PERSONALquarterly 04 / 23 22 SCHWERPUNKT_NEW WORK Treffen sich New-Work-Expertinnen und -Experten in der Praxis, so ist schnell die Rede von einem „Mindset für New Work“. Wenn Maßnahmen im Bereich New Work scheitern, wird gerne das fehlende Mindset der Organisationsmitglieder dafür verantwortlich gemacht. Es existiert mittlerweile sogar in Buchform ein New-Work-Mindset-Ratgeber (Bliblios, 2022). Der Untertitel des Buchs macht deutlich, wie der Erfolg und Misserfolg von New Work persönlich attribuiert wird: „Persönlichkeitsentwicklung – Neues Denken für ein innovatives Business und mehr Erfolg“. Wir sehen den Erfolg und Misserfolg von New Work weniger in der Persönlichkeit von Menschen begründet, sondern in den in der Organisation geteilten Normen und Werten. Damit wird das Scheitern von New Work nicht mehr einzelnen Menschen und ihrem Charakter zugewiesen, sondern bleibt in der Verantwortung des Unternehmens. Deswegen wollen wir uns in unserem Artikel dem Thema aus einer organisationspsychologischen Perspektive nähern und sehen eine passende Organisationskultur als eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung und Anwendung von New-Work-Maßnahmen an. Was ist Organisationskultur? Am 26. Januar 2023 ist Edgar H. Schein in Palo Alto (Kalifornien) gestorben. Er hat als Professor für Organisationspsychologie maßgeblich dazu beigetragen, das Thema Organisationskultur besser zu verstehen und zu erforschen. Er definierte die Organisationskultur als „ein Muster gemeinsamer Grundannahmen, das von einer bestimmten Gruppe erfunden, entdeckt oder entwickelt wurde, als sie lernte, mit ihren Problemen der äußeren Anpassung und inneren Integration fertig zu werden“ (Schein, 2012, S. 313). Dieses Muster war in der Vergangenheit so erfolgreich, dass es eine Mehrzahl der Organisationsmitglieder akzeptiert und als gültig wahrnimmt. Deswegen werden Werte und Normen neuen Organisationsmitgliedern als die richtige Art und Weise, Probleme wahrzunehmen und zu bearbeiten, aber auch zu denken und zu fühlen, beigebracht (Schein, 2012). Die Organisationskultur wird somit von einer Mitarbeitergeneration zur nächsten durch Sozialisationsprozesse weitergegeben und hat deswegen eine hohe zeitliche Stabilität und erhebliche Änderungsresistenz. Empowerment-Kultur als Voraussetzung für erfolgreiches New Work Von Prof. Dr. Carsten C. Schermuly und Matthias Meifert Schein (2012) sieht die Organisationskultur auf verschiedenen Ebenen wirken und unterscheidet zwischen Artefakten, Werten und Grundannahmen. Die Artefakte sind sichtbare Manifestationen der Organisationskultur. Man kann z. B. die Artefakte in der Architektur entdecken (Haben z. B. die Führungskräfte große Büros mit gutem Ausblick? Verlieren nur die Mitarbeitenden die Büros im Open Space Office?). Aber auch an der Sprache und an Kommunikationsmustern (Dürfen z. B. die Führungskräfte selbstverständlich als Erstes im Meeting reden? Muss über den Witz des Chefs gelacht werden?), an der Kleidung (z. B. Casual Friday) und an Ritualen (Wird z. B. ein Mitarbeiter des Monats erkoren?) lassen sich Organisationskulturen erkennen und differenzieren. Eine Ebene darunter liegen im Modell von Schein die Werte. Die organisationalen Werte sind „beliefs held by an individual or group regarding means and ends organizations ‘ought to’ or ‘should’ identify in the running of the enterprise, in choosing what business actions or objectives are preferable to alternate actions, or in establishing organizational objectives“ (Enz, 1988, S. 287). Wie stark sind z. B. die organisationalen Werte für Nachhaltigkeit im wirtschaftlichen Handeln der Organisation ausgeprägt? Teilen die Organisationsmitglieder Werte für einen schonenden Umgang mit Ressourcen und ist es ihnen wichtig, umweltbewusst zu handeln? Die unterste Ebene bilden die Grundannahmen. Grundannahmen sind meist unbewusste, aber geteilte Überzeugungen über Menschen oder auch soziale Beziehungen innerhalb der Organisation. Ein Beispiel könnte sein, dass die Organisationsmitglieder ein reduziertes Verständnis der Evolution auf die Arbeitswelt übertragen und selbstverständlich davon überzeugt sind, dass wirtschaftlich handeln ein einziger Kampf ums Überleben sei, in dem nur die Stärksten überleben. Artefakte sind zwar sichtbar, können aber laut Schein (2012) nur schwer entschlüsselt werden (z. B. der Sprachjargon oder die Kleidung in einem Unternehmen). Auch sind sie teilweise schwer zu ändern. Bspw. kann das Gebäude eines Familienunternehmens, das vor 100 Jahren für das Unternehmen errichtet wurde, nicht kurzfristig abgerissen und neu errichtet werden. Dagegen sind die Grundannahmen schwer erfassbar, da sie einen unbewussten Charakter besitzen und von den Organisationsmitgliedern in der Regel nicht benannt werden
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