PERSONALquarterly 04 / 23 24 SCHWERPUNKT_NEW WORK und auch weniger emotionale Erschöpfung erleben sie. Agiles Projektmanagement scheint demnach über die Zeit eher positiv mit dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden assoziiert zu sein. Doch diese positive Wirkung kam besonders dann zum Tragen, wenn die Unternehmen über eine starke Kultur für psychologisches Empowerment verfügten, also eine gemeinsame Wertschätzung für die Erfahrung von Bedeutsamkeit, Kompetenz, Selbstbestimmung und Einfluss bestand. Die agile Projektarbeit wirkt sich somit dann vor allem stressreduzierend aus, wenn die Empowerment-Kultur hoch ausgeprägt ist. Bei niedriger Empowerment-Kultur ist z. B. zu vermuten, dass sich dann z. B. der Product Owner in einem Scrumteam wie eine normale Führungskraft verhält bzw. verhalten muss und die Sprint Reviews weniger zum Austausch und Feedback, sondern für die Verlaufskontrolle genutzt werden. In der Praxis wird das Instrument ebenso verstärkt eingesetzt. Von Anwendern wird hervorgehoben, dass mit einer sehr kurzen Bearbeitungszeit und damit geringem Realisierungsaufwand eine verlässliche Aussage zum wahrgenommenen Erleben der Empowerment-Werte erhoben werden kann. Wenn die Anwender die Ergebnisse im Sinne einer Organisations- oder Kulturentwicklung einsetzen wollen, dann flankieren sie die Messung mit Workshop-Formaten. Diese dienen dazu, dass sich die Befragten in Teams über die unterschiedlichen Sichten austauschen und Ansatzpunkte zur Veränderung der Werte erörtern. Bei einer entsprechenden Bereitschaft von Entscheidern können damit kurzfristig Effekte erreicht werden. Diese sollten nicht überschätzt werden, denn die Kultur für Empowerment ist auch häufig mit strukturellen Rahmenbedingungen verknüpft. Somit ist eine nachhaltige Stärkung dieses wichtigen Bausteins von New Work nur mit einer simultanen Arbeit an den organisationalen Verhältnissen und dem Verhalten der Individuen möglich. Das vorliegende Messinstrument bietet dafür Informationen als Ausgangspunkt und auch die Chance, mit regelmäßigen Erhebungen längerfristige Veränderungen zu monitoren. Fazit Die Persönlichkeit und damit das „Mindset“ von Mitarbeitenden ist über die Zeit und Situationen relativ stabil und bietet wenige Ansätze zur Veränderung. Organisationskulturen bekommen Menschen dagegen in Organisationen vorgelebt und erwerben diese durch eine organisationale Sozialisation. Die Werte, die eine Organisationskultur ausmachen, werden gelernt und sind dadurch leichter veränderbar als Persönlichkeiten. Empowerment in der Weiterentwicklung der Gedanken von Bergmann ist in Deutschland ein wesentliches Merkmal von New Work und steht im engen Zusammenhang mit implizit oder explizit demokratischen und dezentralen Werten einer Organisation. Mithilfe des vorgestellten validierten Messinstruments lassen sich die wahrgenommenen Werte für Empowerment der Organisationsmitglieder praxisnah einfach und ökonomisch erheben. Besonders wirksam fluss und Kompetenz zu finden sind. Auch macht es Sinn, dass das Instrument regelmäßig eingesetzt wird, sodass Änderungen über die Zeit sichtbar werden. Das Instrument Measuring Psychological Empowerment Culture besteht aus 16 Items und ist damit in weniger als fünf Minuten zu bearbeiten. Das Instrument wurde in vier Studien auf seine psychometrischen Kriterien geprüft (Studie 1: N = 208/ Deutschland; Studie 2: N = 182/ Deutschland / Längsschnitt; Studie 3: N = 346/ USA; Studie 4: N = 210/ Deutschland/ Längsschnitt). Es liegen eine deutsch- und eine englischsprachige Version vor. Deutsche Beispiel-Items für die vier Dimensionen sind: In meiner Organisation … wird Wert darauf gelegt, dass die Arbeit für die Beschäftigten eine persönliche Bedeutung hat (Sinn) ... wird man ermutigt, seine beruflichen Fähigkeiten zu erweitern (Kompetenz) … wird großer Wert darauf gelegt, dass alle Beschäftigten etwas bewirken können (Einfluss) … wird es geschätzt, wenn die Beschäftigten selbst entscheiden, wie sie arbeiten (Selbstbestimmung) Der Fragebogen zeigt eine hohe faktorielle Validität und starke Reliabilitätskennwerte (Cronbachs Alpha für das Gesamtkonstrukt zwischen .95 und .97). Darüber hinaus korreliert der Fragebogen mit zentralen Außenkriterien. Aus den längsschnittlichen Daten können z. B. zufriedenstellende Zusammenhänge mit dem individuellen Empowerment-Erleben (r = .45), dem Leistungsverhalten (r = .36), dem Innovationsverhalten (r = .31) oder der Arbeitszufriedenheit (r = 37) berichtet werden. Das heißt, je stärker die Kulturfacetten zu Zeitpunkt 1 ausgeprägt sind, desto höher fällt z. B. die Leistung oder die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden zu einem späteren Zeitpunkt aus. Darüber hinaus ist das Instrument inkrementell valide, erklärt also zusätzliche Varianz gegenüber anderen Kulturfacetten wie z. B. der Fehlerkultur (gemessen mit dem Instrument von van Dyck et al., 2005). Über die Entwicklungsstudien hinaus ist das Instrument im New-Work-Kontext schon wissenschaftlich eingesetzt worden, und zwar im Bereich des agilen Projektmanagements. In zwei Fragebogen-Studien haben Augner und Schermuly (in press) Projektmitarbeitende zu zwei Messzeitpunkten befragt (N = 174; N = 133) und zwei Strukturgleichungsmodelle gerechnet, um der Komplexität der Hypothesen Rechnung zu tragen. Die Wahrnehmung von agilem Projektmanagement wurde mit der Agile Work Scale von Tuomivaara et al. (2017) gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass je stärker sich die Mitarbeitenden im Projekt nach agilen Werten und Prinzipien richten (z. B. iterativ vorgehen, in enger Abstimmung mit dem Kunden arbeiten oder in Produktinkrementen denken), desto weniger Stress
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