreuungsaufgaben werden typischerweise und durch eine Vielzahl statistischer Analysen belegt zum überwiegenden Teil von Frauen übernommen (z. B. Leopold et al., 2018). Aus diesen statistischen Informationen wird die Überzeugung abgeleitet, dass Frauen Mütter werden, die familiäre über arbeitsbezogene Interessen stellen und somit der Organisation nicht oder nur eingeschränkt als Arbeitskraft zur Verfügung stehen, weshalb sich mögliche Investitionen in ihre Entwicklung im Rahmen der Nachfolgeplanung weniger rentieren würden. Diese Annahme, dass Frauen jedenfalls Kinder bekommen und deren Betreuung zuungunsten ihrer beruflichen Tätigkeit übernehmen, wird auch als „Maybe Baby Bias“ bezeichnet (Peterson Gloor et al., 2022) und besteht unabhängig von den tatsächlichen Präferenzen der Frauen in Bezug auf das Kinderkriegen und die Kinderbetreuung (Vinkenburg et al., 2012). Um hier Abhilfe zu schaffen, haben viele Regierungen sozialpolitische Maßnahmen ergriffen, die es ermöglichen, Betreuungsarbeit mit der Teilnahme am Arbeitsmarkt zu verbinden. Zu diesen Maßnahmen gehören vor allem die externe Kinderbetreuung für Kleinkinder und die Elternzeit. Elternzeitregelungen ermöglichen Müttern und Vätern, die vor der Geburt ihres Kindes erwerbstätig waren, eine Zeit lang einen geschützten Arbeitsplatz und einen gewissen Einkommensersatz während der Elternzeit. Die Kinderbetreuungspolitik bietet nicht-elterliche Kinderbetreuung entweder durch direkte Bereitstellung öffentlicher Kinderbetreuungsprogramme oder durch Subventionierung der von den Eltern gewählten bezahlten Betreuung (Waldfogel, 2001). Volkswirtschaftliche Studien zeigen, dass diese sozialpolitischen Maßnahmen zwar die Reproduktions- und Erwerbsbeteiligungsentscheidungen von Familien beeinflussen, aber keine positive Wirkung auf die Karrieren von Frauen entfalten (Kleven et al., 2021). Eine kürzlich erschienene Studie von Reichel, Andresen und Kollegen (2023) bestätigt, dass Frauen systematisch weniger Personalentwicklungsmaßnahmen zur Karriereförderung erhalten. Abbildung 1 zeigt den Prozentsatz von Männern und Frauen aus 25 Ländern weltweit, die im Laufe ihrer Karriere die jeweilige Entwicklungsmaßnahme erhalten haben. Neben dem Gesamtschnitt sind die Ergebnisse aus dem DACH-Raum abgebildet. Die Studie von Reichel et al. (2023) zeigt an dem internationalen Sample von 13.588 Personen, dass großzügigere sozialpolitische Maßnahmen (breiteres öffentliches Kinderbetreuungsangebot, längere bezahlte Elternzeit) mit geringeren Investitionen in die Entwicklung von Frauen als potenziellen Nachfolgerinnen für Schlüsselpositionen einhergehen. Weder die aus sozialpolitischen Maßnahmen ableitbare Information, dass bereits für Kleinkinder Angebote zur Verfügung stehen, die eine externe Betreuung sicherstellen, noch die Information, dass Frauen nach einer definierten Periode (Elternzeit) an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werABSTRACT Forschungsfrage: Entscheidungen über die Einbindung von Einzelpersonen in die Nachfolgeplanung beruhen infolge der unsicheren Verfügbarkeit und Passung im Moment der Nachfolge oft auf Erwartungen abgeleitet aus vergangenen Durchschnittswerten von Gruppen. Da Berufsverläufe von Frauen als unsicherer wahrgenommen werden, wird – unabhängig vom faktischen Verlauf und trotz staatlich geförderter Kinderbetreuung und Elternzeit – weniger in ihre Entwicklung investiert. Dank adaptiver Nachfolgeplanung werden spezifische Erwartungen gebildet, Unsicherheiten reduziert und die Karriereentwicklung von Frauen gefördert. Methodik: narrative Literaturanalyse Praktische Implikationen: Dank adaptiver Nachfolgeplanung werden spezifische Erwartungen gebildet, Unsicherheiten reduziert und die Karriereentwicklung von Frauen gefördert.
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==