Personal quarterly 4/2023

PERSONALquarterly 04 / 23 12 SCHWERPUNKT_NEW WORK Multiteaming-Level damit, dass Mitarbeitende in einem solchen Kontext häufig zwischen Teams hin und her springen müssen. In der Folge bringt dies große kognitive Rüstkosten für Mitarbeitende mit sich, welche negativ auf die Produktivität wirken. Wichtig ist, dass der Scheitelpunkt von durchschnittlich 2,4 Teammitgliedschaften für eine bestimmte Unternehmensstichprobe – deutsche, meist mittelgroße Unternehmen – ermittelt wurde und somit nicht als generalisierbare Regel zu interpretieren ist. Zudem wurden weder Teamunterschiede (z. B. hinsichtlich Rolle, Status oder Aufgabe) noch die Teamzentralität in der Studie berücksichtigt. Gleichwohl ist zu sagen, dass ein ähnlicher kurvilinearer Effekt auch in weiterer MultiteamingForschung hypothetisiert (O’Leary et al., 2011) und empirisch belegt wurde (Bertolotti et al., 2015). Bertolotti und Kollegen konnten diesbezüglich in einer Studie mit 40 Forschungs- und Entwicklungsteams im Bereich alternativer Energien zeigen, dass auch die Leistung einzelner Teams zunächst profitiert, wenn die Teammitglieder zeitgleich in anderen Teams arbeiten. Zentraler Vorteil ist, dass ein durch Multiteaming vernetztes Team unmittelbaren Zugriff auf teaminternes Wissen und Expertise anderer Teams hat und nicht teamextern darauf zugreifen muss. Allerdings gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Haben die Teammitglieder zu viele Nebenschauplätze und verbringen sie insbesondere zu wenig Zeit innerhalb eines Teams (das heißt, es liegt eine geringe Team-Zentralität vor), leidet die Koordinationsfähigkeit und dadurch zunehmend die Teamleistung. Von „human resources“ zu „human beings”: Individuelle Nebeneffekte von Multiteaming Multiteaming ist als strukturelle Maßnahme darauf ausgelegt, die Humanressourcen-Effektivität von Unternehmen zu erhöhen. Obwohl eine solche Sichtweise aus Unternehmensperspektive sinnvoll und wie beschrieben (bis zu einem gewissen Grad) produktivitätssteigernd ist, vernachlässigt sie wichtige psychologische Nebeneffekte, die Multiteaming als individuelle Arbeitspraktik auf Mitarbeitende im Unternehmen entfaltet. Eine Vielzahl an Studien hat sich in den letzten Jahren mit diesen individuellen Auswirkungen von Multiteaming beschäftigt, wobei vor allem das Stressempfinden der Mitarbeitenden im Vordergrund stand. Ein Forschungsstrang fokussiert hierbei auf das Thema emotionale Erschöpfung – die Kerndimension des Burn-out-Konstrukts – und argumentiert gestützt auf ressourcenbasierte Stresstheorien (z. B. Conservation-of-Resources-Theorie oder Job-Demands-Resources-Modell), dass Multiteaming den Mitarbeitenden wichtige persönliche (z. B. Zeit, Energie und Fokus) und soziale Ressourcen (z. B. soziale Unterstützung und Identifikation) raubt und dadurch emotionale Erschöpfung erhöht. Z. B. zeigt sich, dass Multiteamer großen Koordinationsaufwand investieren müssen und häufiger in ihrer Arbeit Ressourcendruck, und (b) wissensintensive Unternehmen, in denen Informationstransfer von großer Relevanz ist, vermehrt auf Multiteaming setzen. Doch lassen sich diese Motive bzw. die erwünschte Wirkung von Multiteaming auch eins zu eins in den Leistungskennzahlen von Unternehmen erkennen? Multiteaming erhöht Unternehmens- und Teamleistung, aber … In der oben genannten Studie in 145 deutschen Unternehmen wurde auf der Basis von mehr als 19.000 individuellen Datenpunkten die durchschnittliche Nutzung von Multiteaming pro Unternehmen berechnet. Anschließend wurde unter Kontrolle wichtiger Unternehmensmerkmale (z. B. Unternehmensgröße und Industriezugehörigkeit) in Regressionsanalysen ermittelt, welchen Einfluss Multiteaming auf die Unternehmensproduktivität (gemessen als Jahresumsatz pro Mitarbeitenden) hat. Die Ergebnisse legen nahe, dass Multiteaming die Produktivität zunächst positiv beeinflusst. Allerdings stellt sich ab einem bestimmten Level ein abnehmender und letztlich sogar negativer Grenznutzen ein (das heißt ein kurvilinearer Effekt). In der Studie wurde das optimale Multiteaming-Level (= Scheitelpunkt in Abb. 2) auf durchschnittlich 2,4 Teammitgliedschaften pro Mitarbeitenden beziffert (sprich: Mitarbeitende arbeiten im Schnitt in zwischen zwei und drei Teams gleichzeitig). Die Autoren begründen den rückläufigen Produktivitätseffekt bei einem höheren Abb. 2: Multiteaming und Unternehmensproduktivität Quelle: Adaptiert von Berger et al. (2022) 700 650 600 550 500 450 400 350 300 250 2,4 Teams Produktivität in 1.000 Euro pro Mitarbeitenden ⌀ Anzahl Teammitgliedschaften

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