50 PERSONALquarterly 04 / 23 ESSENTIALS_REZENSIONEN Einem Kollegen oder einer Kollegin bei der Arbeit helfen – immer eine gute Idee, oder? Dana Harari und ihre Kolleginnen und Kollegen haben sich die Auswirkungen von Hilfsangeboten auf die helfende Person genauer angeschaut und kommen zu dem Schluss, dass es auf die Art sowie die Quelle des Hilfsangebots ankommt. In vier Studien verglichen sie zwei Arten von Hilfe: reaktive, erbetene Hilfe und antizipatorische, unaufgeforderte Hilfe. In früheren Untersuchungen wurden diese Arten von Hilfe oftmals nicht klar voneinander getrennt. Es wurde angenommen, dass Hilfe in der Regel auch erbeten ist. Tatsächlich wurden die Vorteile reaktiver Hilfe ausführlich beschrieben. Auch in den drei Experimenten und der Feldstudie von Harari und Kollegen zeigte sich, dass Mitarbeitende, die reaktiv helfen, positive Reaktionen erhalten. Sie werden als sympathischer, kompetenter und leistungsfähiger angesehen. Durch antizipatorische Hilfe werden hingegen nicht immer positive Effekte erzielt. Der Empfänger oder die Empfängerin antizipatorischer Hilfe kann sich bedroht fühlen und dadurch weniger bereit sein, Hilfe anzunehmen – obwohl er oder sie die Hilfe vielleicht sogar braucht. Und auch für die helfenden Personen zeigten sich bei antizipatorischer Hilfe negative Auswirkungen: Sie wurden als weniger sympathisch, kompetent und leistungsfähig angesehen. Für Personen, die einen höheren Status haben als die Person, der sie zu helfen versuchen, – Manager, Teamleiter oder Personen mit höherem Dienstalter – war der negative Effekt antizipatorischer Hilfe noch stärker. Helfende Personen mit geringerem Status als die Person, die Hilfe empfängt, können hingegen anderen bei der Arbeit sowohl reaktiv als auch antizipatorisch helfen, ohne sich selbst oder der anderen Person Schaden zuzufügen. Die Autorinnen und der Autor der Studie erklären diesen Effekt damit, dass antizipatorische Hilfe von einer Person mit höherem Status bei der empfangenden Person das Gefühl auslöst, dass sie etwas falsch gemacht hat oder ihr Wenn Hilfe nach hinten losgeht – reaktive und antizipatorische Hilfsangebote Harari, D. (Technion Israel Institute of Technology), Parke, M. R. (University of Pennsylvania), Marr, J. C. (University of Maryland): When helping hurts helpers: Anticipatory versus reactive helping, helper’s relative status, and recipient selfthreat. Academy of Management Journal, 65(6), 1954–1983. https://doi.org/10.5465/amj.2019.0049, 2022 Status infrage gestellt wird. Sollten Personen mit höherem Status also lieber keine antizipatorische Hilfe anbieten? Diese Schlussfolgerung ist nicht sehr realistisch, wenn man bedenkt, dass das Anbieten von Hilfestellungen oftmals zu den Verantwortlichkeiten von höhergestellten Personen gehört. Vielmehr sollten Personen mit höherem Status überlegen, wie sie antizipatorische Hilfe anbieten können, ohne dass sich die empfangende Person bedroht fühlt. Die Ergebnisse der Studien bieten erste Anhaltspunkte, wie das gelingen kann. Es zeigte sich, dass antizipatorische Hilfsangebote von Personen mit höherem Status weniger bedrohlich sind, wenn die soziale Austauschbeziehung im Sinne des Gebens und Nehmens ausgeglichen ist. So sollten Personen mit höherem Status darauf hinweisen, dass das antizipatorische Hilfsangebot z. B. ein Gefallen, der in der Zukunft zurückgegeben werden soll, oder eine „Rückzahlung“ für einen vergangenen Gefallen ist. Dadurch wird antizipatorische Hilfe von der empfangenden Person als weniger bedrohlich empfunden. Als möglichen Ansatz, um die positiven Effekte von jeglicher Art der Hilfe bei der Arbeit voll auszuschöpfen, sollten Führungskräfte ihre Mitarbeitenden ermutigen und belohnen, wenn sie Hilfe suchen, Hilfe anbieten und Hilfe annehmen. Dadurch können sie dazu beitragen, ein auf Zusammenarbeit ausgerichtetes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeitende nicht durch antizipatorische Hilfe bedroht fühlen. Besprochen von Dr. Maie Stein, Arbeitsbereich Arbeits- und Organisationspsychologie und Center for Better Work, Universität Hamburg
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