Personal quarterly 3/2024

31 03 / 24 PERSONALquarterly das Individuum in den Blick nehmen, indem auf spezifische Persönlichkeitsmerkmale fokussiert wird (Mikro-Ebene). Aber auch kulturelle oder strukturelle Barrieren wie Produktion/ Reproduktion oder geschlechtsbezogene Diskriminierung und Stereotypisierung (Makro-Ebene) müssen betrachtet werden. Im Folgenden werden exemplarisch jene Theorieansätze verwendet, die auf die Schemata Nicht-Können und Nicht-Wollen angewendet werden und sich für die Sparkassen-Spezifik eignen. Auf der Organisationsebene wird hierfür Kanters Tokenism- Konzept herangezogen. In ihrer Studie verwendet Kanter den Begriff „Token“ für Angehörige von Minderheiten (Kanter, 1977). Kanters Forschungsinteresse galt den Organisationsstrukturen und -prozessen und wie diese sich auf das Individuum auswirken. Nach Kanter liegen die Ursachen für die Unterrepräsentanz von Frauen in patriarchalen Gesellschaftsstrukturen, die in Unternehmen über Geschlechterstereotype auf informeller Organisationsebene wirken. Ein Umbruch in der betrieblichen Geschlechterpolitik lässt sich danach nur dann erreichen, wenn der Anteil an Frauen in Top-Führungspositionen einen Schwellenwert von 30 Prozent erreicht. Eine Unterrepräsentanz unter 15 Prozent von Frauen bewirkt, dass diese sich mehr im Hintergrund halten, da sie sich einer ständigen Beobachtung ausgesetzt fühlen, unter Leistungsdruck stehen und ihnen die Möglichkeit fehlt, Einfluss auf das Gruppengeschehen und Entscheidungsprozesse zu nehmen (Tonn, 2016). Neben Kanters Ansatz auf der Organisationsebene ist dem Konzept der „Glass Ceiling“ nach Loden (1978)2 Bedeutung beizumessen, das neben innerbetrieblichen ungleichheitsschaffenden Strukturen und Prozessen auch die Makro-Ebene über die geschlechterdifferenzierenden Arbeitsmarktstrukturen mit einbezieht (Tonn, 2016). Die gläserne Decke lässt sich meist zwischen Middle- und Topmanagement finden, sodass die höchsten Führungspositionen zwar sichtbar erscheinen, jedoch als Frau meist nicht erreicht werden können (Pasero/ Ohlendieck, 2003). Hinter den Glaswänden befinden sich „für die Organisation strategisch zentrale“ und „entsprechend aufstiegsrelevante Bereiche“ (Pasero/Ohlendieck, 2003, S. 187; Rump/Eilers, 2014, S. 129) wie zum Beispiel Finanzen, Vertrieb und Forschung, die Frauen aufgrund von informellen Strukturen und Vorurteilen gegenüber dem weiblichen Geschlecht oft verschlossen bleiben. Innerhalb der personenbezogenen Ansätze lassen sich Erklärungen in den individuellen Sozialisationserfahrungen und Persönlichkeitseigenschaften von Frauen finden. Zu diesen auf der Mikroebene angesiedelten Ansätzen, die beispielsweise Arbeitspräferenzen, Karriereverläufe oder Wettbewerbsneigung von Frauen untersuchen, gehören die Humankapitaltheorie, psycho-biologische und auch soziologisch-psychologische Erklärungen. Stellvertretend für diesen Ansatzstrang kann das Impostor-Syndrom genannt werden, das ein psychologisches Phänomen beschreibt, bei dem Betroffene von großen Selbstzweifeln hinsichtlich eigener Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge geplagt werden und unfähig sind, persönliche Erfolge zu internalisieren (Tonn, 2016). Für das Schema Nicht-Wollen, das im Gegensatz zum Nicht-Können stets eine bewusste Entscheidung impliziert, lassen sich Anhaltspunkte in der Motivation der Frauen für die Karrierelaufbahn finden. Entscheidend ist dabei die noch immer verbreitete Wahrnehmung, sich zwischen der Familiengründung und einer Top-Führungsposition entscheiden zu müssen, da beides unter den gegebenen Rahmenbedingungen (Präsenz- und Überstundenkultur, nahezu uneingeschränkte Verfügbarkeit etc.) nicht beziehungsweise nur unter hohen persönlichen Zugeständnissen vereinbar erscheint (Bischoff, 2005). In jüngeren Studien hat sich gezeigt, dass weibliche Führungskräfte der Thematik der Vereinbarkeit nicht mehr so viel Bedeutung beimessen, wie dies Nachwuchskräfte auf dem Weg dorthin tun. Dabei muss es insbesondere um die Frage gehen, ob aufgrund der Familienplanung Karrieren bereits frühzeitig verhindert werden. Dies hat seine Ursachen auch in infrastrukturellen Vereinbarkeitsangeboten, die unter anderem auf Makro-Ebene zu suchen sind. Informale Karrieretaktiken von Männern, die über mikropolitisches Verhalten gestützt werden, schrecken Frauen ebenfalls davon ab, sich ABSTRACT Forschungsfrage: Welche Faktoren tragen dazu bei, dass Frauen nicht in den Vorstand von Sparkassen gelangen können, und welche, dass sie das nicht wollen? Wie lässt sich der Anteil von Frauen in Vorstandspositionen in Sparkassen erhöhen? Methodik: Literaturreview, explorative Studie zur Hypothesengenerierung, quantitative Erhebung zur Hypothesenüberprüfung, Ableitung zentraler Ankerpunkte Praktische Implikationen: Wer mehr Frauen in Top-Führungspositionen bringen möchte, muss sich vor allem mit dem Weg dorthin beschäftigen. Neben der Unternehmens- und Führungskultur sowie den Besetzungs- und Beurteilungsmechanismen spielen arbeitsorganisatorische Maßnahmen und das Aufbrechen starrer Karrierepfade eine Rolle. 1 Während Elprana et al. (2016) eine Differenzierung in „Nicht-Können“, „Nicht-Dürfen“ und „NichtWollen“ vornehmen, werden zur Reduzierung der Komplexität in Bezug auf die Forschungsfragestellung die entsprechenden Attribute des „Nicht-Könnens“ und „Nicht-Dürfens“ unter der Begrifflichkeit des „Nicht-Könnens“ subsumiert. 2 Während einer Paneldiskussion am 24.5.1978 prägte Marilyn Loden erstmalig den Begriff „Glass Ceiling“.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==