PERSONALquarterly 04 / 23 14 SCHWERPUNKT_NEW WORK Aus Unternehmensperspektive ist es wichtig, dass sich eine durch Multiteaming hervorgerufene Rollenunklarheit signifikant negativ auf die individuelle Leistungsfähigkeit eines Mitarbeitenden (beurteilt durch die Führungskraft) auswirkt und auch zu einer höheren Anzahl an krankheitsbedingten Fehltagen pro Jahr führt (van de Brake et al., 2020). Eine Studie in 52 Teams unterschiedlicher Industrien konnte darüber hinaus nachweisen, dass eine verringerte Rollenklarheit eines Multiteamers innerhalb eines Teams sogar die gesamte Teamleistung negativ beeinflusst (van de Brake/Berger, 2023). Dies ist darauf zurückzuführen, dass Multiteamer häufig eine wichtige Netzwerkerrolle zwischen Teams einnehmen und in der Regel über seltene Expertise verfügen, wodurch sie die Teamleistung überproportional stark beeinflussen. Folglich besteht sowohl aus Gesundheits- und Stresspräventionsgründen als auch aus Leistungsperspektive ein starker Anreiz, sich aktiv mit den psychologischen Nebeneffekten von Multiteaming zu beschäftigen. Treten auch positive psychologische Nebeneffekte für Mitarbeitende auf, die in mehreren Teams gleichzeitig arbeiten? Mehrere empirische Studien haben sich mit potenziellen Vorteilen von Multiteaming für einzelne Mitarbeitende beschäftigt – jedoch konnten weder direkte Effekte auf die Wahrnehmung von sozialer Unterstützung und Autonomie (Pluut et al., 2014) noch auf die Befriedigung des Kompetenzbedürfnisses (das heißt das Gefühl, effektiv auf das Arbeitsumfeld einwirken zu können) gefunden werden (van de Brake et al., 2020). Wenn positive Effekte auftraten, waren diese bestimmten Gruppen vorbehalten (z. B. Mitarbeitenden mit langer Betriebszugehörigkeit) oder von teambezogenen Kontextfaktoren abhängig (z. B. eine hohe Qualität in der Teamzusammenarbeit), was in der Folge den Fokus auf gestaltbare Kontextfaktoren richtet. Multiteaming erfolgreich gestalten? Angesichts der zahlreichen Nebeneffekte von Multiteaming liegt der Fokus aktueller Forschung zunehmend auf der Identifizierung von Kontextfaktoren, die die negativen Effekte von multiplen Teammitgliedschaften abschwächen bzw. potenzielle Vorteile betonen. Diese Kontextfaktoren lassen sich grob in drei Kategorien gliedern: Personalauswahl und Staffing, teambezogene Faktoren und Führungsverhalten. Bei der Personalauswahl ist insbesondere darauf zu achten, die Anzahl der parallelen Teammitgliedschaften für Mitarbeitende mit geringer Berufs- und/oder Unternehmenserfahrung zu limitieren. Hier gilt als Faustregel: Je länger die Betriebszugehörigkeit, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitarbeitender über die Ressourcen verfügt, die Multiteaming zu einem positiven Erlebnis (z. B. hohes Kompetenzempfinden) und nicht zu einem Stressfaktor machen (van de Brake et al., 2020). Ferner zeigt sich, dass Mitarbeitende mit einer polychronen Orientierung – das heißt eine angeborene und zeitlich stabile Präferenz, sich mit vielen Aktivitäten gleichzeitig zu beschäftigen – deutlich besser mit den Herausforderungen des Multiteaming umgehen als Mitarbeitende, die am liebsten eine Aufgabe nach der anderen bearbeiten (= monochrone Orientierung) (Berger/Bruch, 2021). Wichtig ist, dass Mitarbeitende sehr präzise einschätzen können, wo die eigenen Präferenzen liegen. Bspw. kann dies mit einem kurzen Selbstcheck ermittelt werden (vgl. Abb. 4). Neben diesen persönlichen Faktoren ist im Staffing-Prozess zu beachten, dass jeder Mitarbeitende über zumindest eine zeitlich stabile und relativ zentrale Teammitgliedschaft verfügt. Ein solches Team dient als wichtiger Identifikationspunkt für Mitarbeitende, der potenzielle Identifikationsmängel in weiteren, eher temporären Teams kompensieren kann (Mistry et al., 2022). Hinsichtlich teambezogener Faktoren lässt sich festhalten, dass auch im Multiteaming-Kontext in die Qualität von Teamprozessen (insbesondere Kommunikation, Koordination, gegenseitige Unterstützung und Zusammenhalt) investiert werden sollte, da dadurch Wechsel- und Adaptionsprozesse für Teammitglieder, die auch in anderen Teams arbeiten, erleichtert werden (van de Brake/Berger, 2023). Weniger empfehlenswert ist hingegen die Nutzung von Multiteaming-Strukturen in virtuellen Kontexten. Eine Studie von Cummings und Haas (2012) zeigt diesbezüglich, dass durch den zusätzlichen Koordinationsaufwand bei virtueller Zusammenarbeit die ansonsten positive Wirkung von Multiteaming auf die Teamleistung schwindet. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn digital gestützte Kommunikation (z. B. über Instant-Messaging-Dienste) die Oberhand gewinnt und Mitarbeitende ständigen Störungen aus anderen Teams ausgesetzt sind (Bertolotti et al., 2015). Abb. 4: Polychron oder monochron? Quelle: Adaptiert von König et al. (2005) Messinstrument zur Selbsteinschätzung der polychronen Orientierung Bitte geben Sie an, inwiefern Sie den folgenden Aussagen zustimmen. (1=stimme überhaupt nicht zu; 5=stimme voll und ganz zu) * 1. Ich beschäftige mich gerne mit verschiedenen Dingen gleichzeitig. 2. Ich würde lieber jeden Tag Teile verschiedener Projekte fertigstellen, als ein ganzes Projekt abzuschließen. 3. Wenn ich allein arbeite, dann arbeite ich gewöhnlich nur an einem Projekt gleichzeitig. 4. Ich arbeite ungern an mehr als einer Aufgabe zur selben Zeit. * Items 3 und 4 beschreiben eine monochrone Orientierung. Folglich repräsentieren niedrige Werte eine hohe polychrone Orientierung.
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