6 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly 03 / 24 PERSONALquarterly: Im Jahr 2014 hielten Sie einen viel beachteten TED-Talk zur globalen Arbeitskräftekrise mit mehr als zwei Millionen Aufrufen. Sind die Unternehmen jetzt – zehn Jahre später – besser darauf vorbereitet? Rainer Strack: Teilweise. Die eine Hälfte der Unternehmen schaut viel langfristiger in die Zukunft als noch vor Jahren und antizipiert dabei frühzeitig große zukünftige Verwerfungen in der Personalstruktur. Leider gibt es aber auch noch viele Unternehmen, bei denen Strategische Personalplanung in den Kinderschuhen steckt. PERSONALquarterly: Zumindest der Fachkräftemangel scheint inzwischen im Bewusstsein vieler Unternehmen angekommen zu sein. Wie kann Strategische Personalplanung Unternehmen dabei helfen, diese Lücke zu schließen? Rainer Strack: Strategische Personalplanung besteht grundsätzlich aus fünf Modulen. Im ersten Modul werden die Mitarbeitenden in eine Skillcluster-Struktur eingeteilt, damit kommt man weg von klassischer Kopfzahlplanung und hin zu einer Planung von Skillclustern. Anschließend werden zwei Modelle gebaut. Bei einem Personalbestandsmodell wird der zukünftige Personalbestand abhängig von Renteneintritt und Fluktuation simuliert. Hierdurch können frühzeitig demografische Herausforderungen identifiziert werden. Das Herzstück einer Strategischen Personalplanung ist aber das Personalbedarfsmodell. Hier wird der Personalbedarf in einem einfachen Treibermodell geplant, abhängig von der Strategie, von technologischen Veränderungen oder von Produktivitätssteigerungen. In diesem Modul wird also Strategie mit Personal quantitativ verknüpft. Im vierten Modul wird die Gap-Analyse durchgeführt, quasi Bestand minus Bedarf. Im letzten Modul werden daraus Maßnahmen abgeleitet. Also wo muss ich querqualifizieren, von Überdeckungen zu Unterdeckungen, wo muss ich rekrutieren, wo kann ich ausbilden, wo sollte ich in- oder outsourcen und wo muss ich auch Kapazität reduzieren? PERSONALquarterly: In welchem Zusammenhang steht die Strategische Personalplanung mit anderen Prozessen im Unternehmen, sowohl innerhalb von HR, aber auch über HR hinaus? Rainer Strack: Der letzte der fünf Schritte liefert den quantitativen Input für die Trainings-/Entwicklungsstrategie, die Recruiting-, die Ausbildungs- oder auch die In- und Outsourcing-Strategie. Wie es ein Kunde von mir ausdrückte, ist Strategische Personalplanung die Mutter aller Personalprozesse. Natürlich muss dieser Prozess mit der Strategie und der Finanzplanung als drittem entscheidendem Planungsprozess im Unternehmen verbunden werden. Wenn man die Anzahl der Mitarbeitenden in der Finanzplanung mit der Anzahl derer in der Strategischen Personalplanung vergleicht, ist die Finanzseite um ein Vielfaches besser ausgestattet, obwohl die knappe Resource viel eher im Personal als im Kapital liegt. PERSONALquarterly: Welche Rolle spielen Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten der Belegschaft? Rainer Strack: Für eine Vertriebsstrategie brauchen Sie eine Kundensegmentierung, und für eine Personalstrategie – und Strategische Personalplanung ist eine Art quantitativer Personalstrategie – brauchen Sie eine Mitarbeitersegmentierung auf der Basis von Skills. Das ist das erste der fünf Module. PERSONALquarterly: Welchen Stellenwert wird Strategische Personalplanung in der Zukunft haben? Rainer Strack: Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Die demografische ist nur die eine Seite. In der Terminologie von Strategischer Personalplanung gesprochen: Es tut sich unheimlich viel auf der Personalbestandsseite. Ebenso wird es große Verwerfungen durch technologische und digitale Veränderungen auf der Personalbedarfsseite geben. Unternehmen werden andere Skills benötigen im Vergleich zu heute. Hierfür brauchen Unternehmen einen Kompass, ein Tool, sonst werden sie diese Transformation nicht meistern können. PERSONALquarterly: Können KI und Algorithmen die Strategische Personalplanung eines Unternehmens ersetzen? Rainer Strack: KI wird Strategische Personalplanung auf ein anderes Niveau bringen. Wir haben zum Beispiel mithilfe von KI Strategische Personalplanung mit der individuellen SkillPlanung verbunden. Die Rolle der Strategischen Personalplanung für die Transformation in Unternehmen Das Interview mit Rainer Strack führten Torsten Biemann und Daniel Lourenco
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