46 PERSONALquarterly 04 / 23 STATE OF THE ART_PERFORMANCE Der demografische Wandel rückt schon längere Zeit das Alter der Mitarbeitenden in den Vordergrund, sei es beim Fachkräftemangel oder bei der damit verbundenen Diskussion um ein höheres Renteneintrittsalter. Ältere Mitarbeiter sind erfahrener, gleichzeitig wird ihnen eine verringerte Leistungsfähigkeit unterstellt. Insgesamt wird ein unklares Bild darüber gezeichnet, wie sich Lebensalter und Berufserfahrungen auf die Leistung auswirken. Erschwert wird eine systematische Analyse dadurch, dass Alter, Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit miteinander zusammenhängen. So gibt es keinen 20-Jährigen mit 30 Jahren Berufserfahrung, und auch wenn Mitarbeitende in höherem Alter noch die Organisation wechseln können, überrascht es wenig, dass im Durchschnitt ältere Mitarbeitende länger im Betrieb sind als jüngere. Eine Trennung dieser drei Konstrukte ist aber trotzdem bedeutsam, da sich sehr verschiedene praktische Implikationen ableiten lassen, je nachdem, ob Alter, Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit mit relevanten Ergebnisgrößen zusammenhängen. Wäre bspw. hauptsächlich die Berufserfahrung für die Arbeitsleistung relevant, könnten Organisationen verstärkt berufserfahrene Mitarbeitende einstellen. Wäre dagegen alleine die Betriebszugehörigkeit von Bedeutung, sollten Anstrengungen unternommen werden, Mitarbeitende im Unternehmen zu halten. Für das Alter der Mitarbeitenden wird in dieser Forschungstradition in der Regel kein direkter Effekt angenommen, vielmehr kann es sozusagen über Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit auf die Leistung wirken. Als grundlegende Mechanismen werden zwei entgegengesetzte Effekte angenommen. Einerseits wirkt zunehmende Erfahrung im Beruf oder in der Organisation über Lerneffekte positiv auf die Arbeitsleistung, andererseits kann aber auch eine zu lange Zeit im Beruf oder Betrieb die Motivation verringern und so die Arbeitsleistung mindern. Sozusagen könnte mit zunehmender Erfahrung das Können steigen, das Wollen aber sinken. Ebenfalls leistungsmindernd könnte sich in höherem Alter eine verringerte physische oder kognitive Leistungsfähigkeit bemerkbar machen. Da Alter, Berufserfahrung und Dauer der Betriebszugehörigkeit zentrale und leicht zu erfassende Konstrukte in der Personalforschung sind, ist die Alter, Erfahrung und Betriebszugehörigkeit sind keine guten Prädiktoren für Arbeitsleistung Von Prof. Dr. Torsten Biemann (Universität Mannheim) und Prof. Dr. Heiko Weckmüller (Hochschule Koblenz) Anzahl der existierenden Studien entsprechend hoch und wir können auf verschiedene Metaanalysen zurückgreifen. In diesem Beitrag möchten wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammentragen. Wir beginnen im nächsten Abschnitt mit den Effekten von Alter, Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit auf die individuelle Leistung von Mitarbeitenden. Im darauffolgenden Kapitel erweitern wir die Betrachtung auf die organisationale Ebene und berichten unter anderem über die Wirkung des durchschnittlichen Alters in Organisationseinheiten oder des Alters von CEOs auf organisationale Ergebnisgrößen. Schließlich wechseln wir von einer primär quantitativ-empirischen Analyse in eine eher theoretische Betrachtung, welche die überraschend geringen Effekte von Erfahrungen auf individuelle und organisationale Ergebnisgrößen zu erklären versucht. Zusammenhänge mit Ergebnisgrößen auf individueller Ebene Der sehr geringe Zusammenhang zwischen Lebensalter und Arbeitsleistung wurde bereits in einem früheren Beitrag im PERSONALquarterly thematisiert (Korff/Biemann, 2013), dort vornehmlich basierend auf metaanalytischer Evidenz von Ng und Feldman (2008). Bspw. ist der korrigierte Korrelationskoeffizient für Alter und Arbeitsleistung basierend auf k = 118 Studien mit insgesamt N = 52.048 Individuen nur r = ,02 (vgl. Abb. 1). Alleine mit dem Alter von Mitarbeitenden lassen sich also kaum Rückschlüsse auf deren Leistung treffen. Allerdings sind die Ergebnisse für Berufserfahrung (job tenure) nicht grundlegend anders, denn auch hier sind die Zusammenhänge mit Arbeitsleistung, Organizational Citizenship Behavior (OCB) und Kreativität mit Werten um r = ,05 eher gering. Lediglich beim Innovationsverhalten (innovative behaviors) besteht ein mittelstarker positiver Zusammenhang mit Berufserfahrung (r = ,35); Innovationen sind also eher von Mitarbeitenden mit längerer Berufserfahrung zu erwarten, jedoch ist auch dieser Zusammenhang nicht sehr stark (Ng/ Feldman, 2013). Die Bedeutung einer langen Betriebszugehörigkeit (organizational tenure) wurde in einer Metaanalyse vom selben Autorenteam (Ng/Feldman, 2010) untersucht, und die Kernergebnisse folgen einem ähnlichen Muster, denn sie
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