Personal quarterly 3/2024

19 03 / 24 PERSONALquarterly Beim praktischen Einsatz in zahlreichen Weiterbildungskursen und Laufbahncoachings für junge oder auch für ältere Lehrpersonen sowie für Schulleitende zeigte sich, dass die Protean Career hervorragend geeignet ist für individuelle Laufbahnplanung von Lehrpersonen, wie nachfolgende exemplarische Eindrücke verdeutlichen. Angehende Lehrpersonen oder solche, die erst vor Kurzem eine Stelle angetreten haben, reagieren meist sehr positiv auf das Modell. Für viele von ihnen wirkt die Kenntnis der Lernzyklen und Metakompetenzen entlastend. Denn diese Elemente zeigen auf, dass man an einer Schule nicht zwingend ein ganzes Berufsleben lang in der gleichen Funktion tätig sein muss, dass die eigene berufliche Entwicklung proaktiv gesteuert werden kann und dass sich die Laufbahn entlang eigener Werthaltungen gestalten lässt. Das eröffnet oft neue Perspektiven und wirkt gegen die (nach wie vor verbreitete) Angst vor dem Lehrberuf als „Sackgasse“. In Laufbahn-Workshops mit erfahrenen Lehrpersonen lösen die Lernzyklen ebenfalls ein überwiegend positives Echo aus. Viele Lehrpersonen erkennen, dass sich auch in späteren Phasen einer schulischen Laufbahn immer wieder neue, spannende Entwicklungsperspektiven bieten (z. B. Teilnahme an didaktischen Pilotprojekten, Betreuung von Studierenden in Praktika), dass es dazu aber auch ein Engagement der einzelnen Lehrperson braucht. Dies führt nicht selten zu neuen Einsichten über die eigene Berufslaufbahn. So hat zum Beispiel das Nachdenken über die Lernzyklen bei einer zu Beginn des Workshops recht frustriert wirkenden Lehrperson Mitte vierzig dazu geführt, dass sie den Willen und den Mut zu einer Schulleitungsausbildung aufbrachte, nachdem sie für sich zuvor über lange Zeit keine berufliche Perspektive im Schulkontext mehr hatte erkennen können und deshalb ernsthaft über einen vollständigen Ausstieg aus dem Schulumfeld nachgedacht hatte. Heute ist die Person in der Schulleitung tätig und wieder voller Freude bei der Arbeit. Schlussendlich erachten Schulleitende in Weiterbildungen das Modell meist als sehr hilfreich und praxistauglich für eine gezielte Personalentwicklung. So können Lernzyklen zum Beispiel ideal als Basis für Entwicklungsgespräche mit Lehrpersonen genutzt werden, und die Metakompetenzen zeigen mögliche Handlungsfelder für individuelle und gesamtschulische Entwicklungsmöglichkeiten auf. Nebst der individuellen Arbeit mit dem Modell im Bereich von Coaching oder Beratung kann es auch in jährliche Personalprozesse integriert werden, wie sie in den meisten Organisationen anzutreffen sind. Dies illustriert Case Study 3. Case Study 3: Einsatz beim jährlichen Mitarbeitergespräch In einem großen Schweizer Regionalspital entschied sich der Leiter der Anästhesie, die jährlichen Mitarbeitergespräche für individuelle Diskussionen über die Elemente der Protean Career zu nutzen. Bis dahin waren die jährlichen Gespräche geprägt gewesen von wenig Engagement der Mitarbeitenden, da sie dem ritualisierten Ausfüllen eines Formulars und der formalisierten Besprechung darüber wenig abgewinnen konnten. Ihre Laufbahnentwicklungsperspektiven waren – in ihrer Wahrnehmung – begrenzt, daher sahen viele von ihnen kaum einen Sinn in diesen obligatorischen jährlichen Besprechungen. Der Abteilungsleiter wagte dann für seine Mitarbeitergespräche einen Versuch mit der Protean Career. Er ließ alle Formulare weg und beschränkte sich stattdessen darauf, den Mitarbeitenden ein Blatt Papier vorzulegen mit einer leeren Lernzykluskurve. Er erklärte kurz das Wesentliche der Darstellung (vgl. Abb. 2) und bat dann die Mitarbeitenden einzuzeichnen, wo sie sich in ihrer eigenen Einschätzung aktuell auf einer solchen Lernkurve befänden. Anschließend zeichnete er seine eigene Einschätzung ein, wo er die Person im Lernzyklus verortete. In der nachfolgenden Diskussion begründeten beide ihre Einschätzungen. Es wurde über Unterschiede in der Wahrnehmung diskutiert und letztlich besprochen, wie sich die Situation beim nächsten Gespräch darstellen sollte respektive welche Maßnahmen dazu nötig wären (Details zum Vorgehen vgl. Barmettler et al., 2015). So einfach das Vorgehen auch war, das Resultat war verblüffend: Die Mitarbeitenden zeigten sich mehrheitlich begeistert davon, so über ihre berufliche Situation sprechen und sie visualisieren zu können. Die Skizze wurde genutzt zur Besprechung nächster beruflicher Entwicklungsschritte und als Basis für die Gespräche im Jahr darauf, um persönliche Entwicklungen erkennen und darstellen zu können. Das Modell führte bei den meisten Mitarbeitenden auch zu einer positiveren Haltung gegenüber ihrer eigenen beruflichen Entwicklung, die nun als dynamischer, selbstbestimmter und perspektivenreicher wahrgenommen wurde als vorher. Zusammenfassung und Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Modell der Protean Career sich sehr gut eignet als einfaches, wirksames, praxisorientiertes und doch wissenschaftlich fundiertes Laufbahnentwicklungsinstrument. Damit lässt sich in Organisationen jeglicher Größe sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene arbeiten. Es stellt gleichzeitig eine Alternative zu starren und komplexen Laufbahnsystemen dar. Stattdessen bietet es eine flexible und dynamische Betrachtungs- und Herangehensweise, die den Kriterien „moderner“ Laufbahnen gerecht wird – und die auch von Mitarbeitenden intuitiv meist sehr gut verstanden und geschätzt wird. Der Einstieg in die Arbeit mit der Protean Career in einer Organisation kann erfahrungsgemäß auf zwei Arten stattfinden. Einerseits kann das Modell, respektive Elemente daraus, direkt im individuellen Austausch mit den Mitarbeitenden vorgestellt

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