49 03 / 24 PERSONALquarterly Während in den letzten Jahren die Managementforschung zu Charisma in Bezug auf betriebswirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Ergebnisgrößen zugenommen hat, beeinträchtigten die Forschung laut den Autoren vor allem empirische Probleme. Um die Auswirkungen von Charisma besser zu verstehen, nutzen die Autoren die Covid-Pandemie als quasiexogenes Ereignis, um den Effekt von Charisma (vereinfachend unabhängige Variable oder auch Treatment genannt) auf Ergebnisgrößen (Teil 1: anonymisierte Smartphone-Daten in allen US-Bundesstaaten zu „Stay-at-home“-Verhalten) zu untersuchen. Dabei codieren die Autoren Reden von regionalen US-Governors im Zeitverlauf aus allen 50 US-Staaten (Stichprobengröße 350) und analysieren den Effekt auf objektive Bewegungsradien von US-Bürgerinnen und -Bürgern basierend auf Smartphone-Daten in allen US-Staaten. Die Autoren konzeptualisieren Charisma als Signal, welches von der tatsächlichen Charisma-Ausprägung der Sender (politische Entscheidungsträger) der Reden abgekoppelt und an Empfänger (Bürger) der Reden gesendet werden kann. Im Covid-Kontext sind dies „softe“ Signale, also rhetorische, überzeugende Stilmittel von politischen Entscheidungsträgern, die keine unmittelbar legal bindenden Mitteilungen enthalten. Nach der Kontrolle von anderen Einflussfaktoren (inklusive Bundesstaateneigenschaften wie Bevölkerungsdichte) stellen die Autoren fest, dass ein signifikanter Zusammenhang besteht. Da anonymisierte Daten und die Ebene der Bundesstaaten nur korrelative Ergebnisse zulassen, nutzt Teil 2 der Studie ein randomisiertes Vignetten-Experiment mit monetären Anreizen, indem Partizipanten einer Online-Plattform unterschiedliche Charisma-Reden mit ansonsten ähnlichen Eigenschaften (z. B. Länge) zur Covid-Pandemie erhalten und nach ihrer „Stay at home“-Bereitschaft befragt werden. Die Effekte der Charisma-Gruppe (Treatment) auf das Distanzierungsverhalten der Teilnehmenden erscheint signifikant, auch nach Kontrolle von üblichen Variablen wie Alter oder Geschlecht. Insbesondere „Nudging“ durch Charisma? Einsichten aus der Covid-Pandemie Jensen, U. T. (Arizona State University), Rohner, D. (University of Lausanne), Bornet, O., Carron, D., Garner, P. & Loupi, D. (Idiap Research Institute, Switzerland), Antonakis, J. (University of Lausanne): Combating COVID-19 with charisma: Evidence on governor speeches in the United States. The Leadership Quarterly, 34(6), 2023, https://doi.org/10.1016/j. leaqua.2023.101702 politisch konservativ eingestellte Teilnehmende reagierten sensitiv auf die Charisma-Signale. Das ist bemerkenswert, da bestimmte Gruppen besonders von einer kritischen Grundhaltung im Gesundheitsbereich überzeugt sein könnten und damit überproportional von Charisma-Signalen zu profitieren scheinen. Da Distanzierungsstrategien als wesentliche Prädiktoren für die Weiterverbreitung der Pandemie galten, schätzen die Autoren, dass eine Erhöhung der Standardabweichung an Charisma-Signalen 5.350 Leben während der Studienperiode 2020 gerettet haben könnte. Die Autoren zeigen mit dem einzigartigen Kontext, dass Charisma-Signale – als erlernbare Techniken – über „nützliche“ Managementtechniken für Führungskräfte in betriebswirtschaftlichen Kontexten hinausgehen und gesamtgesellschaftlichen Wert haben. Besprochen von Johannes Brunzel Folgende internationale Zeitschriften verfolgen wir für Sie regelmäßig: Academy of Management Journal American Economic Review Human Resource Management Human Resource Management Review Journal of Applied Psychology Journal of Labor Economics Journal of Organizational Behavior Journal of International Business Studies Journal of Political Economy Management Science Personnel Psychology Quarterly Journal of Economics Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie Unser Rezensenten-Team wird darüber hinaus an dieser Stelle auch richtungsweisende Veröffentlichungen aus weiteren Publikationen darstellen. Neues aus Top-Journals
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