Personal quarterly 4/2023

43 04 / 23 PERSONALquarterly gen verpflichtet sind, wird nach Unterzeichnung eines neuen Vertrags auf weitere Maßnahmen weitestgehend verzichtet. Lediglich ein Unternehmen übersendet den neu gewonnenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Willkommenspaket, welches die Integration in das Unternehmen und somit das Onboarding einleitet. 5. Onboarding Im Rahmen der Candidate Journey wird auch das Onboarding beleuchtet, da erst zu diesem Zeitpunkt die Einbindung der Bewerber in das Unternehmen beginnt. Fast alle Unternehmen verfügen über unterschiedliche Onboarding-Maßnahmen, welche in Art und Umfang zwischen den Positionen variieren. Diese reichen von unterschiedlich langen Job-Rotations-Phasen über Handbücher und individuelle Einarbeitungspläne bis hin zu Patenschaften. Eine Unternehmerin berichtet von Willkommensfeiern für neue Mitarbeitende: „Wir hatten lange eine Einstellungsparty. Der Neue kommt und die ganze Abteilung wartet mit einem Glas Sekt. Aber dann habe ich gedacht, der fühlt sich doch unwohl, und habe das wieder gelassen. Jetzt bekommt er eine Karte von der Abteilung und ein Geschenk auf den Tisch“ (IP 4).10 Vergleich zu Großunternehmen Die Möglichkeit großer Unternehmen, höhere Gehälter zu zahlen, was mit einem Wettbewerbsnachteil für KMU bei der Gewinnung von Fachkräften verbunden wird, wird von den Befragten hervorgehoben. Ebenso wird auf die primär lokale Bekanntheit des eigenen Unternehmens abgestellt. So sind die Interviewpartner der Meinung, dass die Regionalität von KMU den Arbeitnehmermarkt eingrenzt, während große Unternehmen Möglichkeiten haben, überregional Fachkräfte zu akquirieren. Eine klare Stärke sehen die Interviewten in der „Familyness“ und im persönlichen Kontakt der Bewerberinnen und Bewerber zu Führungskräften bis hin zur Geschäftsführung, der sich aus der Unternehmensgröße von KMU und deren flacheren Hierarchien ergibt. „Das sagen die Bewerber in den Vorstellungsgesprächen, dass sie sich bewusst für ein Familienunternehmen entschieden haben. Um nicht nur eine Nummer zu sein. Man möchte dieses familiäre Umfeld so ein bisschen und flache Hierarchien, der direkte Weg. Und damit haben wir schon Vorteile gegenüber einem großen Unternehmen“ (IP8). CXM als bekannte Unbekannte in familiengeführten KMU Während das CXM-Konzept nur einer interviewten Person namentlich bekannt ist, gestalten alle Firmen bereits einige Berührungspunkte in ihren Bewerbungsprozessen proaktiv, wohingegen sie andere eher vernachlässigen. Obwohl damit Aktivitäten stattfinden, die der Idee eines CXM in familiengeführten KMU zugeordnet werden können, ist festzustellen, dass diese in ihden befragten Unternehmen zwischen wenigen Stunden und mehreren Tagen. Jedoch betonen alle Interviewten, dass das Probearbeiten für beide Seiten relevant ist:9 Die Bewerber demonstrieren ihre Fähigkeiten und hinterlassen einen Eindruck ihrer Persönlichkeit. Zugleich lernen sie das Unternehmen, dessen Prozesse, potenzielle Kollegen und Vorgesetzte kennen und haben die Gelegenheit, unbefangen Fragen zu stellen. Bei falscher Ausgestaltung kann dieses Instrument jedoch auch einen Risikofaktor für die Candidate Experience darstellen: „Und beim Probearbeiten haben sie ihn zwölf Stunden schaffen lassen. Da hat er gesagt, da fange ich nicht an. Wenn ich beim Probearbeiten zwölf Stunden arbeiten muss und jeder da drin erzählt mir, dass er hier zwölf bis 14 Stunden schafft, dann hat er gesagt, da fange ich nicht an“ (IP 2). Basierend auf den Einschätzungen der involvierten Führungskräfte sowie der Mitarbeitenden im Rahmen des Probearbeitens wird eine Vorentscheidung getroffen. Im Fall der Absage aufgrund mangelnder Passung betonen mehrere Befragte bewusst die Bedeutung einer persönlichen Rückmeldung: „Selbst wenn jemand eine Absage bekommt [...] wenn er sich im Prozess wohlfühlt, dann hat er ein gutes Bild von der Firma und empfiehlt uns vielleicht weiter. [...] Und dazu trägt eine telefonische Absage bei, damit er die Gründe verstehen kann“ (IP 3). Trotzdem kommunizieren die allermeisten Unternehmen Absagen per E-Mail und ohne konkretere Erläuterungen: „Nein, es gibt kein Feedback. Weil Sie beim Feedback immer in die Gefahr laufen hinsichtlich dem AGG sich angreifbar zu machen. [...] Deswegen, kein Feedback, einfach eine Mail, dass wir uns für jemand anders entschieden haben, bisschen was drum herum“ (IP 1). Im Falle einer Absage aufgrund fehlender Vakanzen verweisen alle Interviewten auf einen Bewerber-Pool, in welchen Bewerberinnen und Bewerber aufgenommen werden können. Eine aktive Ansprache dieser Pools mit regelmäßigen Informationen wird hingegen häufig nicht vorgenommen. Zusagen erfolgen in der Regel während oder im Anschluss an ein zweites Gespräch, das die vertraglichen Rahmendaten zum Gegenstand hat. Dabei wird erneut die Bedeutung der Geschwindigkeit im Prozess betont: „Wir sind in einem absoluten Arbeitnehmermarkt, man muss schnell sein, wenn man gute Fachkräfte bekommen möchte. Wenn mir jemand gefällt, dann gleich ich es ab und normalerweise rufe ich denjenigen dann am selben Tag oder am nächsten Tag noch an und stelle ihn ein zum nächstmöglichen Eintrittstermin“ (IP 9). Teilweise kommt es im Rahmen des ersten Gesprächs bzw. im Anschluss an das Probearbeiten bereits direkt zum Vertragsabschluss. In Fällen, in denen Bewerber noch in Arbeitsverträ9 Studien zeigen, dass das Probearbeiten eines der validesten Auswahlinstrumente darstellt, um auf die Arbeitsleistung einer Person zu schließen (Sackett et al., 2021, insb. S. 15). 10 D ie vorliegende Studie exkludiert die Bindung als sechsten Schritt der Candidate Journey nach Verhoeven (2016d). Die Autoren betrachten das Onboarding als Bindeglied zwischen der Candidate Journey und der Employee Journey. Dieser Sichtweise folgend, ist der Aspekt der Bindung eher Bestandteil der Employee Journey.

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