48 ESSENTIALS_REZENSIONEN PERSONALquarterly 03 / 24 sie vermehrt positives Führungsverhalten, insbesondere dann, wenn es darum ging, anderen zu helfen und Visionen für die Zukunft zu kommunizieren. Darüber hinaus nahmen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nun auch selbst eher als Führungspersönlichkeit wahr – gestärkt durch den positiven Affekt und das tatsächliche Führungsverhalten am Arbeitsplatz. Was aber bedeuten diese Erkenntnisse für die Praxis? Durch die Reflexion über ihr bestmögliches Selbst und ihr damit verbundenes Führungspotenzial gewinnen die Mitarbeitenden ein tieferes Verständnis über und für ihre eigenen Führungsfähigkeiten, die sie auf diesem Wege kultivieren können. Um Führungskräfte in der eigenen Organisation zu fördern, scheint es plausibel, dass das Management die eigenen Mitarbeitenden regelmäßig dazu anregen sollte, über ihr bestmögliches Selbst zu reflektieren und somit perspektivisch die Führungskultur im eigenen Unternehmen zu stärken. Die Ergebnisse der besprochenen Studie scheinen vielversprechend. Doch ist es wirklich so einfach? Reicht es, unsere Mitarbeitenden zum Träumen und zur Reflexion anzuregen, um unsere gesamte Organisation umzukrempeln? Und was ist mit den Menschen, die gar kein Interesse an einer Führungsrolle haben? Ein Teil dieser Fragen bleibt unbeantwortet. Obwohl positive Auswirkungen auf das tägliche Führungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festgestellt wurden, lässt das experimentelle Design keine Schlüsse auf langfristige Verhaltensänderungen zu. Da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer täglich zufällig entweder der Intervention oder einer Kontrollbedingung zugeordnet wurden, konnten keine nachhaltigen Effekte untersucht werden. Die Dauerhaftigkeit der Interventionseffekte auf Verhalten und Selbstwahrnehmung bleibt also ungewiss. Längerfristige Prozessstudien sind notwendig. Besprochen von Frederic-Alexander Starmann, Entrepreneurship, Universität Paderborn Viele Menschen streben danach, eines Tages eine Führungsrolle wahrzunehmen. Wer von uns hat nicht schon mehr als einmal darüber nachgedacht, wie es sein müsste, Chef zu sein? Wie würden wir uns verhalten? Welche Eigenschaften würden wir in diese Rolle einbringen? Was würden wir ausstrahlen wollen? Welche Art von Führungskraft wollten wir sein? Diese Fragen mögen uns am Arbeitsplatz mal mehr und mal weniger beschäftigen. Und interessanterweise scheint es genau diese Art von Fragen zu sein, die uns zu besseren Führungskräften macht – selbst wenn es unsere operative Rolle nicht formell zulässt. Das zumindest postuliert die Theorie: Die Reflexion über unser bestmögliches Selbst als zukünftige Führungskraft führt uns dazu, wie eine Führungskraft zu handeln. Doch wie lässt sich dieser Effekt erklären? Und angenommen, der Effekt hält der empirischen Untersuchung stand, nähern wir uns tatsächlich unserem idealisierten Selbstbild an? Um der Frage nach dem treibenden Mechanismus nachzugehen, referenzieren die Autorinnen und Autoren die sogenannte Control Theory. Entsprechend dieser steigert die Vorstellung eines idealen zukünftigen Selbst den positiven Affekt, indem sie positive Zukunftserwartungen hervorruft. Diese Erwartungen basieren auf dem Glauben an die eigene Fähigkeit, das visualisierte Selbstbild zu realisieren. Die dadurch entstehenden positiven Emotionen treiben uns an, uns diesem Bild durch entsprechendes Verhalten zu nähern. Um diese Annahme zu testen, konzipierte das Autorenteam eine Experience-Sampling-Studie mit 54 Teilnehmenden. Über zehn Tage hinweg nahmen die Befragten dreimal täglich an den Umfragen der Forscherinnen und Forscher teil. An fünf zufällig ausgewählten Tagen beteiligten sie sich an einer Intervention, die zur schriftlichen Reflexion über ihr bestmögliches zukünftiges Selbst in einer Führungsposition anregte, wobei sich unter anderem auf die Fähigkeiten und Eigenschaften dieser idealisierten Selbstversion fokussiert werden sollte. Die Ergebnisse der Studie bestärken die eingangs getroffene Hypothese: An Tagen, an denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr ideales Führungsverhalten reflektierten, zeigten Durch Selbstvisualisierung zur Führungskraft? Jennings, R. E. (University of Florida), Lanaj, K. (University of Florida), Koopman, J. (Texas A&M University) & McNamara, G. (Michigan State University): Reflecting on one‘s best possible self as a leader: Implications for professional employees at work. Personnel Psychology, 75(1), (2022), 69-90. doi.org/ 10.1111/peps.12447
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