6 PERSONALquarterly 03 / 23 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly: Das Thema Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und der Begriff hat auch Einzug in den HR-Bereich gehalten. Was genau versteht man unter nachhaltigem Personalmanagement? Michael Müller-Camen: Unter nachhaltigem Personalmanagement versteht man grundsätzlich das Bestreben, nicht nur profitorientiert zu denken, sondern auch ökologische und soziale Ziele zu berücksichtigen. Dies ist besonders für die Personalfunktion eine Herausforderung, denn hier hat man sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark auf wirtschaftliche Leistung und Profit fokussiert. PERSONALquarterly: Und was macht nachhaltiges Personalmanagement für Sie aus? Müller-Camen: Diese Frage habe ich mir vor 20 Jahren das erste Mal gestellt und versucht, die Antwort in Nachhaltigkeitsberichten, die mittlerweile oft ESG-Berichte genannt werden, zu finden. Diese enthielten damals und auch noch heute ein Kapitel, welches über Aspekte des Personalmanagements der jeweiligen Unternehmen berichtet. Dort wird insbesondere über Diversität und Inklusion, Personalentwicklung sowie Sicherheit am Arbeitsplatz geschrieben. Firmen berichten über die HR-Instrumente in diesen Bereichen, da diese Berichte normalerweise nach GRI standardisiert sind und dort eben diese Inhalte vorgeschrieben werden. Nicht überraschend waren und sind dies auch bis heute Bestandteile des nachhaltigen Personalmanagements, wie es wissenschaftlich definiert wird. Für mein Team und mich ist dieses „sozial verantwortliche Personalmanagement“ aber nur ein Baustein. PERSONALquarterly: Gibt es darüber hinaus noch weitere zentrale Bausteine des nachhaltigen Personalmanagements? Müller-Camen: Im letzten Jahrzehnt kam das Green HRM als weiterer Baustein dazu. Green HRM versucht aufzuzeigen, welchen Beitrag die Personalfunktion für die Umsetzung von Umweltstrategien leisten kann. Hier steht die Überlegung dahinter, dass ohne die Belegschaft ökologische Anforderungen einer Organisation nicht zu erreichen sind. Daher sollen Personalinstrumente so gestaltet werden, dass Umweltstrategien unterstützt werden. Beispiele wären, die Erreichung ökologischer Ziele bei Bonisystemen zu berücksichtigen und im Rahmen der Personalentwicklung das Umweltbewusstsein der Belegschaft zu stärken. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Begriff Green HRM oder ähnliche Ausdrücke wie ökologisches Personalmanagement bisher in der Praxis nicht verbreitet sind. Es gibt bereits diverse Maßnahmen (wie z. B. Benefits für die Anreise zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln), doch eben keinen Begriff, der diese Anstrengungen zusammenfasst und es der Personalabteilung ermöglicht, ihren Beitrag zur ökologischen Transformation systematisch darzustellen. Vielleicht wäre es auch spannend zu erwähnen, dass Green HRM mittlerweile ein stark wachsendes Feld in der Wissenschaft ist und auf allen Kontinenten erforscht wird. Eine der wesentlichen Grundlagen dieser Literatur ist das erste Sonderheft zu diesemThema, welches in der Zeitschrift für Personalforschung (heute German Journal of Human Resource Management) 2011 erschienen ist. PERSONALquarterly: Nimmt man das Beispiel Green HRM, so kann neben der Umsetzung konkreter Maßnahmen auch die Information der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit eine Rolle spielen. Wie wichtig sind interne und externe Kommunikation beim nachhaltigen Personalmanagement? Müller-Camen: Diversität, Inklusion und eine stärkere Umweltorientierung werden derzeit aus den USA kommend immer stärker hinterfragt. Stichwort Woke Kapitalismus! Daher ist es wichtig, sich auch in der internen Kommunikation diesen Themen zu widmen und z. B. herauszustellen, welche wirtschaftlichen Vorteile eine divers zusammengesetzte Belegschaft hat und warum es sich auch finanziell lohnen kann, Umweltschäden zu vermeiden. Ein wichtiges Element der externen Kommunikation ist die bereits beschriebene Nachhaltigkeitsberichterstattung, in der Personalthemen eine große Rolle spielen. Themen des sozialverantwortlichen Personalmanagements und insbesondere Diversität und Frauenförderung werden natürlich auch in den Karrieresektionender Unternehmen imInternet hervorgehoben. Dies wird immer wichtiger, da heute nur noch ein „sustainable“ Employer Branding entsprechende Bewerbungen generiert. Was versteht man eigentlich unter nachhaltigem Personalmanagement? Das Interview mit Prof. Dr. Michael Müller-Camen führte Prof. Dr. Torsten Biemann
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