45 03 / 24 PERSONALquarterly neutralisierenden positiven und negativen Effekte. Es ist sicherlich unbestritten, dass die Homeoffice-Nutzung nicht nur Vorteile oder nur Nachteile bringt. In empirischen Studien zeigte sich, dass hier die positive Wirkung auf die empfundene Autonomie und die negative Wirkung auf die empfundene Isolation besonders relevant sind. Entsprechend konstruieren Gajendran et al. (2024) ein differenziertes Modell, das diese beiden Wirkungsmechanismen berücksichtigt und damit den Gesamteffekt zerlegen kann. Dabei zeigt sich, dass die Arbeit im Homeoffice gleichermaßen die empfundene Autonomie und die empfundene Isolation beeinflusst. Von diesen beiden Größen ergeben sich dann mittelstarke Effekte auf die Produktivität (siehe Abb. 2). Interessanterweise neutralisieren sich diese beiden Effekte nahezu vollständig. Dieser differenzierte Befund ist aus zwei Gründen für die praktische Personalarbeit relevant. Zum einen erklärt sich die Frontenbildung in der öffentlichen Diskussion: Jede Gruppe fokussiert auf jeweils einen Effekt und ignoriert den anderen Effekt. Das tatsächliche Gesamtbild ergibt sich aber erst aus der Zusammenführung der beiden komplementären Aspekte. Zum anderen ergeben sich unmittelbar Handlungsempfehlungen für die betriebliche Personalarbeit, die im vorderen Teil der Wirkungskette ansetzen müssen: Um das volle Potenzial von Homeoffice zu heben, müssen Unternehmen einerseits die Autonomie der Beschäftigten erhöhen, zum Beispiel indem die Entscheidungshoheit über die Wahl der Homeoffice-Nutzung an die Beschäftigten delegiert wird. Zum anderen sollten Routinen eingeführt werden, die der empfundenen Isolation entgegenwirken. Dies können zum Beispiel die konsequente Durchführung regelmäßiger Teammeetings, bewusst gesetzte Erfolgsfeiern in Präsenz oder die kontinuierliche Kommunikation innerhalb eines Teams durch virtuelle Meetings statt unpersönlicher E-Mails sein. Kein „One-size-fits-all“ Wie anfangs erwähnt hat die Personalforschung während und nach der Pandemie viele Studien zur Wirksamkeit von Homeoffice produziert. Basierend auf dieser inzwischen sehr umfangreichen Literatur haben C. E. Hall und Kollegen (2024) ein sogenanntes Umbrella-Review durchgeführt. Diese Methode bietet eine Evidenzsynthese durch die Zusammenfassung von wissenschaftlichen Review-Artikeln zu einer bestimmen Fragestellung, wobei im Gegensatz zur oben zitierten quantitativen Metaanalyse die Ergebnisse qualitativ zusammengefasst werden. Von 1.930 gesichteten Artikeln haben die Autorinnen und Autoren durch ein Auswahlverfahren sechs Literaturarbeiten („literature reviews“) zum Thema Homeoffice selektiert und deren Ergebnisse zusammengefasst. Insgesamt konnten die Autoren 19 Themen identifizieren, welche die Bereiche Arbeitsumfeld (z. B. Arbeitsplatzgestaltung, Raumbedingungen), persönliche größen Arbeitszufriedenheit (r=0,09), Produktivität auf Basis der Vorgesetztenbeurteilung (r=0,11), Beziehungsqualität zu Kolleginnen und Kollegen (r=-0,01) beziehungsweise Vorgesetzten (r=0,03) sowie die negative Korrelation mit Wechselneigung (r = - 0,11). Ein differenzierter Blick: Autonomie und Isolation Insgesamt scheint somit die Homeoffice-Nutzung nur sehr geringe Auswirkungen zu haben und der zum Teil heftige Schlagabtausch in den Medien ist auf Basis der Studienlage zunächst kaum nachvollziehbar. Die aggregierte Sicht verschleiert allerdings unter Umständen die sich gegenseitig Quelle: Reduzierte Darstellung auf Basis Gajendran et al. (2024) Tabelle 1. S. 15-16. Abb. 1: Korrelation zwischen Homeoffice-Intensität und personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen Arbeitseinstellungen Arbeitszufriedenheit 0,09 Arbeitsengagement 0,01 Organisationales Commitment 0,03 Wahrgenommene Unterstützung durch die Organisation 0,09 Wechselneigung -0,11 Verhalten Produktivität auf Basis der Vorgesetztenbeurteilung 0,11 Organizational Citizenship Behavior 0,04 Wohlbefinden Arbeitsbezogener Stress -0,03 Burn-out -0,02 Beeinträchtigung der Familie durch die Arbeit 0,00 Beeinträchtigung der Arbeit durch die Familie 0,00 Beziehungen Beziehungsqualität zu Vorgesetzten 0,03 Beziehungsqualität zu Kolleginnen und Kollegen -0,01 Dargestellt sind Korrelationen, markierte Werte sind statistisch signifikant (p < .05).
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