Personal quarterly 4/2023

8 PERSONALquarterly 04 / 23 SCHWERPUNKT_INTERVIEW arbeiter gerne hierherkommen. Sie möchten gemeinsam etwas tun und sich regelmäßig sehen. Wir haben keine Anweisung gegeben. Wir bieten weiter Flexibilität und Remote-Arbeit an, aber die Entscheidung liegt im Team. PERSONALquarterly: Du hast gerade die Entwicklung angesprochen. Es ist interessant zu sehen, wie gut die Rückkehr von mobilen Arbeitsmodellen ins Büro funktioniert und dass die Rückkehr freiwillig erfolgt. Welchen Eindruck hast du davon? Wie haben sich die Mitarbeiter durch die von euch gelebte Kultur und New Work verändert? Boris Langerbein: Man kann praktisch beobachten, wie sich Menschen tatsächlich verändern, manche schneller als andere, je nachdem, wie anpassungsfähig sie sind, insbesondere wenn sie aus einer völlig anderen Arbeitswelt kommen. Selbst Studierende, die direkt von der Hochschule kommen, sind bereits konditioniert. Es ist wie ein Einschwingmodus, der immer wieder stattfinden kann, da sich ständig etwas ändert. Für das Thema Change ist dies ein entscheidender Prozess, um sich immer wieder einzuschwingen und sicherzustellen, dass alle daran teilhaben können. Natürlich ist es nicht immer zu 100 Prozent möglich, aber wenn man es zulässt, funktioniert es gut. Es spielt keine Rolle, wie alt man ist oder woher man kommt. Wie gesagt, manchmal ist es eher eine Frage der Zeit, wie schnell es geht. PERSONALquarterly: Das finde ich sehr spannend. Du sagst also im Grunde genommen, dass es keine großen Unterschiede gibt, ob jemand bereits 20 Jahre im Unternehmen arbeitet oder gerade nach dem Studium einsteigt. Du siehst bei all diesen Personen eine gewisse Veränderung in diesen Prozessen? Boris Langerbein: Man sieht eine Veränderung, und was man erreichen muss, ist ein zweckdienliches Denken. Ich habe u. a. „erfahrene“ Kollegen, die in der Vergangenheit vieles hinterfragt haben und in vielem und in der Tiefe klare Anweisungen geben wollen. Doch nach einigen Diskussionen und Erfahrungen ist das Feedback heute: „Unglaublich, welches Engagement und welche Motivation wir hier haben.“ Das passiert jedoch nur, wenn ich es auch zulasse, nicht wahr? Als Unternehmensführung haben wir natürlich die Verantwortung, den Rahmen für das Unternehmen zu setzen und Ziele vorzugeben. Man muss auch darauf achten, dass Menschen, die brennen, nicht ausbrennen. Das ist ebenfalls ein sehr wichtiger Punkt, den ich bisher nicht erwähnt habe. Im vergangenen Jahr haben wir als Erstes ein mentales Gesundheitstraining eingeführt neben nun auch dem physischen Training. Wir bieten den Mitarbeitern die Möglichkeit, sich frühzeitig damit zu beschäftigen und sich einzuklinken, um zu sehen, wie es ihnen dabei geht, neben all den Team-Events. Denn das muss begleitet werden, da manche Personen auch über ihre Grenzen gehen oder diese nicht richtig einschätzen. PERSONALquarterly: Wie wird dieses Angebot bei euch angenommen? Erhaltet ihr viele Rückmeldungen, insbesondere positive, oder ist die Resonanz zunächst verhalten? Boris Langerbein: Ich würde sagen, es gibt Poweruser, tatsächlich. Wir hatten Mitarbeiter, die das Angebot gut nutzen konnten und immer noch nutzen. Was schön zu sehen war, ist, dass es den einen oder anderen dazu bewegt hat, noch einen Schritt weiterzugehen und nicht nur im Hinblick auf das Unternehmen zu schauen, sondern auch das Privatleben zu betrachten und zu fragen: „Wie geht es mir?“ Denn letztendlich gibt der Mensch sein Gehirn und seinen Stress nicht ab, wenn er hier anfängt zu arbeiten. Es ist eine integrierte Welt, in der wir leben, und die Übergänge sind fließend. Daher haben wir auch eine Verantwortung, die über die Unternehmensgrenzen hinausgeht. Ich finde es gut und richtig, dass wir darüber hinausdenken. Wir bieten bspw. ein Bikeleasing an, aber auch hier muss man bedenken, dass wir es nicht nur anbieten, weil es jeder macht. Bei uns möchten die Mitarbeiter z. B. nicht mit dem Auto oder einem Verbrennungsmotor fahren, sondern sie möchten lieber Fahrrad fahren. Das ergibt Sinn aus verschiedenen Perspektiven: aus der Haltung heraus, aber auch im Hinblick auf Fitness. Wir denken immer in Bezug auf den Zweck; die Dinge, die wir einsetzen, haben immer einen Sinn. Das gilt auch für unser Unternehmen als Ganzes. Wenn wir merken, dass etwas keinen Sinn mehr ergibt, müssen wir darüber sprechen und überlegen, ob wir es ändern oder möglicherweise sogar abschaffen. Wir versuchen immer, das, was wir tun, unter einem bestimmten Zweck zu verstehen und sicherzustellen, dass es bei den Mitarbeitern ankommt. Dies führt voraussichtlich dazu, dass unsere Fluktuationsrate im Personal bei unter 5 % liegt, deutlich unter dem Branchendurchschnitt, gepaart mit einer sehr hohen Leistungsbereitschaft und Loyalität dem Unternehmen gegenüber. PERSONALquarterly: Inwieweit werden eure Mitarbeitenden auch in die Gestaltung und Umsetzung dieser Initiativen einbezogen? Konkret gesprochen, du hast bereits das Mental Health Training und das Bikeleasing erwähnt. Gibt es bei euch auch Möglichkeiten zu Beteiligung und Feedback? Boris Langerbein: Ja, definitiv. Das war von Anfang an ein sehr wichtiger Aspekt. Die Herausforderung besteht eher darin, es lebendig zu halten. Die Partizipation, die natürlich mit zehn oder auch 30 Personen noch recht gut umsetzbar ist, wird nun zunehmend eine Herausforderung. Am Anfang haben wir einen sog. Collaboration Contract verfasst, in dem wir festgelegt haben, wie wir zusammenarbeiten möchten. Das war anfangs gut, hat sich dann etwas abgeschwächt, aber ich glaube, daraus ist eine Kultur entstanden, die wir uns immer wieder vor Augen halten wollen. Wir haben auch regelmäßige All-Hands-Meetings, alle 14 Tage. Früher waren es wöchentliche Meetings, aber jetzt finden sie alle 14 Tage

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