42 PERSONALquarterly 04 / 23 NEUE FORSCHUNG_CANDIDATE EXPERIENCE MANAGEMENT nehmen bei der Suche nach Personal unterhalb der Führungsebene zumeist auf Zeitungsanzeigen, Social Media, lokal fokussierte Internetportale und Flyer. Darüber hinaus werden Prämien an Beschäftigte ausgelobt, die neue Mitarbeitende werben. Hervorzuheben ist die lokale Ansprache der Unternehmen: Sie sind häufig in den Regionen aktiv, in welchen der Firmenname über einen signifikanten Bekanntheitsgrad verfügt. Mehrere Gesprächspartner haben Erfahrungen in der Nutzung von Jobportalen gesammelt. Jedoch werden diese, abgesehen zur Besetzung von Toppositionen, aufgrund der regionalen Lage und mit Blick auf eine Kosten-Nutzen-Einschätzung meist kritisch bewertet: „Das liegt auch am ländlichen Bereich. Einer aus Stuttgart zieht nicht in den Schwarzwald mit der ganzen Familie. [...] Wir haben eigentlich keine hochdotierten Stellen, wo man das machen kann“ (IP 5). 2. Information Die Zahl der Berührungspunkte, die Informationen für potenzielle Bewerber zur Verfügung stellen und aktiv gemanagt werden, ist gering. Neben ihrer Homepage und Social-Media-Auftritten setzen die Unternehmen zumeist auf Mundpropaganda durch ihre Belegschaft, die zugleich authentische Testimonials verkörpert. Mit Ausnahme einer interviewten Person wird Arbeitgeberbewertungsportalen (z. B. Kununu) wenig Relevanz beigemessen und die Aussagekraft der abgegebenen Bewertungen infrage gestellt. Einige der Gesprächspartner führen ergänzend an, dass sie bislang keine Arbeitgeberbewertungen erhalten haben. Die Ausnahme stellt das größte Unternehmen mit rund 400 Beschäftigten dar, welches aktiv den Auftritt auf solchen Portalen managt. Auch potenziell arbeitgeberattraktivitätsfördernde Informationen wie bspw. flexible Arbeitszeitmodelle werden für Kandidaten häufig erst nach einem ersten teilweise formlosen Kontakt ersichtlich. Je nach Verlauf des Kontakts kann es hier bereits zum Angebot eines Probearbeitens kommen: „Dann hat der mich gefragt, wie das Betriebsklima ist. Da habe ich gesagt, wenn Sie mich das fragen, hat das nicht viel Wert. [...] Sie kommen nächste Woche zum Probearbeiten und fragen die Kollegen. Dann bekommen Sie eine ehrlichere Antwort bzw. eine Antwort, wie die Stimmung tatsächlich ist“ (IP 7). Der formale Bewerbungsprozess (Phase 3) wird in einem solchen Fall übersprungen oder an späterer Stelle nachgeholt. 3. Bewerbung Der Bewerbungsprozess, insb. für weniger qualifizierte Stellen, muss nach Aussage der Interviewpartner so barrierefrei wie möglich gestaltet werden. Dabei wird primär Wert auf den Lebenslauf gelegt. Andere Unterlagen haben für die Gesprächspartner an Bedeutung verloren und werden nicht mehr zwingend eingefordert. Ein Interviewpartner erläutert den Einsatz von Kurzbewerbungen bei Verkaufspositionen: „Wir haben Flyer ausliegen für Kurzbewerbungen. Wo Sie einfach sagen, so heiße ich, das habe ich bisher gemacht, das ist meine Telefonnummer, und wir nehmen dann Kontakt auf. [...] Die Hemmschwelle ist gering, die Leute müssen sich so schnell und einfach wie nur möglich bewerben können“ (IP 2). Diese Vorgehensweise wurde in weiteren Interviews diskutiert und fand dort starken Zuspruch. Die Interviewten bevorzugen Bewerbungen per E-Mail. Häufig wird auf die Einfachheit von Online-Plattformen verwiesen, jedoch verfügt keines der Unternehmen – vor allem aus Kostengründen – über ein solches System. Im Rahmen dieses Berührungspunkts wird die Notwendigkeit einer zeitnahen Antwort an die Bewerberinnen und Bewerber betont, jedoch setzt nur ein Unternehmen eine automatisierte E-Mail zur Bestätigung des Bewerbungseingangs ein. Die Bedeutung eines klar identifizierbaren Ansprechpartners und einer persönlichen Rückmeldung wird besonders hervorgehoben. 4. Auswahl Alle Befragten legen im Anschluss an die Sichtung der erhaltenen Unterlagen Wert auf ein persönliches Gespräch. Zum Großteil wird dies unter Einbezug relevanter Führungskräfte durchgeführt. Für einige Mitglieder der Geschäftsführung ist es wichtig, die Einladungen zum Gespräch persönlich per Anruf vorzunehmen, um Wertschätzung gegenüber den bewerbenden Personen zu demonstrieren. Andere laden per E-Mail ein und greifen nur bei besonders geeigneten Kandidaten auf das Telefon zurück. Das Vorstellungsgespräch versucht ein Großteil der Geschäftsführer und Inhaber selbst zu führen oder die Kandidaten zumindest persönlich zu begrüßen. Für Führungspositionen und andere strategisch relevante Stellen werden teilweise strukturierte Fähigkeits- und Persönlichkeitstests in den Auswahlprozess integriert. Für Stellenprofile mit geringerem Qualifizierungsniveau werden diese jedoch selten eingesetzt, um keine zusätzlichen Barrieren aufzubauen. Die Interviewten weisen mehrfach darauf hin, dass die bewerbende Person sich wohlfühlen soll. „Und wir durchlöchern gar nicht so. Man hat dann doch festgestellt, es ist nicht nur ein Bewerbungsgespräch, wo der Bewerber sich bewirbt, sondern wir uns als Unternehmen auch bei ihm bewerben müssen“ (IP 3). Dies wurde mehrfach als Veränderung hin zur Bewerberorientierung beschrieben. Eine Betriebsführung wird in einigen Unternehmen bereits an dieser Stelle im Prozess angeboten. Manche Unternehmen unterstützen das Ziel einer positiven Bewerbererfahrung, indem eigene Produkte am Ende des Gesprächs als Geschenk überreicht werden, selbst wenn bereits feststeht, dass kein Arbeitsverhältnis zustande kommen wird. Die zweite Phase der Auswahl stellt in den meisten Fällen das Probearbeiten dar. Dieses ist in Art und Umfang zwischen den Betrieben und Positionen unterschiedlich und schwankt in
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