35 03 / 24 PERSONALquarterly Es wird deutlich, dass sich nahezu alle der aus der Exploration abgeleiteten Hypothesen bestätigen lassen, wobei in jedem der neun Strukturfelder bestimmte Faktoren besonders hervortreten. Die Herausforderung besteht nun im letzten Schritt darin, diese Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen. Übertragung der Erkenntnisse in die Praxis: Die 9x3er-Regel Hierfür steht nicht zuletzt die Handhabbarkeit aus Sicht der Sparkassenorganisation im Fokus, das heißt, die als erfolgskritisch identifizierten Faktoren müssen im Nachgang zum Forschungsprozess innerbetrieblich in personalpolitisches Handeln überführbar sein. Um die Komplexität zu reduzieren, wird ein Handlungsrahmen entwickelt, der auf den Erkenntnissen bezüglich der Einflussfaktoren des Nicht-Könnens und Nicht-Wollens aufbaut und in seiner Struktur einerseits in die Mikro-, Makro- und Meso-Ebene differenziert und andererseits in die neun zentralen Strukturfelder. Dort werden jeweils die drei als besonders relevant identifizierten Faktoren fokussiert. Dieser umfassende Handlungsrahmen wird auch als die 9x3er- Regel bezeichnet (vgl. Abb. 1). Nachfolgend soll exemplarisch aus jeder der drei sozialen Ebenen ein erfolgskritischer Faktor zur Erhöhung des Anteils von Frauen an Top-Führungspositionen näher erläutert werden. A uf der Mikro-Ebene der persönlichen Faktoren zeigt sich auf Basis der Reflexion der Ergebnisse aus der qualitativen Interviewreihe und der quantitativen Erhebung im Expertenkreis, dass es bezüglich der persönlichen Eigenschaften sehr bedeutsam ist, geschlechterspezifische Zuschreibungen von Kompetenzen sowie positive und negative Rollenstereotype zu hinterfragen. Im positiven Sinne wird Frauen in Top-Führungspositionen vor allem eine größere Nähe zu den Mitarbeitenden, eine höhere Bedeutung von Zufriedenheit mit und Freude an der Arbeit sowie eine stärkere Verbundenheit mit der Region attestiert. Eher kritisch konnotiert sind die Zurückhaltung im Vorantreiben der eigenen Karriere, der Hang zum Perfektionismus und die nicht selten auftretende Vermischung von persönlicher und Sachebene. Mit Bezug auf die eingangs angeführten Erklärungsansätze für die Unterrepräsentanz von Frauen in Top-Führungspositionen auf persönlicher Ebene, insbesondere auf das sogenannte Impostor-Syndrom, lässt sich konstatieren, dass diese auch bei den Sparkassen noch immer eine wesentliche Rolle spielen. Dies wird einerseits deutlich im Betonen des Frau-seinWollens, indem der weiblichen Authentizität Bedeutung beigemessen und versucht wird, sich der eigenen (weiblichen) Stärken bewusst zu sein, unter anderem auch um bei „Machtspielchen“ zu trumpfen. Aber auch das Sich-nichtan-der-Meinung-anderer-Orientieren oder das bewusste Reflektieren von Understatement-Prozessen weist darauf hin. So empfehlen die befragten Vorständinnen dem weiblichen Führungsnachwuchs, sich „ein dickes Fell zuzulegen“, nicht alles persönlich zu nehmen und sich für stereotype Zuschreibungen entsprechende Entgegnungen zurechtzulegen. A uf der Meso-Ebene der organisatorisch-institutionellen Faktoren sollen beispielhaft die Arbeitsbedingungen herausgegriffen werden. In diesem Bereich gehört zu den am häufigsten genannten Voraussetzungen zur Steigerung des Anteils von Frauen in Top-Führungspositionen das Sicherstellen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf dem Weg nach oben. Wenngleich seit vielen Jahren diskutiert und bei den Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung längst etabliert, zeigen sowohl die Interviewreihe als auch die quantitative Erhebung, dass in einer unzureichenden Vereinbarkeit noch immer eine der zentralen Ursachen sowohl für das Nicht-Können als auch für das Nicht-Wollen liegt. Dies zu verbessern, wird gerade bei weiblichen Nachwuchskräften – jedoch zunehmend auch bei jungen Männern – als wichtiger Hebel beschrieben und von den interviewten Sparkassenvorständinnen in hohem Maße unterstützt, unabhängig davon, ob sie selbst Kinder haben oder nicht. Hier kommen die auch in anderen Strukturfeldern thematisierten Instrumente wie vollzeitnahe Teilzeitbeschäftigung, Top-Sharing und die Berücksichtigung der Lebensphasen bei der Karriereplanung zum Tragen. W ie bereits angeführt, erfolgt bezüglich der Makro-Ebene eine Fokussierung auf die außerbetrieblichen Rahmenbedingungen im Sparkassenverbund, also über die Einflussmöglichkeiten der einzelnen Sparkassen hinaus. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der Umgang mit den BaFin-Kriterien zur Erlangung der Vorstandseignung als erfolgskritisch betrachtet. Hierbei wird die vordefinierte Zeitschiene stark kritisiert und als Hemmnis angesehen, da sie eine eindeutige Weichenstellung in jungen Jahren bedeutet, die gerade Frauen mit Blick auf gegebenenfalls unzureichende Vereinbarkeitsmöglichkeiten nicht selten schwerfällt. Dies wird als eine der Hauptursachen dafür gesehen, dass der „Unterbau“ an Frauen nicht vorhanden ist, die sich entsprechend auf Top-Führungspositionen vorbereiten. Es wird also plädiert für ein Aufweichen des vorgegebenen standardisierten Wegs in den Vorstand und der diesbezüglichen Zeitvorgaben. Dies impliziert zunächst das Infragestellen des frühen Entscheidungszwangs, aber auch die Abkehr von der Vorstellung, dass die Eignung möglichst schnell und unterbrechungsfrei erlangt werden muss. Ebenfalls entscheidend im Kontext der Personalentwicklung ist die gezielte Förderung von Frauen durch Mentoring und Job Shadowing. Gerade das letztgenannte Instrument wird in der Interviewreihe von denjenigen, die bereits Job Shadowing praktizieren, als sehr bereichernd für beide Seiten und
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