27 03 / 24 PERSONALquarterly Aus diesem Grund ist auch die Einführung einer Viertagewoche differenziert zu beurteilen: Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Mitarbeitenden gleichermaßen davon profitieren werden und daraus ein Produktivitätsanstieg, welcher die Arbeitszeitreduktion kompensiert, resultiert. Um die häufig genannten Vorteile der Viertagewoche generieren zu können (Stressreduktion durch weniger Arbeitszeit und damit einhergehender Motivationsanstieg, geringere Fluktuation, geringerer Absentismus und ein Anstieg der Arbeitgeberattraktivität (Zander, 2023, S. 65)), könnte ebenso das Angebot einer generellen Reduktion der Arbeitszeit erfolgen, sodass statt 40 Arbeitsstunden lediglich 30 bis 35 Arbeitsstunden pro Woche gefordert werden. Diese Arbeitszeit können sich die Mitarbeitenden dann entsprechend ihrer individuellen Vorstellungen und der terminlichen Verpflichtungen innerhalb der Arbeitswoche beziehungsweise innerhalb der unternehmensseitigen Betriebszeit einplanen, ohne daran gebunden zu sein, diese Arbeitszeit innerhalb der vier Arbeitstage zu leisten (Zander, 2023, S. 85). Dadurch stellt die Personalführungsmaßnahme nur noch eine Option dar und Mitarbeitende können selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang sie eine Arbeitszeitreduktion beziehungsweise eine Viertagearbeitswoche wahrnehmen möchten. Diese Freiwilligkeit hat den Vorteil, dass Mitarbeitende, welche dieses Angebot als unattraktiv beziehungsweise für sie persönlich als unpassend empfinden, keine Reduktion vornehmen. Negative Folgen durch das Einführen dieser Führungsmaßnahme können dadurch potenziell verhindert oder zumindest verringert werden. Diese münden beispielsweise im Abfallen der Gesamtleistung aufgrund vorgegebener Strukturen und Abläufe, da es Tätigkeiten gibt, welche für Produktivitätssteigerungen durch Mitarbeitende ungeeignet sind. Eine Arbeitszeitreduktion würde in diesem Fall auch einen geringeren Arbeitsoutput zur Folge haben. Ein weiterer Punkt, welcher im Kontext der Personalführung kritisch zu betrachten ist, sind etwaige Kosten für das Einführen eines neuen Arbeitszeitmodells. Damit verbunden sind möglicherweise Schulungen, neue Technologien und Arbeitsprozesse, die erneut Investitionen erfordern, welche durch zukünftige Produktivitätssteigerungen ausgeglichen werden müssten. Ob sich diese Aufwendungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnen, ist vollständig abhängig von den potenziell eintretenden positiven Effekten. Wie bereits genannt, handelt es sich hierbei vor allem um eine Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation aufgrund von Stressreduktion. Mitarbeitende haben angesichts der Arbeitszeitreduktion mehr Zeit für Freizeitaktivitäten und Privatvergnügen (Stichwort Work-Life-Balance). Diese Konsequenz soll dazu beitragen, die psychische und physische Gesundheit positiv zu beeinflussen. Damit gehen unter anderem niedrigere Krankenausfälle einher, und es kann eine positivere Arbeitseinstellung bewirkt werden, was wiederum zu der bereits genannten Motivations- und Produktivitätssteigerung führen kann (Zander, 2023, S. 65). Viele im Kontext der Personalführung gewährte Anreize verlieren jedoch nach einiger Zeit an Wirkung. Eine Studie, welche in Island durchgeführt wurde, konnte belegen, dass die angestrebten positiven Effekte der Einführung einer Viertagewoche bis zu zwei Jahre anhalten können (Zander, 2023, S. 57). Welche Maßnahmen nach Ablauf dieser zwei Jahre ergriffen werden sollen, lassen die Autoren jedoch offen. Steigerung der Arbeitgeberattraktivität durch die Einführung der Viertagewoche Ein weiterer sehr essenzieller Punkt ist der Anstieg der Arbeitgeberattraktivität (Naundorf/Spengler, 2012), welcher aufgrund der Viertagewoche zu erwarten ist. Die aktuelle Situation des Fachkräftemangels macht es notwendig, die Arbeitsbedingungen für angehende Mitarbeitende möglichst attraktiv zu gestalten, um das notwendige Fachpersonal für das eigene Unternehmen gewinnen zu können. Dass das Arbeitszeitmuster der Viertagewoche beziehungsweise eine flexible und individuell anpassbare Arbeitszeitgestaltung bei der Wahl eines Arbeitgebers eine ausschlaggebende Rolle haben können, ist unbestreitbar und sollte daher aus Unternehmenssicht in Betracht gezogen werden, um negativen Konsequenzen einer unzureichenden Personalausstattung entgegenzuwirken (Zander, 2023, S. 40f). Neben dem vermuteten Anstieg der Leistungsmotivation kann das Angebot einer Viertagewoche auch zu einer Erhöhung der Teilnahmemotivation führen, welche sich aus der Beitritts- und der Verbleibensmotivation zusammensetzt. Ein Anstieg der Teilnahmemotivation kann zum einen dazu führen, dass sich das Rekrutierungspotenzial erhöht und sich korrespondierend mehr (quantitative Dimension) und besser qualifizierte (qualitative Dimension) Arbeitskräfte auf vakante Positionen bewerben (Beitrittsmotivation). Zum anderen kann die Einführung einer Viertagewoche bewirken, dass Mitarbeitende im Unternehmen infolge einer Steigerung des Commitments an das Unternehmen gebunden werden und daraus weniger Fluktuation und Absentismus aufgrund von Arbeitsunzufriedenheit oder mangelnder Motivation resultieren (Verbleibensmotivation). Die Erhöhung des Rekrutierungspotenzials kann sich auf mehrere Teilpotenziale beziehen. Aus Komplexitätsgründen soll im Folgenden lediglich eine dichotome Betrachtung von Arbeitskräftesegmenten erfolgen, indem wir zwischen „guten“ und „schlechten“ Arbeitskräften differenzieren. Die „guten“ Arbeitskräfte weisen eine hohe Leistungsmotivation sowie eine hohe Qualifikation auf, während „schlechte“ Arbeitskräfte durch eine gering ausgeprägte Leistungsmotivation und Qualifikation gekennzeichnet sind. Aus ökonomischen Gründen sind lediglich die Arbeitskräfte des ersten Segments, die „guten“ Arbeitskräfte, von Bedeutung, da davon ausgegangen wird, dass sie eine höhere Arbeitsproduktivität besitzen. Es ist offensichtlich, dass
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