44 STATE OF THE ART_ARBEITSMODELLE PERSONALquarterly 03 / 24 Die Diskussion um Vor- und Nachteile von Homeoffice gegenüber festen Büroarbeitsplätzen verläuft wellenförmig, aber immer hochemotional. Aktuell scheinen wieder die Gegner des Homeoffice die Meinungshoheit zu haben: Die Deutsche Bank beschränkte zuletzt die Homeoffice-Regelungen auf zwei Tage pro Woche (Reintjes, 2024). Sam Altman (Open AI) bezeichnet das Homeoffice als „schlimmsten Fehler“ (Rheinische Post vom 9.5.2023) und ExTrigema-Chef Wolfgang Grupp beherrschte die Schlagzeilen mit dem Statement: „Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig“ (Tagesspiegel vom 1.10.2023). Die gleichermaßen emotionale Gegenrede folgte jeweils sofort. Ähnlich polarisierend verlief die Diskussion auch schon Mitte der 1990er Jahre sowie um 2010. Damals gab zunächst Microsoft die Wahl des Arbeitsorts frei, kurz danach schaffte Yahoo das Homeoffice ab. 2015 widmeten wir dieser Thematik bereits einen Beitrag, wobei die damals vorliegende Evidenz für einen schwach positiven Effekt von Homeoffice auf Zufriedenheit, Bindung und Arbeitgeberattraktivität sprach, während substanzielle Produktivitätseffekte nicht nachweisbar waren (Biemann/Weckmüller, 2015). Der übergreifende positive Effekt wurde dabei wesentlich durch das Autonomieempfinden vermittelt. Während der Coronapandemie wurde die unternehmerische Entscheidungsfreiheit beschränkt, Homeoffice wurde (laut §28b Abs. 4 Infektionsschutzgesetz von Anfang an befristet) zur Pflicht und viele Beschäftigte und Unternehmen machten erstmals nachhaltige Erfahrungen mit dem Arbeiten außerhalb des Firmenbüros. Die Erfahrungen der Beschäftigten waren überwiegend so positiv, dass eine vollständige Rückkehr ins Büro nur für wenige vorstellbar war. Die Option, ortsunabhängig zu arbeiten, wurde zu einem wesentlichen Entscheidungskriterium bei der Arbeitgeberwahl (z. B. Deloitte, 2022: 12). Die Personalforschung war ebenfalls nicht untätig, wodurch sowohl die Anzahl empirischer Studien zur Effektivität von Homeoffice substanziell zugenommen hat als auch deren Güte. So konnten vor der Pandemie beispielsweise häufig nur Unternehmen untersucht werden, die sich bewusst für Homeoffice entschieden hatten, was eine Überzeichnung der tatsächlichen positiven Effekte vermuten lässt. Büro versus Homeoffice: Homeoffice bleibt eine produktive Arbeitsform Von Prof. Dr. Heiko Weckmüller (Hochschule Koblenz), Daniel Lourenco (Universität Mannheim) und Prof. Dr. Torsten Biemann (Universität Mannheim) Vor diesem Hintergrund wollen wir die personalwirtschaftlichen Effekte von Homeoffice-Angeboten erneut zum Gegenstand machen und dabei insbesondere auf folgende Fragen eingehen: Wie wirkt Homeoffice auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen und welche positiven wie negativen Effekte gilt es zu beachten? Ausgangspunkt sind insbesondere die Metaanalyse von Ravi S. Gajendran et al. (2024) und der qualitative Review von Charlotte E. Hall et al. (2024). Homeoffice-Angebote wirken schwach positiv auf personalwirtschaftliche Ergebnisgrößen In der Metaanalyse von Ravi S. Gajendran et al. (2024) untersuchen die Autoren die Grundsatzfrage nach den Effekten von Homeoffice-Angeboten analog zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 2007 (Gajendran/Harrison, 2007), allerdings mit einem deutlich größeren Datensatz, der insgesamt 110 Einzelstudien mit 45.288 Beschäftigten umfasst. Es zeigt sich ein insgesamt schwach positiver Zusammenhang zwischen der Nutzung von Homeoffice und der Arbeitszufriedenheit (r=0,11) sowie der Produktivität auf Basis von Vorgesetzteneinschätzungen (r=0,16). Die Kündigungsneigung ist negativ korreliert (r=-0,09). Die Beziehungsqualität zu Kolleginnen und Kollegen (r=-0,03) sowie Vorgesetzten (r=0,07) wird durch Homeoffice-Nutzung kaum beeinflusst. Übergreifend können auf der Basis der umfassenderen Studienlage die bereits vorher bekannten schwach positiven Effekte bestätigt werden.1 Darüber hinaus betrachten die Autoren die Intensität der Homeoffice-Nutzung. Dabei operationalisieren sie erstmals die Nutzungsintensität als metrisch skalierte Variable in Stunden pro Wochen. Diese Messung ist wesentlich feiner als die oben genutzte dichotome Differenzierung oder die bereits in Gajendran et al. (2007) genutzte Unterscheidung in 1-2 Tage Homeoffice versus 3-5 Tage. Die Zusammenhänge mit personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen sind in Abbildung 1 dargestellt. Übergreifend zeigen sich auch hier schwach positive Zusammenhänge mit den personalwirtschaftlichen Erfolgs1 Die Autoren geben in der Studie eine andere Einschätzung bezüglich der Stabilität der Evidenz ab und sehen bei fünf der untersuchten Zusammenhänge eine Veränderung der Einschätzung gegenüber 2007 („different from prior meta-analysis“, Ravi S. Gajendran et al. (2024, S. 23, Table 7). Dabei handelt es sich allerdings nur um geringfügige Veränderungen der Korrelationen, und die Einschätzung basiert auf veränderten Aussagen zur statistischen Signifikanz.
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